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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2018

Neubau und Sanierung Schulzentrum Nord in Bochum

2. Preis

Preisgeld: 38.000 EUR

büsing van wickeren architekten

Architektur

heinzimages architektur I visualisierung

Visualisierung

PKi holistic engineering

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Schulzentrum Nord in Bochum Gehrte, Neubau und Sanierung

Leitidee 
Die Bildung der Kinder ist eine der zentralen Aufgaben unserer Gesellschaft. Architektur kann in diesem Kontext einen Beitrag leisten. Sie kann sichtbar machen, Gewicht verleihen, Platz einräumen. Der Gebäudebestand des Schulzentrums wird dieser Aufgabe nicht ausreichend gerecht - versteckt hinter einer Dornröschenwand hält die Institution Abstand zum Stadtgeschehen. Wir halten es für sinnvoll, die Situation grundlegend neu zu ordnen, die Schule aus der Tiefe des Grundstücks zu holen und schlagen einen Komplettneubau vor.
Eine Perlenschnur öffentlicher Gebäude
Das städtebaulich wertvollste Bestandsmotiv des Planungsgebietes ist aus unserer Sicht die Perlenschnur öffentlicher Gebäude an der Heinrichstraße. Eingebettet in eine maßstäblich kleinere Wohnbebauung, und als Ausdruck Ihrer gesellschaftlichen Bedeutung mit Vorplatz versehen, geben sie dem Quartier Struktur und Charakter. An dieses Motiv knüpfen wir mit neuen Stadtbausteinen an. 
Diese Bausteine sind entlang der Straße so gesetzt, dass sie einerseits den Straßenraum der Heinrichstraße zum Castroper Hellweg öffnen und als Auftakt der Schnur an der Hauptverkehrsachse ein Tor zum Quartier formulieren. An der Quartierskante sind es Ihrer Signalfunktion entsprechend große, von Weitem sichtbare Volumina. Weiter im Quartier nähert sich der Maßstab der Umgebung zunehmend an.
Ein Eingang, zwei Schulhöfe 
Das aus dem Bestand zitierte Motiv des Vorplatzes formuliert zur Straße hin die Haupteingangsgeste für das Schulzentrum. Die Vor- und Rücksprünge antworten dem Rhythmus der gegenüberliegenden Gebäude und der ortsbildprägenden Straßenbäume. Auf der der Straße abgewandten Seite erzeugt die Stellung der Baukörper zwei voneinander getrennte Höfe.
Fünf Häuser 
Das Raumprogramm des Schulzentrums ist umfangreich. Eine klare und für den Besucher sichtbare Trennung der Funktionen soll Orientierung geben. Als Konsequenz sind den oben beschriebenen Stadtbausteinen verschiedene Nutzungen zugewiesen,
So gibt es ein Haus für die Gemeinschaft, eins für die Wissenschaft, eines zum Werken und je ein Klassenhaus für beide Schulen. Architektonisch differenziert wird mittels Kubatur, Höhenentwicklung und Material. Als Zugabe steht an der Straßenecke von Heinrich-und Schwerinstraße - dem Quartiersinneren zugewandt - das sechste Haus: die Stadtteilbibliothek.
Eine Stadt in der Stadt
Die innere Organisation des Schulzentrums erfolgt anhand eines parallel zur Heinrichstraße verlaufenden, inneren Hauptweges. Entlang dieser Lernstraße entwickeln sich Gassen, Plätze, Höfe, Brücken, Terrassen, Gärten und Grünflächen. Es entwickelt sich wegbegleitend eine Bandbreite architektonischer Sinneseindrücke: der Wechsel von hell und dunkel, Enge und Weite, Rechts und Links, innen und außen. Differenzierte Freiräume, der Rhythmus von Lufträumen, Treppen und Lichthöfen. Als Folge entstehen Räume für die pädagogische Arbeit zwischen Spannung und Entspannung, Konzentration und Kommunikation, Nähe und Distanz.
Das Konzept der diametral angeordneten Klassenraumhäuser als private, exklusive Angelegenheit der jeweiligen Schule wirkt identitätsstiftend und sorgt für einen weitgehend störungsarmen, unabhängigen Tagesbetrieb. Die überlappende Belegung durch sechs flexibel nutzbare kann zu gleichen Teilen am Übergang der Klassenhäuser von HvK und AFR angeordnet werden.
Betreten wird der Hauptweg über das Gemeinschaftshaus. Das zentrale Element und Herzstück dieses Hauses ist das alle Geschosse verbindende Forum. Hier sind die die identitätsstiftenden Gemeinschaftsfunktionen wie Mensa, IST/ZDI und über die Haupttreppe des Hauses zentral erreichbar auch die Lehrerbereiche angeordnet. Flankierend befinden sich im Erdgeschoss die separat erschließbaren Ganztagesbereiche beider Schulen und beidseitig über die Geschosse alle Fachklassen. Durch die Erschließung in der geometrischen Mitte ergeben sich vergleichsweise kurze Wege. Die Bündelung der Baumassen an der Heinrichstraße eröffnet die Option, die Schulhofflächen auf das erforderliche Maß zu begrenzen und im Süden eine große, zusammenhängende Vermarktungsfläche darzustellen. Die Ensemblebildung mit der Stadtteilbibliothek bereichert das pädagogische Angebot. Die dreigeschossige Bibliothek ist vom Publikumsverkehr über die Straßenecke, für die Schüler den gemeinsamen Lesehof erreichbar und kann bei Bedarf mit einem Glasgang direkt an das interne Wegenetz der Schule angebunden werden.
Analog statt digital 
Das Material Ziegel ist in der örtlichen, identitätsstiftenden Bautradition verankert und kann darüber hinaus durch seine große körperliche Präsenz, Festigkeit und Stofflichkeit einen wohltuenden Ruhe- und Gegenpol in einer immer digitaler, schneller und flüchtiger werdenden Umwelt darstellen.
Umbau im laufenden Betrieb
Um einen möglichst störungsarmen Betrieb zu gewährleisten wurde bei der Bauabschnitts-bildung besonderer Wert auf eine möglichst große räumliche Distanz zwischen Baugeschehen und Schulbetrieb gelegt.
Kostenreduzierende Maßnahmen
Wiederkehrende Maßeinheiten machen einen hoher Grad an Vorproduktion von Fertigteilen in der Tragstruktur möglich. Klinkerfertigteilelemente im Fassadenbau (Vorproduktion) Und wiederkehrende Fenstergrößen in hoher Anzahl sorgen für eine schnelle, einfache Produktion und zügige Bauzeiten.
Wegen der Energieversorgung durch Fernwärmenutzung (Entfall aufwändiger Heizanlagen =geringes Investitionsvolumen) und das sehr günstige A/V-Verhältnis ergibt sich eine wirtschaftliche Wärmeversorgung aller Gebäude. Ein hocheffizientes Energiekonzept, mit permanent kontrollierter Be- und Entlüftung, erzeugt gering dimensionierte einzelne Lüftungsanlagen je Gebäudekörper.
Energiekonzept
Gemäß den Anforderungen der Ausloberin wird für den Neubau des Schulzentrums Nord in Bochum-Gerthe ein ganzheitliches und nachhaltiges Energiekonzept vorgeschlagen.
Das Gebäude wird mit dem Ziel, die verschärften Anforderungen der EnEV 2016 einzuhalten, mit einem sehr guten Wärmeschutz in Anlehnung an den Passivhausstandard ausgeführt. Hierzu zählen neben hochwärmegedämmten opaken Bauteilen eine Dreifach-Wärmeschutzverglasung, eine sehr luftdichte Gebäudehülle sowie eine wärmebrückenminimierte Konstruktion. Zur Reduktion der solaren Erträge im Sommer kommt vor den Fenstern ein außenliegender, beweglicher Sonnenschutz mit Tageslichtlenkung zum Einsatz. Auf diese Weise werden die Räume auch bei heruntergelassenem Sonnenschutz mit Tageslicht versorgt. Eine passive Kühlung der thermischen Speichermasse erfolgt durch eine natürliche Nachtlüftung. In den Klassenräumen wird die thermische Speichermasse durch die freiliegenden massiven Geschossdecken genutzt und somit eine hohe Wirksamkeit der Nachtlüftung erreicht.
Zur Minimierung der Lüftungswärmeverluste kommen je Gebäude zentrale Lüftungsanlagen mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung zum Einsatz. Die Lüftungszentralen sind dabei auf dem Dach angeordnet. Die Zuluftverteilung erfolgt in der Abhangdecke der Verkehrsflächen. Die verbrauchte Luft strömt aus den Aufenthaltsräumen in die Flurzonen über und wird punktuell abgesaugt. In Bereichen, in denen sich Gerüche ausbilden (Küche, Mensa, WCs) findet keine Überströmung statt, sondern die Abluft wird raum- bzw. bereichsweise abgesaugt. Für Küche und Mensa ist aufgrund der fett- und geruchsbelasteten Abluft ein separates Lüftungsgerät vorgesehen.
Die Wärmeversorgung des Gebäudes erfolgt über den vorhandenen Fernwärmeanschluss. Dieser kann in der Neubauphase sowohl die neu errichteten Gebäudeteile, als auch die noch nicht abgerissenen Bestandsgebäudeteile versorgen. Nach Abschluss der Neubaumaßnahme kann dann die Anschlussleistung gem. den Anforderungen des Neubaus gedrosselt werden. Da sich in dem Schulzentrum Bochum-Gerthe technisch-orientierte Schulen befinden, wird optional die Einbindung von weiteren, kleineren Wärmeversorgern, wie z. B. einer Geothermie-Wärmepumpe oder einem Mini-BHKW vorgeschlagen, welche gut zugänglich und sichtbar in die Gebäudearchitektur integriert werden. So können in Zeiten des Klimawandels zur Sensibilisierung der Schüler regenerative Energietechniken in den Technikunterricht eingebunden werden.
Als weiterer energiesparender Wärmeerzeuger ist für die Warmwasserbereitung in der Küche der Einsatz einer Solaranlage vorgesehen. Auch hier ist eine gute Zugänglichkeit von Kollektoren und Technik zu Unterrichtszwecken möglich. Die Wärmeübergabe erfolgt mittels Heizkörpern mit Thermostatventilen, welche fassadennah im Brüstungsbereich oder an den Trennwänden angeordnet werden. Um eine großzügigere Verglasung sowie eine homogenere und effizientere Verteilung der Wärme in Aula und Mensa zu realisieren, erfolgt die Wärmeübergabe hier über Deckenstrahlplatten, welche eine flinke Regelung ermöglichen.
Eine Reduktion des Gebäudestrombedarfs erfolgt durch den Einsatz energieeffizienter LED-Beleuchtung und einer tageslicht- sowie präsenzabhängigen Kunstlichtsteuerung. Außerdem wird die Dachfläche mit Photovoltaikmodulen zur regenerativen Stromerzeugung belegt. Über die Zugänglichkeit von PV-Modulen sowie einer Visualisierung des Ertrages ist auch hier eine Einbindung in den Unterricht möglich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser setzen fünf Häuser in Form einer „Perlenschnur“, die sich vom Castroper Hellweg entlang der Heinrichstraße entwickelt. Mit den Vor- und Rücksprüngen der Gebäudeflucht entstehen so einerseits differenzierte Freiräume, die mit den notwendigen Nutzungen sinnvoll belegt sind und andererseits eine Baukörperkörnung, die die Maßstäblichkeit der Umgebung aufnimmt und diese angemessen interpretiert. In gleicher Weise entstehen im Süden zwei Schulhofbereiche, die sich einerseits den beiden Schulen klar zuordnen lassen und andererseits die Möglichkeit eröffnen, in der Tiefe des Grundstücks einen großen, auch dem Quartier zuträglichen, zusammenhängenden Freiraum zu erzeugen.
Der Vorschlag, Teilflächen des Grundstückes im Süden zur freien Vermarktung zur Verfügung zu stellen, wird anerkannt, ist allerdings im Detail zu prüfen.
Die Lage der Stadtbibliothek wird hinterfragt.
Der bezüglich städtebaulicher Lage und Verortung im Gebäude richtig platzierte Haupteingang führt über ein Foyer zunächst in das „Herz der Schule“, eine zweigeschossige, EG und 1. OG verbindende Aula. Dieses Foyer ist auch Teil einer alle Häuser verbindenden Magistrale, die an ihren Enden in die beiden Schulen führt. Mit dieser Gliederung schaffen die Verfasser einen sehr gelungenen sensiblen Übergang vom gemeinsamen öffentlichen Raum bis zu einer Intimität für das konzentrierte Arbeiten in den Klassentrakten.
In den Zwischenhäusern sind die jeweils gemeinsam genutzten Räume richtig und flexibel angeordnet. Sie werden über drei Geschosse mit den unterschiedlichen Fachbereichen belegt.
Die Magistrale bildet das Rückgrat einer differenzierten und räumlich spannenden Horizontalerschließung, die durch Fluraufweitungen und unterschiedlich proportionierten Innenhöfen im Wechselspiel vielfältige, lichtdurchflutete und kommunikative Bewegungsräume schafft. Es ist zu überprüfen, ob die Magistrale in Teilbereichen breiter werden müsste.
Das Verhältnis von Foyer, zentraler Treppe, Aula und Mensa bedarf in Größe und Zuordnung der Überprüfung. Positiv wird gesehen, dass sich der Speisebereich zum Süden öffnet.
Verwaltung, Schulbibliothek und Mediathek sind richtig und gut auffindbar im ersten und zweiten OG um die Aula herum angeordnet. Darüber hinaus sind die zusätzlichen Nutzungen, wie Aula, Ganztags- oder Musikbereich auch separat erschlossen.
Die Anlieferung zur Küche ist optimierbar.
Das Preisgericht empfiehlt, dass die Feinsinnigkeit und Ruhe des Städtebaus eine angemessene Übersetzung in der Fassadengestalt erfährt. Die Vielfalt der Fensterformate wird kritisch bewertet.
Im Sinne der Nachhaltigkeit und Zeitlosigkeit wird die Materialwahl „Ziegel“ durch das Preisgericht begrüßt.
Das Brandschutzkonzept erscheint insgesamt weitgehend realisierbar, bedarf jedoch insbesondere im zentralen Baukörper mit Aula einer Konkretisierung und ggf. eines zusätzlichen baulichen Rettungsweges.
Die Durchführung der Bauabschnitte sollte im weiteren Planungsablauf optimiert werden. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Kenndaten liegt der Vorschlag im Durchschnitt der übrigen Arbeiten.
Insgesamt stellt die Arbeit einen wertvollen Beitrag zur Lösung der Aufgabe dar, da sie zum einen den beiden Schulen eine jeweils eigene Ablesbarkeit und somit Identität gibt und zum anderen mit geschickten Raumabfolgen Gemeinschaft leben lässt, ohne den individuellen Schulalltag zu beeinträchtigen.