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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2019

CAMPUS+ Umbau und Modernisierung eines Seminar- und Tagungszentrums in Waldheim

Innenraumperspektive

Innenraumperspektive

1. Preis

Preisgeld: 28.000 EUR

BKS & Partner Architekten Bauer Reichert PartGmbB

Architektur

Erläuterungstext

AOK CAMPUS +
Die Architektur des Tagungs- und Schulungszentrums ist dem demokratischen Bauen zuzuordnen, das 1972 mit den Olympiabauten im München seinen Anfang nahm. Die Ideen des lebendigen Austausches fanden Ausdruck in Gebäuden, die sich zur Umgebung öffnen und sich an den Bedürfnissen des Nutzers orientieren. In aufgefächerten leicht konstruierten Gebäudevolumen, mit großflächigen Verglasungen und farbigen Elementen wurden bekannte Nutzungsprofile neu interpretiert. Zu Planungsbeginn des AOK-Tagungs- und Schulungsgebäudes wurde mit dem neuen Plenarsaal in Bonn gerade ein Meilenstein dieser Architekturauffassung fertiggestellt.

Mit der Wettbewerbsaufgabe finden Grundgedanken des demokratischen Bauens ihre Fortsetzung. Das neue Konzept der Innenraumgestaltung geht von den aktuellen Erkenntnissen zum Lernen aus. Lernen findet individuell sehr unterschiedlich statt und wechselnde Lernsituationen fördern Lernprozess und Kreativität.

Kann das AOK Bildungszentrum Waldheim zum AOK CAMPUS+ werden?
Passen neue und aktuelle Anforderungen in ein 22 Jahre altes Haus?
Ist seine sehr spezielle Struktur so flexibel? Ja, auf jeden Fall.

Hierzu gilt es zu verstehen, wie sich die Anforderungen verändert haben.
Das AOK Bildungszentrum wurde auf der Grundlage von definierten und abgeschlossenen Räumen entwickelt.
Das CAMPUS+ Konzept basiert auf offenem und zonierten Raum.
Definierte Strukturen verlieren an Bedeutung, Funktionszonen überlagern sich, Abläufe ergänzen sich und vor allem – der einzelne Nutzer bestimmt zunehmend selbst, was gebraucht wird. Dieser Prozess ist dynamisch und steht mit der aktuellen Umnutzung erst am Anfang. Weitere Schritte werden sicher folgen.

Die vorhandenen individuellen Nutzungsstrukturen und räumlichen Vorgaben ermöglichen den erforderlichen neuen Raum.
Das Haus ist groß genug – nur die Zuordnungen müssen angepasst werden.
Aus unserer Sicht ist diese Verwandlung ohne größere Eingriffe in die Bausubstanz möglich. Dies ist sowohl in wirtschaftlicher als auch in ökologischer Hinsicht positiv. Weiter wichtig sind sicherlich der Zeitaspekt und die Beeinträchtigungen im laufenden Betrieb.

Was bedeutet das für das CAMPUS+ Konzept? Was bedeutet das für die einzelnen Bauteile?
Wie können ungenutzte Flächen und Freiräume aktiviert werden?


EINGANGSPAVILLON
Der Pavillon bleibt als Zentrum in seiner markanten Form der Anker. Er erhält eine neue Aufteilung und neue Funktionszonen. Ungenutzte Flächen innen und außen werden aktiviert.

Aufteilung in 4 Funktionszonen:
1. Veranstaltungszone mit Mehrzweckraum, nutzbar von 100 bis 300 Personen, keine feste Möblierung, flexibel nutzbar von klassischer Möblierung bis Workshop. Ergänzungszonen Foyer und Terrasse.
2. Welcome-Zone als erster Orientierungspunkt beim Entree, „wo-ist-was“, schauen, sitzen, bleiben. Gleichzeitig Gastro Service Point bei Veranstaltungen, Buffet, Getränke. Ergänzungszone Terrasse und Aktivierung Wohngarten Haus B, Pausen im Freien
3. Info-Bereich: zweiteilig für Schulung/Seminar und Wohnen, für neue Gäste Erstinfo, für Hausgäste Tagesinfo, personell und digital (Screen), räumlich reduziert, Steuerzentrale.
4. Foyer als Verbinder der Zonen 1-3, Verkehrsweg, Orientierung, Blickachsen, Aufgenommen-Werden, Raumerlebnis.


SCHULUNGSBEREICH WIRD ZUM ENTWICKLUNGSZENTRUM
Der Schulungsbereich wird vom klassischen Konzept des Lernens in Klassenzimmern weiterentwickelt zu Lern- und Erlebnislandschaften für offene und flexible Konzepte. Die Teilung in Erschließung und Raumnutzung als zweibündiges System löst sich auf.

Der Klassische Schulungsraum des Frontal-Unterrichtes wird zur Unterrichtszone, die Größen orientieren sich am Nutzerbedarf.
Die Bibliothek wird abgelöst von einem großen Schulungsraum mit Dachterrasse als Zusatzangebot zum Mehrzweckraum.

Zellenbüros lösen sich auf und lassen freie Arbeitsareale entstehen. Die Möblierung ist flexibel, individuell und entwicklungsfähig.
Der klassische Flur ergänzt nun die neuen Lernzonen und vergrößert so die Nutzfläche mit differenzierten individuellen Studier- und Vortragsausstattungen. Abgegrenzte Rückzugsräume ergänzen das Raumangebot.

Der Außenbereich als Pluspunkt für Lernen und Erleben, die Natur wird ein aktiver Konzept-Bestandteil + (3. Gartengeschoss / nur für Intern )


SPEISESAAL / FREIZEIT / GARTENSEMINAR
Die Verbindungsspange erfüllt neben Speisesaal und Cafe vermehrt die Aufgabe des Aufenthalts- und Verweilbereiches. Mit der Einführung des Gartenseminares entsteht eine völlig neue Raumqualität mit dem Schwerpunkt Garten Aktiv+

Die Flächen der Speisesaal- und Cafezone werden jetzt intensiver genutzt. Die Speiseausgabe separiert sich temporär, dadurch ist eine Raumnutzung „rund um die Uhr“ möglich.

Die Trennung zwischen Speisen, Cafe und Bar ist nicht mehr nötig, es entwickeln sich fließende Übergänge.

Unter der Terrasse entsteht bei weiterem Bedarf für den Campus+ ein neues Gartenseminar-Geschoss. Im Schwerpunkt der Anlage gelegen, setzt dieser neue Bauteil die vorhandene Baustruktur völlig selbstverständlich fort. Neben einer naturbezogenen Workshop-Nutzung entsteht dadurch eine völlig neue Durchlässigkeit und Anbindung zwischen allen Bauteilen.

Der Obstgarten wird zum Raum ohne Haus weitergebaut. Sämtliche gesundheitlichen Aspekte sind in der Natur bestens aufgehoben. Dies betrifft insbesondere auch alle sportlichen Angebote.


BÜRO UND VERWALTUNG MIT NEUER ZUORDNUNG
Die Verwaltungsstruktur des Campus+ teilt sich nun auf in Seminar- und Wohnverwaltung. Dies führt zu einer neuen räumlichen Zuordnung. Verwaltung findet nun am Übergang zum Wohnbereich und in der Schulung statt.

Die Aufenthaltsräume in den prägnanten Kanzeln der Wohntrakte werden im neuen Konzept nicht mehr benötigt. Sie entwickeln sich zu Bürobereichen mit Aufenthalt, es entstehen kurze Wege vom Wohnen zur Wohnverwaltung.
Gleichzeitig unterstützen hier Coaching-Büros die Sonderseminare im Freizeitbereich mit Schwerpunkt Gesundheit, Sport und Natur.
Durch die neuen Funktionen entsteht eine verdichtete, intensive Nutzung der Bestandsflächen an sehr gut erreichbarer Stelle.


BRANDSCHUTZKONZEPT
Die offenen Treppen sind für die Gebäudestruktur von Haus D wesentlich. In Verbindung mit den Ausblicken machen sie die Hanglage auch im Inneren erfahrbar. Dieses Raumerlebnis weitgehend zu erhalten muss das Ziel notwendiger BS-Anpassungen sein.

Im Haus D werden drei Brandabschnitte mit Grundflächen von ca. 400 qm gebildet.
Die beiden äußeren beinhalten die weiterhin offenen nicht-notwendigen Treppen, im mittleren Bereich befinden sich jeweils eingeschoßige Bereiche. Die Treppenhallen als Verkehrsflächen können als brandlastarme Bereiche betrachtet werden.

1.RW sind die Wendeltreppe im Norden und das abgeschlossene TRH im Süden. Für den mittleren Bereich führt der 1.RW in den anderen sicheren Brandabschnitt im Norden. (Krankenhausprinzip)
Bei Versagen des 1.RW führt der 2.RW für alle drei Brandabschnitte in den jeweils angrenzenden Abschnitt und von dort zu den o.g. Fluchttreppen. In allen ebenerdigen Räumen führt der 1.RW immer direkt ins Freie.

Die zu den offenen Treppenhallen mit F30-Glaswänden abgetrennten Unterrrichtsräume werden untereinander mit Bypasstüren verbunden um einen von den Hallen unabhängigen RW in den angrenzenden Abschnitt sicherzustellen. Im untersten Geschoss (GG 3) kann die Deckenöffnung mit einem BS / RS-Vorhang von den darüberliegenden Ebenen abgetrennt werden.
Das Dachoberlicht erhält über beide Treppenhallen NRA-Öffnungen (RWA) zur schnellen Entrauchung.

Im Zuge der Weiterplanung wäre abzuwägen, ob durch eine Sprinklerung eine reduzierte Anforderung an die Qualität der Brandabschnittstrennungen (Stahl-Glas-Wände F90 → F30) vorteilhaft ist (filigranere Profile und geringere Kosten).

ENERGIEKONZEPT
Zum Zeitpunkt der Planung des Tagungs- und Schulungsgebäudes waren die Anforderungen der Wärmeschutzverordnung 1984 zu erfüllen. Heute gilt die fünfte Fassung, die EnEV 2016. Die Neufassungen basieren auf den veränderten gesamtgesellschaftlichen Zielsetzungen und den technischen Weiterentwicklungen.
Das vorgeschlagene Energiekonzept geht davon aus, dass Nutzungskomfort, gesundes Raumklima und Energieverbrauch durch gezielten Austausch von Bauelementen mit zeitgemäßen Technologien deutlich zu verbessern sind.

Grundsätzlich unterscheidet das Energiekonzept zwischen:
1. Maßnahmen, die im Rahmen der Umnutzung den Nutzerkomfort optimieren und/oder den Primärenergiebedarf senken.
2. Sanierungsmaßnahmen, die zu einem nicht festgelegten Zeitpunkt im Rahmen anstehender Sanierungszyklen notwendig werden und den Primärenergiebedarf senken. Es wird aufgezeigt welche Maßnahmen ohne wesentliche Eingriffe in Gebäudestruktur und Erscheinung umsetzbar sind.
3. Neubau Erweiterung: Wärmedurchgangskoeffizient, Primärenergiebedarf und sommerlicher Wärmeschutz nach Anforderung EnEV.

Die Maßnahmen zur Umnutzung werden durch eine zonenweise Analyse des Bestands vorbereitet. Im Grundsatz sind zwei Grundbausteine zur Aufwertung der Fassade zu verfolgen:

1. Austausch der bestehenden Verglasung (30mm, 2-fach, U-Wert 1,3 W/(m2K):
Die heutige Glastechnik ermöglicht bei einer 30mm, 2-fach Isolierverglasung einen U-Wert von 1,1 \ 1,0 W/(m2K). Die Tragkonstruktion der bestehenden Fassade ist kein Serienprodukt. Sie wurde zur Bauzeit für die Glaslasten der 2-fach Verglasung maßgefertigt und soll erhalten werden. Sie trägt wesentlich zum filigranen Gesamtbild des Hauses bei. Durch diese Maßnahme wird die empfundene Strahlungskälte, die im wesentlichen von den großen Glasflächen ausgeht, verringert und der Heizwärmebedarf gesenkt.

2. Ergänzung von Sonnenschutzmaßnahmen:
Hierzu gehören außenliegende Sonnenschutzelemente, die farbneutrale Sonnenschutzverglasung und zusätzliche Lüftungsflügel. Zusätzliche Lüftungsflügel werden behutsam auf die Raumnutzung abgestimmt.

Exemplarisch wurden zwei als ungünstig einzustufende Räume betrachtet:

• Die nach Westen ausgerichteten Seminarräume im Bauteil D werden, durch Sonnenschutzvergasung (Gesamtdurchlass der Strahlungsenergie von 40%, g-Wert 0,4) in Kombination mit den bereits vorhandenen Sonnenschutzlamellen effektiv vor sommerlicher Überhitzung geschützt.
• Bei der zweiten betrachteten Raumgruppe, den Büroräumen in den bisherigen Aufenthaltskanzeln in den Bauteilen B+C, wird durch den Einsatz von opaken Fassadenpaneelen die Fensterfläche verringert. Schwingflügel zur individuellen Lüftung werden ergänzt. Nordseitig werden großflächig drehbare Großlamellen als Sonnenschutz angebracht. West- und ostseitig verringern textilbespannte Schiebeläden die Sonneneinstrahlung.

Die Hüllflächen der Raumerweiterung "Gartenseminar" werden nach den Anforderungen der EnEV ausgeführt. Als Sonnenschutzmaßnahmen des nach Norden orientierten Raumes ist Sonnenschutzverglasung in Kombination mit einer bepflanzten Pergola ausreichend. Die großzügigen aufzufaltende Fassade und Dachoberlichter ermöglichen eine effektive Querlüftung.

Zur Eigenstromversorgung wird die Ergänzung einer PV-Anlage auf dem Dach des Eingangspavillons vorgeschlagen. Diese beliefert die in der Parkzone angebotenen E-Mobil-Ladestationen.
Alle neuen Leuchten und die Umstellung der Bestandsleuchten auf präsenz- und tageslichtgesteuerte LED-Technologien gleichen den durch die digitale Technik angestiegenen Strombedarf aus.

Es ist zu erwarten, dass bereits durch die technische Überarbeitung einzelner Bauelemente der Heiz- und Sanitärtechnik weitere quantifizierbare Energieeinsparungen erreicht werden. Genannt seien hier z.B. Dämmung von Leitungen, Austausch von Thermostatventilen und der Steuerungs- und Verbrennungstechnik.

Von umfassenden Dämmmaßnahmen an den opaken Außenwand- und Deckenflächen der Gebäudehülle wird aufgrund des hohen technischen Aufwands im Bereich aller Anschlusspunkte abgesehen.
Zudem würden die aufzubringenden Dämmstärken das Erscheinungsbild des Gebäudes unwiederbringlich verändern. Hingegen wird der Austausch der Wärmedämmung im Bereich der Dächer und der Fassadenbrüstungen als Sanierungsmaßnahme empfohlen.

Bei der Auswahl der Baumaterialien kommen ausschließlich langlebige, unterhaltsfreundliche und ressourcenschonende Baustoffe in Frage. Bauelementen werden nicht einfach entsorgt und durch neue ersetzt. Sanierung- und Instandsetzung werden sorgsam abgewogen. Durch die energetische Sanierung des AOK Tagungs- und Schulungszentrum wird das Raumklima nachhaltig verbessert. Gesunde Arbeitsbedingungen werden geschaffen. Die Betriebskosten werden gesenkt. Es wird ein Standard für den Umgang mit wertvoller Bausubstanz in dieser Bauweise gesetzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Auffällig an dieser Arbeit ist der sehr respektvolle Umgang mit dem vorgefundenen Bestand. Die Erweiterung des Gebäudeensembles wird schlüssig an den neuen Nutzungsanforderungen weiterentwickelt und erfolgt mit ähnlichen architektonischen Mitteln. Das hinzugefügte neue Gartenseminar fügt sich behutsam in die bestehende Struktur ein und verbessert die Raumqualitäten des 2. Gartengeschosses des Bauteils D.

Die bestehende Erschließung wird weitgehend beibehalten. Die Nutzungen im Bauteil A werden an ihrem ursprünglichen Standort belassen. Die Rezeption wird nutzungsspezifisch differenziert. Der bestehende Saal wird nur geringfügig erweitert. Die Anforderungen an den Großen Saal (300 Personen) werden nur unter Zusammenschließung von kleinem und großem Saal erreicht. Eine parallele Nutzung beider Säle ist so nicht möglich.

Die räumliche Organisation des Bauteils D spiegelt die Nutzungsintensionen des Auslobers vollumfänglich wider. Begrüßt werden die differenzierten Lernräume und die dadurch mögliche flexible Benutzung unterschiedlich großer Räume. Es wird eine heterogene Lernlandschaft vorgeschlagen, die Begegnungen ermöglicht und für Rückzugsbereiche sorgt. Im Seminar und Unterrichtsbereich sind die Flächenangebote für kleine und mittlere Räume teilweise für die jeweilige Maximalbelegung zu gering. Dies kann nur zum Teil durch die neu geschaffenen Seminarbereiche im Gartenseminar kompensiert werden. Der Vorschlag der Einfügung eines Gartenseminars wird begrüßt, insbesondere die Anbindung und Einbeziehung des Gartenbereichs. Allerdings ist die Erschließung dieses Bereichs verbesserungswürdig. Die Anordnung und Aufteilung der Mitarbeiterbüros auf verschiedene Ebenen und Bauteile wird kritisch gesehen. Wünschenswert wäre eine kompaktere Anordnung auf einer Ebene im Gebäudeteil B. Das Konzept für den Brandschutz und die Lastabtragung sind plausibel. Punktuelle Unzulänglichkeiten sind lösbar.

Insgesamt ist durch diesen Entwurf eine durchgehend hohe architektonische und funktionale Aufwertung des Bestandes zu erwarten.
Lageplan

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