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Studienauftrag | 06/2023

Ersatzneubau Bergacker HABITAT 8000 in Zürich-Affoltern (CH)

Teilnahme

Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekten AG ETH SIA BSA

Architektur

MAURUS SCHIFFERLI, LANDSCHAFTSARCHITEKT

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau / Topografie
Das im Masterplan formulierte Konzept von Zeilenbauten entlang den leicht geschwungen Quartierstrassen wird mittels einer sorgfältig entwickelten Volumetrie und eines stimmigen architektonischen Ausdrucks der Gebäudehülle umgesetzt. Auf die bewegte Topografie wird mit leichten Abtreppungen der Zeilen reagiert. Dass die mittlere Zeile nur einmal unterbrochen wird, hat eine etwas eingeschränkte Vernetzung mit Fusswegen im Quartier zur Folge.

Umgebung / Freiraum
Die städtebauliche Setzung führt zu einer anspruchsvollen topographischen Situation im Freiraum. Das manifestiert sich in einer grossen Zahl von Treppen, Rampen und Mauern, um dem dicht bebauten Hanggrundstück barrierefreie Wege und ebene Nutz-und Begegnungsräume abzuringen. So ergibt sich eher eine gebaute, gestufte als die wünschenswerte fliessende und minimal versiegelte Siedlungslandschaft. Dies wirkt sich auch auf die Kosten und die Nachhaltigkeit aus. Nachzuweisen wäre dabei, ob überall die maximalen Gefälle eingehalten werden. Der Strassenraum und die Gebäudevorzonen am Bergacker werden von Veloabstellpätzen und Parkplätzen gegliedert, was den Verkehr beruhigt, jedoch die Qualität der Gebäudevorzonen beeinträchtigt. Der Wendeplatz wird mit zahlreichen Bäumen umpflanzt, bleibt aber ein reiner Verkehrsraum ohne Mehrwert für die Siedlung. Wegverbindungen durch die Höfe verbinden den Bergacker mit der Lerchenhalde. Inwieweit sie angesichts der eher privaten Ausstrahlung der Höfe als öffentliche Wege genutzt werden, ist fraglich. Abgeleitet von der Gartenstadtidee schlägt der Entwurf im Siedlungsinnern ein System aus Gartenhöfen vor: Die gemeinschaftliche Mitte wird von privaten Gärten gerahmt. Der eher schmale Mittelstreifen wird mit verschiedensten Nutzungsangeboten belegt, was viel Raum für die Gemeinschaft verspricht, aber dem Garten auch eine etwas durchorganisierte Ausstrahlung verleiht.

Wohnungstypologie / Wohnqualität
Im Gegensatz zum etwas anonym wirkenden Strassenraum mit den nicht privat genutzten Vorgärten soll der Hofraum der Ort der Gemeinschaft und des Austausches werden. Erschlossen von der Strasse über tunnelartige Verbindungsräume befinden sich hier neben den gemeinschaftlich genutzten Bereichen auch die von Hecken eingefassten privaten Gartenabteile. Folgerichtig werden die offenen Treppenanlagen, die sich als expressive, die langen Zeilen rhythmisierenden Türme zeigen, auf die Hofseite gesetzt. Das offene Treppenhaus ist als doppelläufige Viertelspindel konzipiert. Die feuerpolizeiliche Tauglichkeit dieser etwas kapriziös wirkenden Treppenanlage müsste noch nachgewiesen werden und betriebsseitig werden die offenen, der Witterung ausgesetzten Treppen kritisch beurteilt. Sämtliche Wohnungen werden über Laubengänge erschlossen, wobei kleine Zwischentreppen ein feines Anpassen der Zeilen an die Topografie erlauben. Dank den relativ vielen Vertikalerschliessungen können die Laubengänge kurzgehalten werden. Mögliche Störungen durch fremde Personen, welche sich vor den Essküchen bewegen, werden dadurch eingeschränkt. Dass sich auch Individualzimmer direkt auf den Laubengang hin orientieren, schränkt deren Nutzbarkeit als privates Schlafzimmer ein. Die Kleinwohnungen, die sich direkt bei den Treppen befinden, verfügen teilweise über eindeutig zu wenig Tageslicht. Die konzeptionell beabsichtigte Belebtheit und Gemeinschaftlichkeit der Laubengänge kollidiert hier mit der notwendigen Privatheit und Rückzugsmöglichkeit der Wohnungen. Das Grundkonzept der Grundrisse der Wohnungen ist sehr sorgfältig und geschickt entwickelt. In die durch den Holzbau bedingte, regelmässige Stützen-/Unterzugstruktur wird gekonnt eine räumlich interessante Wohnung gelegt. Auf derselben Grundfläche ist sowohl eine grosszügige 3 ½-Zimmer-Wohnung als auch eine kompakte 4 ½-Zimmer-Wohnung möglich, was der geforderten Vielfalt der Bewohnerschaft klar entgegenkommt. Die gut proportionierten und bemessenen Räume schaffen eine hohe funktionale und atmosphärische Qualität. Die Grundtypologie der Wohnung wird im Erdgeschoss als Maisonette ins untere Geschoss erweitert. Im obersten Geschoss entstehen durch den Dachrücksprung zwar kleinere, aber durch die Überhöhe attraktive Attikawohnungen.

Architektonischer Ausdruck
Die äussere Erscheinung der Gebäude folgt in ihrem Aufbau konsequent und überzeigend dem Grundkonzept der zirkulären Bauweise. Die Gebäudehülle, konstruiert aus leichten und robusten Materialien, bricht mit ihrer differenzierten und relativ kleinteiligen Materialisierung subtil die Dominanz der langen Baukörper im Gelände. Die horizontale, lasierte Stülpschalung der Hülle verstärkt diesen Effekt. Die Dacheindeckung, bestehend aus grossformatigen Faserzementplatten, knüpft in ihrer tektonisch geschichteten Anordnung an die Ästhetik der Stülpschalung an den Fassaden an. Dies verleiht der gesamten Siedlung einen grosszügigen und kohärenten Gesamteindruck.

Nachhaltigkeit / Konstruktion
Das Projekt weist aufgrund seiner guten Kompaktheit und einfachen Bauweise eine hohe Ressourceneffizienz auf und kann den Zielwert der Treibhausgasemissionen annähernd erreichen. Die Konstruktion ist als modulare Bauweise mit wenigen sich wiederholenden Teilen ausgelegt. So können die Bauten in Zukunft nach Methoden der Kreislaufwirtschaft unterhalten und rückgebaut werden. Die an sich sinnvolle Deckenkonstruktion scheint noch nicht zu Ende gedacht, da Spannrichtungen und Tragfeldgrösse unterschiedlich dargestellt sind. Die Laubengänge als Elemente, die einen wesentlichen Beitrag zur Vereinfachung der Bauweise und somit zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen sollten, erweisen sich in der vorhandenen Topografie eher als hinderlich für die Umsetzung einer nachhaltigen Lösung mit geringen Treibhausgasemissionen. Die regulativen Anforderungen an das Projekt (Energiegesetz, SNBS) sind grundsätzlich eingehalten.

Wirtschaftlichkeit
Das Projekt hat im Vergleich das kleinste Gebäudevolumen und die kleinste Geschossfläche. Grund dafür ist die Laubengangerschliessung, welche bei der Aussengeschossfläche eingerechnet ist. Der Kennwert Erstellungskosten pro m2 Geschossfläche ist im höheren Bereich. Die Hauptnutzfläche ist im Vergleich gross, der Kennwert Erstellungskosten pro m2 Hauptnutzfläche daher eher tief. Die Gesamtkosten liegen im tieferen Bereich.

Fazit
Insgesamt handelt es sich beim Projekt MYRIAPODA um einen Vorschlag, der durch konsequente Reduktion der Bauelemente, Einsatz von kostengünstigen und robusten Materialien sowie einer stringenten Tragstruktur zeitgemässen Wohnungsbau mit bezahlbaren Wohnungen entstehen lässt. Schade, dass die Schwächen im Grundriss im Zusammenhang mit der Laubengangerschliessung die Wohnqualität von Wohnungen beeinträchtigt und es deshalb als Gesamtprojekt architektonisch sowie ebenfalls in der Freiraumgestaltung nicht vollumfänglich zu überzeugen vermag.