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Award / Auszeichnung | 05/2019

AKG Preis 2019

Neubau Augenklinik und Forschungsinstitut für Augenheilkunde, Universität Tübingen

DE-72076 Tübingen

Gewinner

Arcass Freie Architekten BDA

Architektur

Land Baden-Württemberg

Bauherren

KuB Fassadentechnik

Fassadenplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Gesundheitswesen

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2018

Projektbeschreibung

Aufgabenstellung:
Die bislang im gesamten Stadtgebiet von Tübingen verteilten Forschergruppen
sollen im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen zentral im Gebäude der
Augenklinik zusammengefaßt werden.
Ziel ist es Klinikbetrieb, Lehre und Forschung künftig gemeinsam unter einem
Dach zu betreiben.
Aufgabenstellung war die Gestaltung des Neubaus unter Berücksichtigung der
Anbindung an die bestehende HNO-Klinik und damit Etablierung als ‚Kopfzentrum‘
der Uni Tübingen.
Eine besondere Herausforderung war die anspruchsvolle Topographie des Geländes.

- OP-Bereich (6 OP’s)
- Ambulanz
- Untersuchung/ Behandlung
- Pflege (77 Betten, davon 12 Betten Wahlleistung)
- Zentrale Sterilgutversorgung
- Verwaltung
- Forschungslabore mit Tierhaltung

Entwurfsgedanken

Der Neubau der Augenklinik und des Forschungsinstituts für Augenheilkunde befindet sich westlich der bestehenden HNO-Klinik am Oberen Schnarrenberg in Tübingen und wurde unmittelbar an diese angebaut.
Der Neubau nutzt die Möglichkeiten der peripheren Lage und bildet mit seinen, teilweise weit auskragenden, scheinbar schwebenden, Pavillons den vorläufigen Abschluss des Universitätsgeländes nach Westen.
Die hervorragende Aussichtslage kommt damit den Patienten der Augenklinik zu Gute, ohne dabei die Qualität der bestehenden HNO-Klinik zu schmälern.

Das Gebäude gliedert sich vertikal in zwei Bereiche.
Die unteren zwei Geschosse werden vom Forschungsinstitut genutzt,
die oberen drei Geschosse bilden die Augenklinik mit Ambulanz- und OP-Bereich sowie den Pflegestationen.

Strukturell wird die dreigeschossige Sockelstruktur der HNO-Klinik fortgeführt. Diese öffnet sich dabei nach Westen und lässt den Landschaftsraum, in die Innenhöfe hinein, erlebbar werden.
Die dort untergebrachten Forschergruppen erhalten durch fünf dieser Höfe und die zum Teil überdeckten Freibereiche zusätzliche Aufenthaltsflächen im Freien.
Über große, zweigeschossige ‚Landschaftsfenster‘ fließt die Landschaft in die Innenhöfe hinein und sorgt für Tagesbelichtung und Frischluftzufuhr. Die Arbeitsplatzqualität des Forschungsinstituts für Augenheilkunde wird dadurch, trotz der Integration in die Hanglage, den Arbeitsplätzen der Augenklinik gleichgestellt.

In Summe entsteht ein perforierter, offener, dreigeschossiger Sockel, der das Forschungsinstitut und die besucherintensiven Nutzungen der Augenklinik beinhaltet. Darüber ‚schweben‘ zwei nahezu quadratische Pavillons. Auf der Nordseite markiert ein eingeschossiger OP-Pavillon durch seine Auskragung den zentralen Haupteingang. Der andere zweigeschossige Pflege-Pavillon orientiert sich mit seiner Auskragung nach Süd-westen und nutzt hier die Qualität des umgebenden Landschaftsraumes.

Das architektonische Konzept des Neubaus nimmt bestehende Ansätze der HNO-Klinik auf und führt diese sinngemäß fort. So wird das bestehende Material- und Farbkonzept der Fassade zwar architektonisch aufgenommen, jedoch neu interpretiert. Der in Sichtmauerwerk errichtete dreigeschossige Sockelbau der HNO-Klinik mit seiner differenzierten Lochfassade wird im Neubau durch großformatige, farblich angeglichene Faserzementtafeln und Bandfassaden modern interpretiert. Der auf dem Sockel ruhende, langgestreckte Baukörper der HNO-Klinik mit seiner horizontal gegliederten und in kräftigen Grüntönen gehaltenen Blechfassade erhält mit den neuen Pavillons ein Pendant mit vertikal strukturierter Blechfassade, vergleichsweise zurückhaltender Farbgebung und großzügigen, raumhohen Fensteröffnungen.
In der Gesamtbetrachtung entsteht so ein neues gemeinsames Ganzes, ohne jedoch die jeweilige Individualität von HNO-Klinik und Augenklinik außer Acht zu lassen.

Die ebenenweise Organisation der verschiedenen Nutzungsbereiche im Neubau orientiert sich an der bestehenden Schichtung der HNO-Klinik, so dass sich durch die bauliche Anbindung an das HNO-Gebäude in Zukunft sinnvolle Nachbarschaften und betriebliche Synergien ergeben.
Augenklinik und HNO-Klinik haben einen neuen gemeinsamen Haupteingang auf der Nordseite des Gebäudes erhalten.

Das Forschungsinstitut für Augenheilkunde wird über einen separaten repräsentativen Eingang von Süden her erschlossen. Im Inneren des Gebäudes sorgt ein klares Erschließungssystem mit breiten Fluren, übersichtlichen Wartebereichen und allgegenwärtigem Tageslichtbezug für eine gute Orientierung mit kurzen Wegen für Besucher, Patienten und Personal.

Die innenarchitektonische Gestaltung des Neubaus macht die Gliederung in Sockel- und Pavillongeschosse auch im Inneren des Gebäudes spürbar. Die Forschungsbereiche sind, der Nutzung entsprechend, eher sachlich und farblich zurückhaltend gestaltet. Die für Besucher und Patienten zugänglichen Bereiche der Augenklinik hingegen nehmen vor allem durch deutliche Kontraste der gewählten Materialien Rücksicht auf die Belange
von Menschen mit Sehbehinderung. Das Gebäude soll die Genesung der Patienten unterstützen. Die Innenraumgestaltung soll eine angenehme Atmosphäre erzeugen. So sind beispielsweise die Bettenzimmer in den Pflegeabteilungen in warmen Farbtönen und natürlichen Holzoberflächen gehalten. Zudem werden die notwendigen medizintechnischen Einbauten kaum wahrnehmbar und verdeckt angeordnet, so dass die Räume weniger an typische Krankenzimmer erinnern sondern vielmehr eine hotelähnliche Atmosphäre erzeugen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Erweiterung der bestehenden HNO-Klinik geschah auf überzeugende Weise, indem an deren kammartigen Baukörper angedockt wurde. Die dreigeschossige Struktur mit den hochschulinternen Institutsbereichen für hochspezialisierte Forschung und Lehre bildet den Sockel für die beiden ineinandergreifenden, pavillonartigen Aufbauten der öffentlichen Augenklinik, die sich durch Struktur und Fassadengestaltung deutlich vom Sockel abheben. Sie tun dies im Wortsinn, denn sie scheinen durch den Versatz und die teilweise enorme Auskragung gleichsam zu schweben. Verstärkt wird der Effekt durch die horizontal betonte Bandfassade im Sockelbereich und die vertikal kontrastreich gegliederte Öffnungsstruktur der Obergeschosse, was die beiden Hauptfunktionen deutlich ablesbar unterscheidet. Die Lichthöfe sind gut dimensioniert und tragen durch Stockwerksversätze und Fassadenwechsel zur skulpturalen Differenzierung des großen Bauvolumens bei. Die Wegeführung und Erschließung des komplexen Gebäudes, größtenteils mit Tageslichtbezug, zeichnen sich durch Funktionalität und Effizienz aus. Die Innenräume sind in ihrer konsequenten Material- und Farbkonzeption von der Leitfarbe Weiß als beherrschende Grundfarbe geprägt. Umso wirksamer treten die wenigen Akzentuierungen hervor, hellumbrafarbene Holzböden und Textilien im Pflegebereich, ergänzt durch einige wenige „red dots“ der Möblierung. Die Foyers und inneren Atrien sind teilweise mehrgeschossig und warten mit starken Raumwirkungen auf. Patientenzimmer wirken hochwertig gestaltet und ausgestattet und profitieren von großzügigen Blickbeziehungen in die Umgebung. Jenseits der Monotonie seriell rationalisierter Funktions- und Konstruktionssysteme großer Krankenhausmaschinen ist es gelungen, sowohl gebäudestrukturell als auch gestalterisch in Außenerscheinung, Innenarchitektur und Detail eine individuelle, durchgehend qualitätvolle Lösung zu realisieren.