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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2021

Neue Wohnbebauung K16 in Nußloch

2. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

Seitz Architektur.

Architektur

Erläuterungstext

LEITIDEE

Bereits die historischen Gemarkungspläne aus dem 19. Jhd. zeigen, dass der Stadtgrundriss Nußlochs von privaten Innenhöfen geprägt wurde. Diese räumliche Gliederung ist auch heute noch in der Umgebung des Wettbewerbsgebietes zu finden. Dreiseitig umbaute Innenhöfe grenzen sich vom Straßenraum ab, öffnen sich über die vierte Seite zum umgebenden Grün und bieten Raum für gemeinschaftliche, private Nutzungen.

Unser Entwurf nimmt diese städtebauliche Grundstruktur auf und entwickeln sie durch einen behutsamen und respektvollen Umgang mit dem Bestand weiter. Mit dem Abbruch des Feuerwehrhauses entsteht ein großzügiger, begrünter Innenhof, der sich zum angrenzenden, großräumigen Grünraum öffnet. So schaffen wir Platz für ein gemeinschaftliches Leben „im privaten Kreis“.


STÄDTEBAU

Mit Ausnahme des abzubrechenden Feuerwehrhauses bleiben alle Bestandsgebäude in Ihrer ursprünglichen Form erhalten. So bildet das Wohngebäude weiterhin den Abschluss zum Straßenraum und das kleine Nebengebäude an der Brandwand nimmt mit dem Ergänzungsbau in Form einer kleinen „Scheune“ die erforderlichen, allgemeinen Funktionsräume auf. Auch das Trafohäuschen wird in die kleine Scheune integriert und kann unverändert an seinem Ort verbleiben. Eine zurückgesetzte Klinkermauer begrenzt den Hof an seiner offenen Seite zur Straße hin. Sie trennt den privaten Hofraum von den PKW-Stellplätzen.

ERSCHLIEßUNG

Der zentrale Zugang zu der Wohnanlage erfolgt zukünftig von der Wilhelmstraße zwischen dem Wohnhaus und den PKW-Stellplätzen. Über den Innenhof sind alle Gebäudezugänge schwellenlos erreichbar. Hubpodeste ermöglichen die barrierefreie Erschließung der gesamten Erdgeschossbereiche. Der direkte Gebäudezugang von der Kaiserstraße bleibt erhalten. Die ehemalige Gebäudedurchfahrt wird geschlossen und nimmt gemeinschaftlich genutzte Räume auf. Die Treppenhäuser bleiben an ihrer ursprünglichen Position erhalten. Die Holztreppe im Haus Wilhelmstraße wird durch eine zeitgemäße Konstruktion ersetzt. Aus wirtschaftlichen Erwägungen werden die Wohnungen in den Obergeschossen ausschließlich über die Treppenhäuser erschlossen. So können sowohl die Investitions- als auch die Betriebskosten gering gehalten werden.

GEBÄUDESANIERUNG

Die Sanierung des Gebäudes wird mit großer Wertschätzung gegenüber dem Vorhandenen durchgeführt. So dass die Wohnhäuser auf der Straßenseite zukünftig wieder weitgehend ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild entsprechen. Die Klinkerfassade mit ihren Natursteingliederungen wird freigelegt, gereinigt und ergänzt. Zugemauerte Fensteröffnungen werden wieder hergestellt. Vorhandene Öffnungen bleiben erhalten. Die Fenster erhalten ihre historische Gliederung und die ehemals vorhandenen Fensterläden werden wieder angebracht. Die energetische Ertüchtigung der Straßenfassade erfolgt über eine Innendämmung. Eine sorgfältige Planung und Ausführung ermöglicht diese bauphysikalisch anspruchsvolle Lösung und ermöglicht die Wiederherstellung der der den Ort prägenden und identitätsstiftenden Fassade.

Die Hoffassade wird mit wenigen, gezielten Eingriffen geöffnet und an die Grundrisse angepasst. So wird eine ausreichende Belichtung der Räume bei hohem Wohnkomfort gewährleistet. Die Putzfassaden erhalten ein Wärmedämmverbundsystem mit Holzfaserdämmplatten. Dieses System ist kostengünstiger und bauphysikalisch einfacher herzustellen als eine Innendämmung und führt nicht zu Flächenverlusten in den Wohnungen.

WOHNUNGEN

Die vorhandene Struktur der tragenden Wände soll weitestgehend erhalten werden. Nichttragende Wände können abgebrochen werden. Der behutsame Umgang mit der Tragkonstruktion ermöglich dennoch einen optimalen Wohnungsmix mit 42% 1-Zimmer, 42% 2-Zimmer und 16% 3-Zimmer-Wohnungen. Dabei entsprechen die Wohnungsgrößen weitestgehend der Auslobung. Alle Erdgeschosswohnungen sind barrierefrei erreichbar.

Auf das Anbringen von Balkonen wird verzichtet. So können aufwändige und kostenintensive Eingriffe in den Bestand vermieden werden. Gleichzeitig steht der vorhandene Freiraum im Innenhof ungeschmälert einer gemeinsamen Nutzung im „privaten Kreis“ zur Verfügung.

FREIANLAGEN

Statt Balkonen werden im Innenhof großzügige, gemeinschaftlich nutzbare private Kreise angeboten. Sie bieten mehr Platz als Balkone und ermöglichen vielseitige, individuelle und gemeinschaftliche Nutzungen. Mit einer Kombination von festen und flexiblen Schiebeelementen kann der Außenraum an unterschiedliche Anforderungen angepasst werden: Mit der Familie Grillen (ein Kreis), Freunde einladen (mehrere Kreise), Feiern in der Gemeinschaft (alle Kreise offen). Auch der Spielplatz wird in das System integriert. Mit dem Erhalt des Nebengebäudes wird zusätzlicher Platz für gemeinsam nutzbare Bereiche angeboten: Fahrradabstellraum im Erdgeschoss, über eine Spindeltreppe zugängliche Lounge im Obergeschoss und „Urban Gardening“ auf dem Dachgarten. Ein großer, ebenerdiger Hof im Zentrum der Wohnanlage ermöglicht ebenfalls gemeinschaftliche Zusammenkünfte. Mit dem angrenzenden Multifunktionsraum dient er der Stärkung der Gemeinschaft aller Bewohner.

GEMEINSCHAFTSBEREICH

In der ehemaligen Gebäudedurchfahrt entsteht ein Wohnzimmer für alle. Der Gemeinschaftsraum – gemeinsam werkeln, kochen, lachen und bunte Abende im Kreis der Mitbewohner verbringen. Platz zum Übernachten für Gäste und Freunde bieten die angrenzenden Gästezimmer im ebenfalls barrierefrei erreichbaren Untergeschoss.

MOBILITÄTSKONZEPT

Zugunsten des gemeinschaftlich genutzten Innenhofs wird eine reduzierte Zahl von 6 PKW-Stellplätzen angeboten. Davon sollen 2 Car-Sharing-Plätze mit Elektrofahrzeugen ausgebildet werden. Die Energieversorgung erfolgt direkt über den angrenzenden Traforaum.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entscheiden sich für eine behutsame Rückführung des „Flickschen Gebäudes“ in die Fassung der Entstehungszeit. Das Feuerwehrgebäude wird entfernt und der entstandene Platz wird ausschließlich zur Gestaltung eines großzügigen Außenraums, zur Erweiterung des Innenhofs Richtung Norden verwand.
Durch den bewusst denkmalpflegerischen Ansatz im Umgang mit dem Bestandgebäude entsteht eine positive Anmut, die den Bereich Kaiserstraße Ecke Wilhelmstraße geprägt hat und in den Köpfen positiv verankert ist. Es wird auf jedwede Applikation verzichtet.
Der großzügige Durchgang zum Hof wird selbsterklärend zum Ort für den zukünftigen Bereich der Gemeinschaftsflächen umgewandelt. Sinnig sind auch hier die Gästezimmer und die gemeinschaftlichen WC Anlagen angeordnet.
Die vorhandenen Treppenhäuser werden ebenso erhalten, wie auch der Eingriff in die Grundzüge der Baukonstruktion des Gebäudes ausbleiben. Man verzichtet bewusst auf Annexbauten oder zusätzliche z.B. vorgesetzte Erschließungsflächen. In dieser Konsequenz werden zur Schaffung barrierefrei zugänglicher Wohneinheiten auf der unteren Ebene zur Überwindung der topografischen Sprünge zwei Hublifter eingebaut, die in der Jury kritisch diskutiert werden.
Positiv werden die Mauereinfassungen des Grundstücke Richtung Norden und entlang der Wilhelmstraße angemerkt. Die hier angeordneten „Senkrechtparker“ werden wie der Trafo geschickt ausgeblendet. Der mit einem Satteldach versehene Müllbereich schafft zudem einen wohltuenden Abschluss des privaten Freibereichs zur Nachbarschaft. Saisonbedingt stehen so sonnige, als auch verschattete Zonen in der Tiefe der differenziert gestalteten Freianlage zur Verfügung
Die grundsätzliche Vorgehensweise und die Kennwerte lassen eine wirtschaftliche Umsetzung des Projektes erwarten.
Die Wohnungsgrundrisse sind vielseitig und gehen mit den Anforderungen einer historischen Eckbebauung geschickt um. Der gewünschte Wohnungsmix wird erreicht.
Die eingefügte Galerie im Gemeinschaftsbereich stellvertretend genannt, zeugt von einem bewussten und sensiblen Umgang mit dem Bestand.
Den Verfassern gelingt mit den fast minimalinvasiven zu bezeichnenden Eingriffen dem Flickgebäude seine alte Würde zurückzugeben und schafft durch eine großzügige Anbindung an die Außenanlage und den Straßenraum eine ortstypische, fast denkmalpflegerische Antwort auf die gestellte Aufgabe.