Die Resonanz war überwältigend. Der Düsseldorfer Architekt Mark Surges von RKW Architektur+ postete im Sommer ein Foto von mehreren Aktenordnern und heimste damit innerhalb kürzester Zeit 10.000 Klicks ein. Denn dahinter steht der Schmerz der ganzen Branche: Der Post zeigte einen Bauantrag im Jahr 2021. "Niemand konnte ernsthaft glauben, dass solche Arbeiten im Zeitalter der Digitalisierung noch stattfinden, geschweige denn notwendig sind", sagt Surges zu competitionline. "Unzufriedenheit ist da natürlich vorprogrammiert."

Unter dem Post entbrannte schnell eine hitzige Diskussion. "Außerhalb unseres Berufsstandes ist wirklich jeder davon ausgegangen, dass ein Bauantrag schon längst digitalisiert wäre", fasst er die Mehrheit der Reaktionen zusammen. "Dieses Bild von massenhaft Papier, das sortiert, gestempelt und unterschrieben werden muss, hat für immense Verwunderung gesorgt." Je nach Bauprojekt müssen zwischen 5000 und 10.000 Seiten Antrag eingereicht werden.

Surges' Chef, RKW-Partner Matthias Pfeifer, erklärt: "Die Antragssteller*innen (die Entwurfsverfasser*innen) erstellen die Pläne am Computer, drucken sie aus, und die Ämter scannen diesen Stapel erst einmal ein, um die Pläne am Computer zu sichten. Das ist die Quadratur des Irrsinns." Pfeifer kämpft gegen diesen Irrsinn – er leitet die Arbeitsgruppe "Digitaler Bauantrag" der Bundesarchitektenkammer.

Die rechtliche Ebene

Mit dem digitalen Bauantrag soll sich alles ändern, hatte sich die Politik vor mehreren Jahren ins Pflichtenheft geschrieben: Denn laut dem Onlinezugangsgesetz sollen Bauanträge ab 2022 digital eingereicht werden können (siehe Kasten). Primär zielt das Instrument aber nicht auf die Entlastung der Architekt*innen, "es geht in erster Linie um die Genehmigungsbehörde", so Pfeifer.

Damit dabei die Architekt*innen, die ja häufig als Beauftragte für die Bauherr*innen die Anträge einreichen, nicht aus dem Blick verloren gehen, gestaltet Pfeifers Arbeitsgruppe die Verfahren mit. Mit der Architektenkammer Hessen zusammen haben Pfeifer und sein Team beispielsweise die Datenbank di.BAStAi entwickelt, die an die Plattform des digitalen Bauantrags angeschlossen wird und in der jedes Amt prüfen kann, ob der Einreichende überhaupt Architekt ist. "Damit entfällt die Erklärung am Ende des Bauantrags."

Onlinezugangsgesetz

Der Gesetzgeber hat 2017 im Onlinezugangsgesetz (OZG) festgeschrieben, dass Bauanträge ab 2022 online einzureichen sind. "Der digitale Bauantrag fällt in das Bauordnungsrecht und ist somit Ländersache, da kann der Bund keine Vorgaben machen", erläutert Rechtsanwalt Rolf Kemper von der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein. Er hoffe dennoch, dass sich alle Länder auf einen gemeinsamen Weg einigen, sodass in allen dasselbe System implementiert wird. "Wenn aber alle oder auch nur einige der 16 ihr eigenes Süppchen kochen, geht das auf Kosten der eigentlich erreichbaren Entlastung für alle Beteiligten."

Die gesetzliche Vorgabe sei aber nur die eine Seite der Medaille. Mindestens genauso wichtig sei es, alle Beteiligten mit den notwendigen digitalen Ressourcen auszustatten. "Ich denke nicht, dass es die Architekturbüros vor größere Herausforderungen stellt, die Anträge nicht mehr drucken zu müssen. Im Gegenteil, dort werden die Technik und die Organisation entlastet." Aber gerade wenn es um die Verarbeitung und Prüfung sehr großer Datenmengen gehe, "sehe ich noch viel Aufholbedarf bei den Behörden".

Doch di.BAStAi ist nur ein Detail. Erst einmal geht es darum, im kommenden Jahr den digitalen Bauantrag bundesweit einzuführen, ohne dabei einen neuen bundesweiten Flickenteppich zu schaffen. "Beim Bauantrag kann der Bund den Ländern und Kommunen nicht einfach reinregieren", sagt Pfeifer. "Aber es kann ja auch niemandem zugemutet werden, dass allein die über 400 Kommunen in NRW alle eigene Portale haben." Pfeifer hofft auf eine bundesweit einheitliche Lösung.

RKW-Partner Pfeifer: Es geht darum, Papierberge zu vermeiden.

RKW-Partner Pfeifer: Es geht darum, Papierberge zu vermeiden.

Der Befürchtung eines Flickenteppichs tritt Yvonne Rowoldt entschieden entgegen. Sie koordiniert das E-Government im Landkreis Nordwest-Mecklenburg – jener Region, die seit Jahresbeginn den digitalen Bauantrag testet. "Es gibt Bundesländer, die Interesse an unserer Komplettlösung angemeldet haben, und dann gibt es wiederum Bundesländer wie NRW, die schon jetzt ein eigenes Bauportal haben und dort unsere Technik im Backend implementieren wollen", skizziert Rowoldt den aktuellen Stand. Die Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Lösung sei ein Stück weit auch eine Organisationsfrage. "Die Länder müssen das ja im nächsten Jahr anbieten, also greifen sie auf das bereits erprobte System zurück."

Was wie eingereicht wird

Und so funktioniert das System: "Der Entwurfsverfassende lädt auf unserer Webseite all die Sachen als PDF hoch, die bislang in Papierform eingereicht werden mussten – wie den Antrag selbst, die Baubeschreibung, die Bauzeichnung, die Erklärung des Statikers etc." Begleitende Informationen würden ergänzend aus dem Nutzerkonto der Architekt*innen oder Bauherr*innen übernommen, sodass nur noch wenige Daten zum Baugrundstück per Hand eingetragen werden müssen. "Das Ganze soll ja keine Tippübung sein."

Koordinatorin Rowoldt: Das Ganze soll ja keine Tippübung sein.

Koordinatorin Rowoldt: Das Ganze soll ja keine Tippübung sein.

Sobald die Dokumente hochgeladen sind, generiert das System einen Beleg dafür, was wann eingereicht wurde. "Wird im Nachhinein etwas an den Dokumenten des Antrags geändert, wird das ebenfalls vermerkt", so Rowoldt. Begleitend wird per E-Mail auf Änderungen im Antragsverfahren hingewiesen. "Dort kann der*die Sachbearbeiter*in dann auch eine Nachricht hinterlassen, wenn noch Unterlagen fehlen."

Ein Punkt, der Katrin Patynowski überzeugt. "Wenn ein Dokument fehlt, muss nicht erst ein Brief von der Behörde zum Büro geschickt werden, sondern es gibt eine schnelle Online-Nachricht", hebt die Geschäftsführerin der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern hervor. "Gleichzeitig können die Dokumente auch allen beteiligten Behörden und Trägern öffentlicher Belange freigegeben werden – eine enorme Zeitersparnis. Ich denke, dass diese Lösung auch die Bearbeitungszeit der Anträge verringert."

Kammerchefin Patynowski: Die Bearbeitungszeit der Bauanträge verringert sich.

Kammerchefin Patynowski: Die Bearbeitungszeit der Bauanträge verringert sich.

"Längst überfällig" und "folgerichtig" nennt sie den digitalen Bauantrag. "Immerhin werden auch die Architekturbüros immer digitaler.” Gerade bei Personalmangel und hoher Arbeitsbelastung passieren zudem Fehler, so Patynowski weiter. Der Computer jedoch lasse ein falsch gesetztes Kreuz nicht zu.

Bauantrag an BIM anschließen

Dennoch gibt es beim digitalen Bauantrag auch nach 2022 noch genug Stellschrauben, an denen gedreht werden muss. "Was es in Zukunft noch braucht, sind zwei Dinge", konstatiert Koordinatorin Rowoldt:

  1. Zum einen seien die Nutzerkonten bislang auf einzelne Personen beschränkt. "Hier müssen auch ganze Büros Konten erstellen können, und die müssen dann auch bundesländerübergreifend gelten."

  2. Zum anderen müsse in den kommenden Jahren BIM implementiert werden. "Denn eine PDF bei uns hochladen ist ja schön und gut und natürlich schon eine deutliche Verbesserung gegenüber der bisherigen analogen Papierwelt. Aber Planer*innen sind längst digitaler unterwegs."

Pfeifer sieht weiteren Anpassungsbedarf. "Probleme macht bislang noch das Thema der hinreichenden Dokumentation." Architekt*innen bräuchten einen lückenlosen Nachweis darüber, "was wir im Verlauf des Verfahrens getan haben. Andernfalls kann es uns später auf die Füße fallen. Heute wird der Eingang des Antrags vom Amt gegengezeichnet, aber wenn ich als Architekt irgendwo online was hochlade, steht da ja nicht der Beamte mit dem Stempel neben meinem Computer." Er fordert ein digitales Dokument, aus dem hervorgeht, was wann eingereicht worden ist.

Diesen Punkt sieht auch Baurechtler Kemper als essenziell an. "Die Einreichenden brauchen eine Eingangsbestätigung, dass und zu welchem Zeitpunkt sie den Antrag formal ordnungsgemäß gestellt haben. Das ist für Haftungsfragen unabdingbar." Dies könne über eine digitale Signatur geregelt werden, wie sie bei anderen Online-Angeboten von Behörden bereits im Einsatz ist, schlägt Kemper vor. "Diesen Aspekt darf man nicht vergessen, weil er für Architekt*innen existenziell sein kann."

Architekt Surges: Keinen Ärger mehr mit den Kollegen.

Architekt Surges: Keinen Ärger mehr mit den Kollegen.

Bei allen Stellschrauben, an denen in Zukunft noch gedreht werden muss: Der Umbruch werde eine deutliche Vereinfachung bringen, ist sich Architekt Surges sicher. "Ich bin überzeugt davon, dass sich der bürokratische Aufwand durch einen digitalen Bauantrag minimiert." Und er freut sich: "Endlich gibt es absehbar keinen Ärger mehr mit den Kollegen am Drucker, wenn wir einen Antrag fertig machen. Dann muss nur noch das Internet stabil bleiben."

Der Artikel erschien erstmals am 12. November 2021 auf competitionline.com.