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Einladungswettbewerb | 11/2023

Entwicklung Bubenberg- und von May-Strasse in Thun (CH)

3. Rang

Preisgeld: 25.000 CHF

DĂ€llenbach Ewald Architekten AG

Architektur

w+s Landschaftsarchitekten AG

Landschaftsarchitektur

IndermĂŒhle Bauingenieure

Tragwerksplanung

Atelier Brunecky

Visualisierung

Brunner modellbau

Modellbau

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit ANDANTINO ist die etwas bewegte und akzentuierte Form des langsamen und ruhigen ANDANTES gemeint. Mit einer ĂŒbergeordneten Geometrie, jedoch unterschiedlicher Volumetrie vermitteln vier EinzelgebĂ€ude als Streichquartett in ihrer stĂ€dtebaulichen Setzung ebendiese Haltung: Unaufgeregt, aber differenziert. Mit der Absicht, eine neue, eigenstĂ€ndige und identitĂ€tsstiftende Siedlung zu etablieren, besetzen die vier GebĂ€ude die RĂ€nder des Areals und spielen FlĂ€che fĂŒr einen sozialrĂ€umlich verbindenden Innenhof frei, dessen Hauptzugang im Osten an der von May-Strasse liegt. Sosehr die Setzung der GebĂ€ude am Rand nachvollziehbar ist, so unschlĂŒssig erscheinen die LĂ€ngen, beziehungsweise die AbstĂ€nde der Stirnseiten zu den RĂ€ndern. Weder reizen sie die mögliche LĂ€nge aus noch stehen sie bewusst zurĂŒck zugunsten einer aussenrĂ€umlichen Zonierung. Auch stellt sich die Frage, inwiefern der offensichtliche Bezug zur ortstypischen Volumenstaffelung nicht im Widerspruch steht, zum beabsichtigen Bild einer eigenstĂ€ndigen Siedlung. Die vertikalen Vor- und RĂŒcksprĂŒnge schaffen eine angenehme MassstĂ€blichkeit der FassadenlĂ€ngen, lassen jedoch eine angemessene Reaktion im Grundriss vermissen. Auch die vertikale Staffelung von 5 bzw. 6 Geschossen bringt eine angenehme Einordung und ermöglicht eine weitere Akzentuierung. Es erstaunt jedoch, dass das GebĂ€ude an der Kreuzung «nur» 5 Geschosse zĂ€hlt. Die Gestaltung der Fassade ist ansprechend, insbesondere im Innenhofbereich. Die Stirnseiten, deren Gesicht nach aussen zeigt, wirken wenig einladend. Die Anbindung an das bestehende Wegnetz erfolgt an drei Seiten in gleicher Manier und lĂ€sst eine Hierarchisierung, bzw. eine grosszĂŒgigere Geste an der von May-Strasse vermissen. Die Erschliessung der GebĂ€ude erfolgt ĂŒber den Innenhof und klĂ€rt die Adressierung zum einen und schafft die Voraussetzung fĂŒr einen belebten und gemeinschaftsbildenden Innenhof zum anderen. Das GebĂ€ude entlang der Bubenbergstrasse ĂŒbernimmt die öffentlichste Rolle mit den erdgeschossigen Gemeinschafts-und GewerbeflĂ€chen zur Kreuzung hin. Eine entsprechende öffentlich anmutende Freiraumgestaltung wĂ€re wĂŒnschenswert. Die Tiefgaragenerschliessung am sĂŒdöstlichen Rand ist strategisch gut gewĂ€hlt und ins GebĂ€ude integriert. Auch die Entflechtung der Velorampe, die in der Achse einer viel genutzten Velo-Route liegt, ist ĂŒberzeugend.

Ein zentraler Hof, welcher allseitig an das bestehende Wegenetz angebunden ist, bildet das HerzstĂŒck der Komposition. Der Hofraum dient einerseits als Erschliessungsraum, andererseits ist er ein grosszĂŒgiger Spiel- und Aufenthaltsraum. Der zentral angeordnete Spielbereich ist in drei differenziert ausgestattete SpielrĂ€ume zoniert, die mit einem locker gestreuten Baumvolumen beschattet sind. Die nach SĂŒden und Westen ausgerichteten FreirĂ€ume können durch die Bewohnenden der ErdgeschossflĂ€chen privat angeeignet werden. Ein Filter aus verschiedenen Gehölzen schafft einen qualitĂ€tsvollen rĂ€umlichen Abschluss zu den Nachbarsparzellen. Die Eintritte in den Hof ausgehend von der Bubenbergstrasse und der von May-Strasse wirken etwas unvermittelt und wenig adressierend. Das im Erdgeschoss platzierte CafĂ© an der Strassenkreuzung erhĂ€lt durch den knapp bemessenen vorgelagerten Freiraum wenig Öffentlichkeit und PrĂ€senz zum öffentlichen Strassenraum.

Die GebĂ€ude werden mit zwei Grundrisstypologien und mehrheitlich durchgesteckten Wohnungen bespielt: einer klassischen 2/3-SpĂ€nner-Typologie und einer Laubengangtypologie. Erstere sieht grösstenteils Familienwohnungen mit 4 bis 5 Zimmern und nur vereinzelt zum Innenhof ausgerichteten Kleinwohnungen vor. Die Zimmer flankieren jeweils den grosszĂŒgigen Wohn-Essbereich. Eine grosszĂŒgige Balkon-Loggia erweitert den Wohnraum. Die Grundrisse sind effizient, gut durchdacht und attraktiv. Die Laubengangtypologie hingegen sieht ein Treppenhaus im Bereich des volumetrischen Versatzes vor, liegt also mittig und erschliesst in beide Richtungen entlang der Innenhoffassade je 3 Wohnungen. Der problematischen Einsicht in die benachbarten Wohnungen wird nicht ĂŒberzeugend Rechnung getragen. Auch der gemeinsame Vorbereich zweier Wohnungen wird als kritisch beurteilt, insbesondere hinsichtlich des Brandschutzes. Bei diesen Wohnungen wird das ‚zueinander verschieben-Prinzip‘ angewandt, bei dem der Ess- bzw. der Wohnbereiche zusammen mit einem Zimmer und einem Kern eine Einheit bildet. Diese Anordnung schafft unterschiedliche Belichtungssituationen und flexible Zonierungen Die geforderte Raumhöhe von 2.45 Meter kann mit einer Geschosshöhe von 2.80 Meter und einem Deckenaufbau von 40 Zentimeter nicht eingehalten werden.

Das Projekt zeigt gute LösungsansĂ€tze aus verkehrlicher Sicht. Der Fussverkehr ist durch eine gute Entflechtung (ausgenommen Anlieferungsbereich) und feinmaschige Durchwegung gekennzeichnet. Der Veloverkehr ist sowohl ab der von May-Strasse als auch der Bubenbergstrasse angebunden. Die VeloabstellplĂ€tze sind gut verteilt und entsprechen bezĂŒglich QualitĂ€tsanforderungen grossmehrheitlich den Vorgaben. Insbesondere die Anzahl an VeloabstellplĂ€tze fĂŒr Spezialvelos ĂŒberzeugen wie auch die zwei Velorampen, welche einen sicheren Zugang zu den VeloabstellplĂ€tzen im UG schaffen. Die geforderte Anzahl an ParkplĂ€tzen wird nachgewiesen und auch die FunktionalitĂ€t der Tiefgarage sowie die oberirdische Anordnung erfĂŒllen die Vorgaben. Der Bereich der Anlieferung wird mit den BesucherparkplĂ€tzen / Fussweg ĂŒberlagert, dies kann zu Konflikten fĂŒhren.

Das Projekt verfĂŒgt im Quervergleich ĂŒber ĂŒberdurchschnittliche Erstellungskosten aufgrund einer ĂŒberdurchschnittlich grossen GeschossflĂ€che, GebĂ€udehĂŒllflĂ€che und einem grossen Volumen. Dem gegenĂŒber steht die gute Effizienz (HNF/ GFo) und die daraus resultierende ĂŒberdurchschnittliche HauptnutzflĂ€che), welche zum Teil durch eine aussenliegende Erschliessung erreicht wird. Ebenfalls ĂŒberdurchschnittlich ist die Anzahl Wohnungen und ParkplĂ€tze.

Die vier Baukörper weisen eine klar gerasterte Grundstruktur auf und bauen auf prinzipiell einfachen Tragwerken auf, was eine direkte und gradlinige Lastabtragung erlaubt, und eine hohe Standardisierung ermöglicht. Massivholzdecken aus Fichte erlauben, die erforderliche Scheibenwirkung zu erzielen, da die LĂ€ngsaussteifung zentrisch angeordnet ist, die AussenwĂ€nde sind nicht tragend. Die vertikale Lastabtragung erfolgt ĂŒber QuerwĂ€nde. Die AussenwĂ€nde, Loggien und LaubengĂ€nge sind selbsttragend. Die konstruktive Lösung im Bereich Balkon und Laubengang ist etwas unklar, wahrscheinlich jedoch vom Haupttragsystem getrennt. Der Holzschutz der Konstruktion bei den LaubengĂ€ngen muss verbessert werden, StĂŒtzen und Stirnholz der Balkenlage sind direkt bewittert. BezĂŒglich des Brandschutzes sind wohl ErtĂŒchtigungen erforderlich. Deckenaufbauten, Materialisierung und Schichtfolgen sind insbesondere fĂŒr die Fluchtwege zu kontrollieren, damit die Brandschutzanforderungen erreicht werden.

Das Projekt hat ein grosses unterirdisches Volumen. Die Ökobilanz ist deshalb nur durchschnittlich – trotz ökologisch ausgelegter Konstruktionen. Das Projekt schafft es, trotzt des grossen Untergeschosses den Innenhof weitgehend von Unterbauungen freizuhalten. Eine SNBS-Zertifizierung auf Stufe Gold ist grundsĂ€tzlich realistisch.

ANDANTINO zeigt seine QualitÀten in einem einfachen und pragmatischen Ansatz, unterliegt jedoch etwas dem Dilemma von freirÀumlicherstÀdtebaulicher EigenstÀndigkeit und lokaler Verankerung.