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Zweistufiges Auswahlverfahren | 05/2022

IBA Hamburg Architektenpool für Baugemeinschaftsprojekte in Hamburg-Wilhelmsburg

Perspektivischer Schnitt

Perspektivischer Schnitt

Nominierung / IBA Hamburg Architektenpool

Fusi & Ammann Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Disziplinäre Aufgabe: Synthese der Gegensätze

Unser Architekturbüro hat sowohl als Architekt als auch als Bauherr ein Baugemeinschaftsprojekt realisiert. Aus diesem Grund gibt es eine fundierte disziplinäre und gesellschaftliche Begründung, die uns bei dieser Aufgabe motiviert und begeistert. 

Wir sind überzeugt, dass im Bereich Wohnungsbau, gegenwärtig und zukünftig, unsere disziplinäre Aufgabe darin besteht, zwei wesentliche Dimensionen unserer Kultur und unserer Gesellschaft zu verstehen und in gebauten Räumen und Formen, die wir als Architekten planen können, umzusetzen. 

Die erste Dimension betrifft die ständig progressive Entwicklung von vielfältigen, differenzierten und auch kontroversen Lebensentwürfen, welche die Menschen verwirklichen wollen. Dieser Prozess wird von zahlreichen Faktoren generiert und gesteuert und widerspiegelt sich in Form einer bereichernden Vielfalt von Vorstellungen und Erwartungen, welche die Menschen in Ihrem Zuhause umsetzen wollen.

Dieser Prozess entwickelt sich ständig weiter und betrifft auch die zeitliche Ebene. Die Chancen der vernetzten Mobilität und der Digitalisierung beschleunigen die Dynamik der Entwicklung und der wechselnden Zustände in unserem täglichen Leben. Immer häufiger wird bereits synchron gewohnt, gearbeitet und die Freizeit verbracht. Die Grenzen zwischen diesen Tätigkeiten lösen sich auf und wir benötigen Räume, die sich flexibel daran anpassen. Auch entwickeln sich Familienstrukturen permanent weiter und innerhalb kurzer Zeiten sollten sich Wohn-Räume idealerweise daran anpassen können. 

Die zweite Dimension betrifft das wachsende Bewusstsein für unsere kollektive Verantwortung gegenüber der Umwelt. Wir sind zuversichtlich, dass immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft bereit sind auf persönliche und egozentrische Ziele zu verzichten, zugunsten verantwortungsvoller und umweltbewusster Ziele. Engagierte Menschen, insbesondere die reflektierten jüngeren Generationen, betrachten die Natur, die Stadt und ihre Ressourcen immer seltener als ein Konsumprodukt, sondern mehr als ein Allgemeingut. 

Diese beiden Dimensionen ermöglichen, dass Menschen sich in gebauten Wohn-Räumen identifizieren. Auf einer Seite als Individuen, mit eigenen prägenden Charakteristika, und auf der anderen Seite als Mitglieder einer Gruppe die einen Ort für ihr zukünftiges Leben ausgewählt haben. 

Die Planung eines Baugemeinschaftsprojektes stellt sich für uns Architekten in ihrer Kernessenz gleichzeitig als komplexe und als faszinierende Aufgabe dar: eine Synthese zwischen diesen gegensätzlichen Dimensionen der Individualität und der Zugehörigkeit zu ermöglichen. 

Ziel: Optimale Verwendung der Ressourcen

Menschen die bereit sind eine Baugemeinschaft zu gründen, haben meist genau reflektierte Vorstellungen, wie sie leben wollen. Diese Menschen sind dazu bereit mehr Zeit, Geduld und Arbeit zu investieren, um Ihre eigenen Lebensvorstellungen zu realisieren. Diese Ressourcen, so wie auch die wirtschaftlichen Ressourcen, die sie bereit sind zu investieren, sind für uns extrem kostbar. Sie müssen gezielt und optimal investiert werden, um ein qualitätsvolles und außerordentliches Ergebnis zu erreichen. Es müssen gemeinsame Strategien und Wege gefunden werden, um diese optimale Verwendung der Ressourcen zu erreichen. Einige davon haben wir schon als Architekten erprobt und andere sind gemeinsam mit den Mitgliedern der Baugemeinschaft zu untersuchen. Unter anderen könnten dies folgende sein: 

  • Mögliche Kooperationen mit anderen Bauherren: Diese könnten Baugenossenschaften oder auch Investoren sein, die vergleichbare und kompatibel Ziele verfolgen.
  • Einbeziehung von Sozialeinrichtungen, die vergleichbare non-profit Ziele verfolgen und mit welchen Synergien entwickelt werden könnten.
  • Wahl energetischer Standards, welche die Förderungsfähigkeit des Projektes ermöglichen und Verwendung nachhaltiger Baumaßnahmen. 
  • Verwendung baulicher und technischer Lösungen (wie Kompaktheit, Modularität, Präfabikation), welche effizientes Bauen ermöglichen, ohne konstruktive, funktionale und ästhetische Qualitäten zu mindern.
  • Anwendung von zirkulärem Bauen unter einer bewussten Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette, angefangen z.B. mit der Wiederverwendung von Baumaterialien.
  • Roh belassene und minimal technisierte Innenausstattungen der Wohnungen, was den unterschiedlichen Inhalten und Nutzern gerecht werden soll, z.B. Eigenleistungen beim Ausbau
  • Keine teuren Gemeinschaftsräume, sondern kleine Wohneinheiten, die von Baugemeinschaft bei Bedarf angemietet werden können, oder fremd vermietet werden können.
  • Verwendung eines Nutzungsmix aus Wohnen und Arbeiten, Privatheit und Öffentlichkeit, Gemeinnutz und Eigentum.
  • Planung von Räumen, die offen, flexibel und aneignungsfähig sind. 

Methode: Belastbares Konzept für die Vielfalt

Für uns als Architekten liegt die Faszination ein Baugemeinschaftsprojekt zu begleiten, auch an der Tatsache, dass bei dieser Aufgabe keine vorgefertigte Lösung und Form für das Gebäude verwendet werden kann. Zusammen mit allen Mitgliedern der Baugemeinschaft und unter Beratung kompetenter Baubetreuer, werden die Ziele der Planung definiert und formuliert. In Zusammenarbeit mit den Baubetreuern werden Prozesse angestoßen und alle möglichen Kollaborationen ausgelotet und umgesetzt.

Um diesen Prozess durchzuführen, werden wir selbstverständlich bekannte Methoden und Formate (wie z.B. eine ausführliche Bedarfsermittlung, Workshops, Planungsbesprechungen und Individualtermine) anwenden. Dieser Prozess muss einem klaren Plan gesteuert werden, der eine präzise Sequenz von Entscheidungsabfolgen beinhaltet und eine Festlegung über den Spielraum dieser Entscheidungen setzt.

Zusätzlich und besonders prägend im Vergleich zu anderen Planungsaufgaben, werden wir als Architekten von Anfang an ein klares Konzept für eine architektonische Struktur formulieren. Diese Arbeitsmethode haben wir bereits erprobt, sie prägt unsere Planungsstrategie und hat sich als erfolgreich erwiesen. 

Dieses raum- und architekturtypologische Konzept muss klare aber gleichzeitig anpassungsfähige Strukturen formulieren. Diese generieren ein Gerüst für Möglichkeitsräume. Die Strukturen ermöglichen das Gebäude konstruktiv und gestalterisch zu prägen und ihm eine präzise und erkennbare Identität zu verleihen, damit die Baugemeinschaft sich mit diesem Konzept identifizieren kann und eventuell neue Mitglieder mit Überzeugung gewonnen werden können. Dieselben Strukturen ermöglichen gleichzeitig eine große Flexibilität und Anpassungsfähigkeit für die Vielfalt der Lebensentwürfe, die sich hier verwirklichen wollen.

Dieses strukturelle Konzept ermöglicht viele unterschiedliche Wohnungstypen- und Wohnungsgrößen zu planen und vielfältige Raumbedarfe zu erfüllen. So können z.B. Schalträume oder austauschbare Bereiche generiert werden. Diese Anpassungsfähigkeit innerhalb aber auch außerhalb der einzelnen Wohneinheiten ermöglicht effizienter und nachhaltiger die Ressourcen zu nutzen. Die Wohnungen können z.B. generationsübergreifend oder in den Tag-Nacht Zyklus umgestaltet aber auch geteilt, verkleinert oder vergrößert werden. Zusätzlich sind unterschiedliche Grade und Formen der Gemeinschaftsnutzung von bestimmten Flächen, z. B. bei Erschließungsflächen, je nach Wunsch und Bedarf der Baugemeinschaft möglich, ohne die architektonische Identität zu schwächen und ihre ästhetische Qualität zu vermindern. 
Referenzprojekt "CSH #1 IBA 2013", Hamburg

Referenzprojekt "CSH #1 IBA 2013", Hamburg

Referenzprojekt "Haus im Park", Hamburg

Referenzprojekt "Haus im Park", Hamburg