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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2021

Revitalisierung ehem. Brauhaus und Umnutzung Schloss Trabelsdorf in Lisberg

1. Preis

Preisgeld: 15.000 EUR

stm°architekten

Architektur

Erläuterungstext

Mit großem Respekt vor dem Bestand entwickeln wir den Entwurfsvorschlag: Das ehemalige Brauhaus und das Schloss prägen den Ort nicht nur städtbaulich, sondern stellen als Teil der Ortsgeschichte wichtige Zeitdokumente dar. Als hervorragendes Beispiel einer ländlichen Industrieentwicklung prägt das Brauhaus den Ort genauso wie das herrschaftliche Schloss.

Beide Gebäude sollen deswegen so behutsam wie möglich unter Wahrung der vorhandenen Substanz und ihrer ursprünglichen Erscheinung erhalten und entwickelt werden.


Das Schloss

Die kleinteilige Raumstruktur mit dem hervorgehobenen, in der Mittelachse gelegenen, zum Garten orientierten und aus der Fassadenflucht heraustretenden Hauptraum je Geschoss wird erhalten, der in der Längsachse liegende Flur wird wieder hergestellt.

Im Erdgeschoss wird der Durchgang freigeräumt, in den südlichen Teilflächen soll das Schlosscafé entstehen. Die beiden Hauptgeschosse sind der Verwaltung vorbehalten. Das zu erfüllende Flächenangebot ist vorhanden und kann nach Notwendigkeit entwickelt werden. Der große Saal passt nicht in diese Struktur und würde das Raumgefüge zerstören!

Als vertretbarer Eingriff wird das Einfügen eines Aufzuges empfunden, dieser kann so platziert werden, dass er das Dachgeschoss erschließt und das Archiv dort ermöglicht. Die erforderliche Brandschutzertüchtigung schützt darüber hinaus den Bestand der Konstruktion.

Der erforderliche Umbauaufwand im Schloss ist aufgrund der guten vorgefundenen Substanz und des vorgeschlagenen Auslagerns des Saals minimal.


Das Brauhaus

Im Sinne eines „Urban Mining“ wollen wir die städtebauliche Qualität des Gebäudes erhalten und die Prägnanz der vorhandenen Raumstrukturen mit der guten Belichtung, den prägenden Fassaden und dem dominanten Dach herausarbeiten. Als raumwirksamer Eingriff werden die südlichen Anbauten am Brauhaus entfernt, um den Durchgang zum Schlosspark und den Blick vom Schlossplatz auf den Park zu stärken.

Wir schlagen vor, den gewünschten Saal im Brauhaus unterzubringen: hier kann er mit der erforderlichen Raumhöhe, der nötigen Gebäudetechnik und den wünschenswerten Nebenflächen ausgestattet werden. Hier kann ein vollwertiger, flexibel nutzbarer Saal entstehen.

Der Zugang zum Saal erfolgt über das derzeitige Untergeschoss, das zum Schlossplatz hin geöffnet wird. Dort sind die Bar, die Garderobe und die WC Anlagen zu finden. Eine großzügige Treppe, die unter dem früheren Malzsilo eingestellt wird und diese Raumskulptur betont, erschließt den Saal im heutigen Erdgeschoss. Die vorhandene Decke über dem Saal wird entfernt, so dass eine angemessene Raumhöhe entsteht. Der Umgang um die neue Treppe bietet weitere Nebenflächen zum Saal an.

Als Zeichen des Weiterbauens des Brauhauses wird in der Westfassade eine großzügige Öffnung eingeschnitten, die das Einfügen der Saalnutzung aufzeigt. Längs der Passage zum Schlosspark wird auf Platzebene eine weitere Öffnung eingefügt, sie repräsentiert den neuen Eingang. Beide Eingriffe in die Fassade werden zeichenhaft mit einem Gesimsbalken verbunden. Die restlichen Fassadenflächen sollen erhalten und behutsam saniert werden.

Im Gebäude verbleibt das vorhandene Treppenhaus, lediglich ein Aufzug wird ergänzt. Dieser erschließt alle Ebenen und stellt die erforderliche Barrierefreiheit sicher. Oberhalb des Saals wird die Praxis eingefügt, im Geschoss darüber die Wohnung. Der Dachraum bleibt als Raumreserve erhalten, bzw. kann für die Wohnung aktiviert werden. Die Tragbalken, mit denen die Dachkonstruktion abgelastet wird, werden hochgesetzt, so dass die nötige Raumhöhe entsteht. Eine erforderliche Ertüchtigung der Decke über dem Saal erfolgt an der Unterseite der Konstruktion, die über der Praxis an der Oberseite. So entstehen in allen Ebenen ausreichende lichte Höhen.

Das Malzsilo wird als leeres Volumen erhalten und mit einer Dachverglasung belichtet. Eingeschnittene Öffnungen ermöglichen den Blick in den Hohlraum, der die Geschichte des Hauses erzählt. Der weitere Innenausbau erfolgt in Schichten: erhaltenswerter Bestand wird gestärkt und freigelegt, neue Bauteile sichtbar eingefügt.


Freianlagen

Als raumwirksamer Eingriff werden die südlichen Anbauten am Brauhaus entfernt, um den Durchgang zum Schlosspark und den Blick vom Schlossplatz auf den Park zu stärken. Hier wird zusammen mit dem Weg in den Schlosspark die Vorfläche des neuen Zugangs zum Brauhaus gestaltet. Die neue Teilfläche präjudiziert die erforderliche weitere Entwicklung des Schlossplatzes nicht. Das Öffnen des Durchgangs durch das Schloss ermöglicht weiterhin, dass Freiflächen des Cafés auf beiden Seiten des Schlosses eingerichtet werden können.


Nachhaltigkeit

Den Wunsch nach einem nachhaltigen Projekt erfüllen wir über die konzeptionelle Haltung: Das Bewahren des Bestandes, der behutsame Umgang mit minimalinvasiven Eingriffen und das schichtweise Freilegen der vorhandenen Qualitäten bilden die Grundlagen der nachhaltigen Entwicklung. Ziel ist das Bewahren der vorgefundenen Werte: der Entwurf fokussiert nicht auf das technisch Machbare, sondern auf das strukturell Sinnvolle.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Einbindung und Angemessenheit im Ortsbild
Die Verfasser haben die ortsbildprägende Wirkung des Gebäudes als Potential erkannt und sind mit ihrem Entwurf sehr gut darauf eingegangen. Die Entscheidung, die bestehenden Anbauten zwischen Schloss und Brauhaus zu entfernen und den Durchgang zum Schlosspark damit zu stärken, wird als richtig erkannt. Der behutsame Eingriff in die bestehende Fassadengestaltung, ist präzise angeordnet und verdeutlicht die neue Nutzung des Gebäudes als Kulturbrauerei an der richtigen Stelle. Die zwei neu angeordneten großformatigen Fenster zeigen den neuen Saal im Innenraum und den Hauptzugang zu diesem vom Schlossplatz aus. Sie werden durch das verbindende Fries an der Fassade, welches die Bodenplatte des neuen Saals widerspiegelt, in zeitgenössischen formalen Ausdruck, wohl proportioniert zu dem einzigen Eingriff, zusammengefasst. Den neuen Saal im 1. OG betritt man somit ebenerdig von Norden und direkt von dem Schlossplatz über ein Foyer mit Bar und einer angemessenen geschwungenen Treppe. Von der Bar aus kann der Schlossplatz mit bewirtet werden. Für eine Cafénutzung erscheint sie etwas zu klein, was von der Gemeinde jedoch als positiv und angemessen konnotiert wird. Der Zugang zur Arztpraxis im 2. OG und der Wohnung im 3. OG werden folgerichtig von der Nordseite barrierefrei über einen Lift erschlossen. Gestalterische und funktionale Qualität der Gebäudeplanung Nach ausführlicher Analyse haben sich die Projektverfasser dazu entscheiden, den Saal im Brauhaus anzuordnen, um den Eingriff in bestehende Bausubstanz des Schlosses gering zu halten. Diese Entscheidung wird aus denkmalpflegerischer Sicht begrüßt und entlastet das Schloss. Dadurch ergibt sich im EG die Möglichkeit, ein kleines „Schlosscafé“ zu integrieren, welches auch den freigespielten Durchgang des Schlosses bespielen kann. Der Aufzug ist gut in die historische Erschließungsstruktur des Schlosses, sogar unter Verwendung der historischen Türöffnungen integriert. Das Archiv an bestehender Stelle sollte nochmals kritisch hinterfragt werden. Für die Anordnung des Saals im Brauhaus wird auf der Ebene des 1. Obergeschosses eine neue Decke eingebracht. Diese Decke löst sich in Form einer Galerie teilweise von der Außenfassade und bringt dadurch eine positiv gewertete Großzügigkeit in das Erdgeschoss mit der Bar. Diese hat im Rücken einen freigestellten Körper, der die Toiletten beinhaltet und dadurch geschickt die Garderobe räumlich separiert. Die Erschließung des Saals über die großzügige Treppe befindet sich direkt unter dem bestehenden Silo und stellt somit einen sehr schönen Bezug zu der historischen industriellen Architektur dar. Das Silo selbst wird durch ein neues Oberlicht geschickt als Lichtschacht für die über dem Saal liegende Arztpraxis und Wohnung genutzt und schafft dadurch eine zusätzliche Qualität in den Innenräumen, bei Erhaltung der bestehenden Bausubstanz. Die Arztpraxis, wie auch die Wohnung sind folgerichtig angeordnet und funktional gut organisiert. Aus medizinischer Nutzersicht wird die Raumanzahl und die Organisation der Praxis begrüßt. Die notwendige Nutzung eines Lifts für das Erreichen der Praxis im Obergeschoss findet gerade im ländlichen Raum wenig Akzeptanz und stellt eine deutliche Einschränkung im Betrieb dar. Das Auslagern des sehr großen Personalraumes in ein zweites Geschoss erschwert ebenso die Abläufe. Bei der Wohnung könnte unter Beibehaltung der bestehenden Fensterformate zusätzlich ein Außenbereich als Loggia ergänzt werden, um die Qualität dieser zu steigern. Das Dach bleibt als „Kaltdach“ der Gemeinde als Lager erhalten. Sowohl die Lösung für das Schloss, als auch der Umgang mit dem Brauhaus, stellen aus denkmalpflegerischer Sicht sehr gute Lösungen dar.
Energetische Sanierung und Nachhaltigkeit
Die Nachhaltigkeit des Projekts zeigt sich vor allem in dem angemessenen und substanzschonenden Umgang mit der bestehenden Bausubstanz.
Realisierung und Wirtschaftlichkeit
Durch die behutsamen Eingriffe in die bestehende Bausubstanz ist eine wirtschaftliche Realisierung des Projektes zu erwarten.
Resümee
Durch die Anordnung des Saals im Brauhaus, zeichnet sich das Projekt als funktional sehr gut umgesetzt und in seinem architektonischen Ausdruck als angemessenen und präzise entworfenen Beitrag mit großem Potential aus.