modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Studienauftrag | 11/2022

Genossenschaftliches Wohnen am Walkeweg (CH)

2. Rang

Preisgeld: 35.000 CHF

Andrea Steegmüller Architektur

Architektur

Salomé Gutscher Architektur

Architektur

Krebs und Herde GmbH

Landschaftsarchitektur

Schnetzer Puskas Ingenieure AG

Tragwerksplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau/ Architektur

Der städtebauliche Entwurf basiert auf einer intelligenten Interpretation des gesetzlich vorgegebenen Lichteinfallswinkels von 45 Grad. Diese beginnt im Querschnitt: Die Raumprofile der drei Hofräumen unterscheiden sich massgeblich. Während die beiden äusseren «Gartenhöfe» breit und begrünt sind, bleibt die zentrale, gewerbliche «Ateliergasse» mineralisch geprägt. Die Abtreppung der Gebäudevolumen zum mittleren Hofraum schafft bei hoher Dichte eine starke, eigenständige Identität. Insgesamt weiss die Dialektik zwischen enger Ateliergasse und zwei grosszügigen Gartenhöfen in ihrer unmissverständlich klaren Ausformulierung zu überzeugen. Der Städtebau schafft einen beeindruckenden atmosphärischen Reichtum der drei Aussenräume. Die bewusste Auseinandersetzung mit dem Lichteinfallswinkel zeugt von einem geschickten Umgang mit dem Baurecht – und schafft einen überraschenden architektonischen Typus. Die beiden mittleren Zeilen verfügen sowohl zur Ateliergasse sowie zur Emilie Louise Frey-Strasse über ein doppeltes Attika. Sie unterscheiden sich dadurch volumetrisch stark von den beiden äusseren Zeilenbauten. Im Zusammenspiel entwickeln die vier Zeilen eine starke Identität. Über die präzis gesetzten Abtreppungen lässt der Entwurf eine plausible Verhaftung im Kontext erahnen. Insbesondere die Verknüpfung an den Köpfen mit gemeinschaftlichen Nutzungen, Bagnia und Waschsalon sowie Gemeinschaftsterrassen ist überzeugend.

Die Adressierung an der Gertrud Spiess-Strasse erfolgt über zwei «vertikale Lobbys», die als Brückenbauwerk den Zugang zum Hof markieren. Die nutzungsoffene, zweigeschossige Struktur lässt sich partizipativ entwickeln und bespielen – sei es als Gemeinschaftsraum, Co-Working, Werkstatt oder Bonusraum. Der Vorteil der starken Adressbildung und Nutzungsflexibilität stehen räumliche Nachteile entgegen: Die Verdichtung der südwestlichen Kopfsituation der beiden «Gartenhöfen» vermindert den Sonneneinfall der Hofräume stark, womit die Aufenthaltsqualität in den Übergangsmonaten und im Winter geschmälert wird. Die ambitionierte Schnittfigur bringt es unter anderem mit sich, dass die Erschliessungswege geschossweise wechseln und daher wenig übersichtlich ausfallen. Im zweiten Obergeschoss fasst eine «Rue Elevée» alle vier Häuser zusammen. Somit wird der kollektive Charakter der Bebauung gestärkt. Die teilweise sehr engen Korridorsituationen neben den Treppenhäusern bei den Kopfbauten werden als kritisch betrachtet.

Der industrielle, architektonische Ausdruck ist wohltuend und überraschend zugleich – ohne aus dem Rahmen zu fallen. Die Visualisierungen versprechen Aussenräume mit einer hohen Aufenthaltsqualität. Der Umgang mit dem Thema der Fassadenbegrünung in den Gartenhöfen wirkt überzeugend. Auf den zwei mittleren Zeilen sind zudem Dachplantagen als Ergänzung des gemeinschaftlichen Angebots vorgesehen.

Funktionalität/ Betrieb

Die Adressierung der Häuser ist schlüssig: Die Erschliessung erfolgt hauptsächlich von der Gertrud SpiessStrasse her. Eine mittlere Gasse dient zudem als sekundäre Verbindung zwischen der Ateliergasse und dem südlichen Gartenhof. Die Gewerbeflächen befinden sich in den Kopfbauten entlang der Gertrud SpiessStrasse und in Form der KITA der südöstlichen Gebäudeecke. Die ebenerdig vom Aussenraum her erschlossenen Maisonettewohnungen an der Ateliergasse verbinden Gewerbe mit Wohnen. Die zwischengeschalteten «Lobbys» sind mit den Zeilen wie auch mit den Gartenhöfen über eine separate Treppe verbunden.

Die grosse Bandbreite an verblüffend unterschiedlichen Wohnungstypen wird zwar begrüsst – sie erzeugt aber auch eine gewisse, typologische Unübersichtlichkeit. Zudem führt eine derart breite Palette an unterschiedlichen Wohnungstypen fast zwangsläufig zu der einen oder anderen Unzulänglichkeit bei der genauen Betrachtung der einzelnen Wohnungen. Sei es die teilweise fehlende Behindertentauglichkeit, zu kleine Bäder, zu grosse Reduits, komplizierte Wohnungstrennwände, unter die Wendeltreppe geschobene Küchenzeilen, aufgrund des 45 Grad Winkles suboptimal belichtete und möblierbare Zimmer. Zur Klärung müsste eine weiterführende, aufwändige Grundrissüberarbeitung folgen. Zudem fällt bei der Bewertung negativ ins Gewicht, dass der gewünschte Wohnungsspiegel nicht eingehalten wird. Es werden zu viele kleinere Wohnungen zu Lasten von grösseren Familienwohnungen angeboten. Ebenfalls liegt das Verhältnis von Hauptnutzfläche zu Geschossfläche im Quervergleich im unteren Bereich, was die ökonomische Nachhaltigkeit des Beitrags vermindert. Die übermässige Abwicklung in Gebäudehülle und Wohnungstrennwänden steht dem übergeordneten Gebot von «Low cost» und «Low energy» entgegen.

Konstruktion/ Nachhaltigkeit

Die Gebäude sind auf einem holzbaugerechten Raster in beiden Hauptrichtungen aufgebaut. Das statischkonstruktive Konzept ist schlüssig. Die Aussteifung erfolgt über eine ausreichende Anzahl an Wandscheiben in Quer- und Längsrichtung.

Die gewählte Spannrichtung der Decken in den Aussenfeldern ermöglicht problemlos die Staffelung der zwei mittleren Gebäude. Die sehr kurzen Spannweiten der Decken führen zu einem kompakten Deckenaufbau. Im mittleren Raster ist die Spannrichtung der Decken in Querrichtung gedreht. Dies erleichtert die schalltechnische Trennung an den rasterübergreifenden Versprüngen der Wohnungstrennwände. In einer weiteren Bearbeitung ist hier der Vermeidung der Schallnebenwege besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Das Beurteilungsgremium kritisiert im Bereich der Rücksprünge an den gestaffelten Gebäudeteilen den baukonstruktiven Mangel am Aufbau der Geschossdecken. Hier hätte ein Höhenversatz durch Absenkung der Deckenelemente für die notwendige bauphysikalische Robustheit des Deckenaufbaus gesorgt. Die Laubengänge sind als direkt bewitterte Konstruktion bewusst konstruktiv vom Gebäude getrennt und als Stahlstruktur in Kombination mit Stahlbeton-Fertigteilen geplant.

Der Studienbeitrag erreicht bezüglich der Grauen Energie den Zielwert nach SIA 2040 und verfehlt diesen für die Treibhausgasemissionen nur leicht. Bezüglich der Gesamtumweltbelastung werden die mittleren Anforderungen verfehlt.

Freiraum

Der landschaftsarchitektonische Beitrag überzeugt durch seine stringent aus der städtebaulichen Idee entwickelte Klarheit. Die Ateliergasse verspricht durch ihre Dimension - entsprungen aus der räumlichen Verdichtung - zu einem unerwartet urban anmutenden Raum zu werden, der dem Quartierkontext sehr guttut. Konsequenterweise wird die Feuerwehrzufahrt in die Gasse gelegt und ansonsten peripher geführt. Dadurch wird es für die Verfasserinnen möglich, reichlich begrünte Gartenhöfe zu schaffen und einen spannenden Kontrapunkt zur Gasse zu setzen. Die Höfe sind aufgrund der Gasse etwas breiter, was eine wohltuende Aufweitung zur Folge hat und es ermöglicht, die Zonierung im Erdgeschoss sehr selbstverständlich zu organisieren. Die vegetativen Vorzonen mit den Sickerflächen entlasten die Wohnungen im Erdgeschoss und trotzdem bleibt Raum für kollektive Aufenthalts- und Bewegungsflächen. Die durchaus dichte Gehölzpflanzung wird aus den Höfen an die Emelie Louise Frey-Strasse geführt und bildet dort sehr glaubhafte Pocketplaces aus. Das Freiraumprojekt ist ein sehr bereichernder Beitrag und wird überzeugend vorgetragen.

Gesamtbewertung

Abgeleitet aus einem intelligenten Umgang mit dem Lichteinfallswinkel entwickelt der Beitrag eine grosse Kraft: Er überzeugt durch seine beschwingte und heitere Atmosphäre, sowie den Willen zu einem vielfältigen Wohnangebot. Der räumliche und atmosphärische Reichtum ist beeindruckend. Walke wird zu einer eigenen Welt. Leider steht die hohe Komplexität im Widerspruch mit den Vorgaben des preisgünstigen Wohnungsbaus – und der Logik des Holzbaus. Ebenso schneidet der Beitrag bei der vergleichenden Betrachtung der Nachhaltigkeit schlecht ab. Dennoch würdigt das Beurteilungsgremium die hohe architektonische und städtebauliche Qualität und den Mut zu unkonventionellen Wohntypologien.