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Architekten- und Investorenwettbewerb | 08/2019

Wohnsiedlung Auwiesen Wangen im Allgäu

Anerkennung / Los 1: Baufeld 1 und 2

Preisgeld: 5.000 EUR

herrmann+bosch architekten

Architektur

Gapp Objektbau GmbH & Co. KG

Investor*in

Erläuterungstext

Leitidee

Zur Landesgartenschau 2024 soll das ERBA-Areal als neuer Stadtteil den südlichen Stadtrand definieren. Ein neues, freiräumlich an das Gelände der Landesgartenschau angrenzendes Quartier soll zwischen Auwiesenweg und Obere Argen entstehen. Ressourcen-schonendes Bauen in der besonders attraktiven landschaftlichen Umgebung stehen im Fokus. Ein neues, vielseitiges Wohnquartier, welches verschiedene Wohnformen und somit auch Nutzergruppen ansprechen soll, um so ein lebendiges Miteinander zu fördern ist das Ziel unseres Entwurfs. Ein Wohnen und Leben im Landschaftsraum zwischen Obere Argen und Landesgartenschau, eine Durchmischung von Innen und Außen wie auch dem ständigen Bezug zur Umgebung beeinflussen den vorgeschlagenen Entwurf maßgeblich. Das Minimieren von beheiztem Volumen und somit geringere Herstellungs- und Nutzungskosten spielen bei den Erschließungskonzepten der Häuser eine große Rolle. Ein innovatives Mobilitätskonzept ergänzt das Angebot zu einem vollkommenen Gesamtpaket.


Städtebau und Freiraum

Die städtebauliche Setzung der Baukörper muss differenziert betrachtet werden. Auf dem in vier Lose unterteilten Wettbewerbsgrundstück entstehen unterschiedlich ausformulierte Volumen, die verschiedene Erschließungssysteme und Wohnformen anbieten. Den Auftakt vom Gelände der Landesgartenschau kommend bildet ein Hochpunkt an der Westecke des Baufeld 3. Zusammen mit der Bebauung auf Baufeld 2 entsteht eine Torsituation, welche sowohl vom Parkgelände als auch vom Quartier aus erlebt werden kann.
Baufeld 1 ist als flach bebaute Einfamilienhaussiedlung vorgeschlagen. Die Konfiguration der Häuser bilden ein in sich geschlossenes Quartier, welches durch eine Haupterschließungsachse von Süd nach Nord eine Verbindung herstellt. Zentral im Quartier wird eine Platzsituation ausgebildet. PKW-Parkflächen sind überirdisch entlang der Grundstücksgrenze angeordnet. Das Innere des Viertels wird zu Fuß und per Fahrrad erschlossen. Eine beschützte, introvertierte Mitte bildet den Bewohnerinnen und Bewohnern einen ruhigen Treffpunkt zum Spielen, Verweilen und Austauschen.
Die über jeweils ein kaltes, im Norden liegendes Treppenhaus erschlossenen drei Wohnhäuser des Baufeld 2 bilden zum Auwiesenweg eine den Straßenraum definierende Kante, welche an zwei Stellen Durchblicke und Durchgänge ermöglicht.
Baufeld 3 begleitet den Auwiesenweg mit einer 4-stöckigen Bebauung mit einem Hochpunkt im Westen. Dadurch wird ein klarer Straßenraum formuliert, welcher durch präzise gesetzte Fugen und einen akzentuierenden Hochpunkt in Erscheinung tritt. Die nach Süden orientierten 3-geschossigen Punkthäuser schaffen die Verknüpfung mit dem Landschaftsraum auf spielerische Art und Weise. Die innenliegenden Treppenhäuser werden durch Oberlichtern natürlich belichtet. Um die Lebensqualität höchstmöglich zu gestalten, sind Ausblicke aller Wohnungen in den Landschaftsraum garantiert.
Die Bebauung auf Baufeld 4 schreibt die städtebauliche Setzung und somit die Ausformulierung der Innenhofsituation des nördlich angrenzenden Grundstücks weiter fort. Die Ausrichtung der beiden Gebäude ermöglicht das Wohnen nach Süden und zum Oberen Argen.
Im Freiraum werden verschiedenste Wegebeziehungen gestärkt bzw. neu eingeführt. Die Verknüpfung des Landschaftsraums mit den neuen Stadtbausteinen wie auch der vorhandenen Struktur stehen im Vordergrund. Das Schaffen attraktiver und abwechslungsreicher Orte entlang der Geh- und Radwege laden zum Schlendern und Verweilen ein. Das Gebiet der Landesgartenschau soll sich merklich durch das neue Quartier ziehen und so die Attraktivität des Standort nochmals erheblich steigern. Grundsätzlich wird bei der Bepflanzung der Außenanlagen darauf geachtet, dass heimische naturnahe Bäume, Sträucher, Hecken und Gräser Verwendung finden, die heimischen Insekten und Vögeln Nahrung bieten.


Wohnen im Quartier

Die Einfamilienhäuser auf Baufeld 1 verfügen alle über private Gärten, welche, genau wie die Wohnräume, nach Süd-Osten ausgerichtet sind. Die Gebäude können entweder jeweils als Einfamilienhaus, oder jedoch als 3-Zimmer Wohnung im EG und 2-Zimmer Wohnung im OG gedacht werden.
Im Baufeld 2 werden die drei Gebäude, welche jeweils als 3-Spänner ausgebildet sind, über ein kaltes, außen liegendes Treppenhaus erschlossen. Somit wird das beheizte Volumen reduziert und ein der Bezug zum Außenraum geschaffen. Von der Tiefgarage aus sind die Wohnungen per Aufzug zu erreichen. Die durchgesteckten Wohnungen ermöglichen Außenbereiche im Norden und Süden.
Entlang des Auwiesenwegs reihen sich auf Baufeld 3 über im Norden liegende Laubengänge erschlossene Baukörper. Der Laubengang ist sparsam aber dennoch so großzügig ausgeführt, dass er nicht nur die bloße Funktion der Erschließung ermöglicht, sondern auch zur Kommunikation und zum Verweilen einlädt. Vor- und Rücksprünge gliedern den Laubengang und bilden Zugangs- und Verweilpunkte aus. In die Grundstruktur können verschiedenste Wohnungen eingearbeitet werden, sodass je nach Bedarf Ein- bis Drei-Zimmer-Wohnungen angeboten werden können. Alle Wohnungen verfügen über Tageslichtbäder. Auch in diesen Gebäuden ist ein Durchwohnen möglich. Die begrünte Südfassade zum Landschaftsraum hin bildet einen Filter und verschattet in Sommertagen die dahinter liegenden Wohnräume. Die Punkthäuser zum Oberen Argen hin nicht wie die Häuser entlang des Auwiesenwegs als 4-geschossige, stattdessen als 3-geschossige Baukörper ausgeführt. Durch die geringere Höhe und die mäandrierende Setzung ist der Blick in den Grünraum wie auch die Verzahnen mit der Landschaft garantiert. Zwei- und Vier-Zimmer-Wohnungen werden in den Punkthäusern angeboten. Überdachte Fahrradstellplätze befinden sich erdgeschossig in der nähe der Zugänge, Parkplätze und Lagerräume finden in der Tiefgarage ihren Platz. Die Gebäude auf Baufeld 4 werden ebenfalls über Laubengänge erschlossen. Im Keller befinden sich lediglich Kellerräume und Technikflächen. PKW-Stellplätze werden in der Tiefgarage auf Baufeld 3 angeboten, wobei auf dem Baufeld 4 weitere oberirdische Parkplätze optional nach Bedarf angeboten werden können. Durchwohnen ist ebenso wie das Orientieren in Richtung Landschaftsraum ermöglicht.


Mobilitätskonzept

Durch die Mobilitätsstation werden mehrere Mobilitätsangebote räumlich zentral zusammenzufassen. Dieser Knotenpunkt bündelt wichtige Infrastrukturen im Quartier. Hierzu zählen auch der alltägliche Postverkehr und regionale Angebote (Gemüsekiste,…).
Die Mobilitätsstation verfügt über ein automatisiertes Lager für Fahrräder im oberen Teil des Gebäudes. Die Fahrräder werden hierfür im Erdgeschoss in wartende Kisten gestellt. Diese verfügen über Platz für Rad und Schutzausrüstung. Bei Bedarf können Pedelecs in den Boxen geladen werden. Den Bewohnern des Quartiers steht die kostenlose Nutzung des Fahrradlagers zur Verfügung. Zusätzlich können Pedelecs und Lastenfahrräder an dieser Station gemietet werden. Die Bereitstellung dieser Fahrräder erfolgt ebenfalls durch das Fahrradlager.
Im Erdgeschoss der Station befindet sich eine zentrale Sammelstelle für den alltäglichen Postverkehr. Hier werden vor allem Pakete und nicht zustellbare Post gelagert und bei Bedarf später im Quartier verteilt. Zusätzlich sind einige Paketboxen klimatisiert, um die Zustellung von regionalen Angeboten (z.B. Gemüsekiste) unabhängiger zu gestalten. Im erdgeschossigen Fahrradladen können bei Bedarf Fahrräder der Bewohner repariert werden. Zusätzlich erfolgt durch dieses Geschäft auch die Wartung und Betreuung der Mietangebote im Quartier.
Als weiteres Angebot sind Elektro-Carsharing Angebote in die Nachbarschaft implementiert.


Material, Konstruktion, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit

Lediglich die Untergeschosse und wenigen Treppenhäuser werden in Stahlbeton ausgeführt. Sämtliche Außen- und Innenwände werden in innovativer Holzrahmenbauweise errichtet. Durch den besonderen Wandaufbau werden höchste Dämmwerte erzeugt. Über die hochwärmegedämmte Gebäudehülle wird für die Beheizung der Wohnungen nur ein sehr geringer Restenergiebedarf erforderlich. Holz als Baustoff bietet nicht nur ein behagliches Raumklima, weil die Wände warm und atmungsaktiv sind, sondern gewährleistet auch als nachwachsender Rohstoff den schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Die Bauweise bietet sowohl das brandschutztechnische Sicherheitsniveau als auch den gleichwertigen Schallschutz wie Massivbauten. Dem von der Bundesregierung angestrebten Ziel, den Energiebedarf von Gebäuden erheblich zu reduzieren, kommen wir schon heute nach. Dadurch erhalten wir eine besonders zukunftssichere und wertstabile Immobilie.
Da die Gebäude in nachhaltiger Holzbauweise errichtet werden, können sie nach dem Abriss fast komplett verwertet werden und es entsteht kaum Abfall. Das Holz, das wir ausschließlich chemisch unbehandelt verbauen, kann recycelt oder thermisch verwertet werden.
Die Gebäude erhalten eine sorgfältige Planung, die eine wirtschaftliche Erschließung und sparsame Grundrisszuschnitte gewährleisten. Wiederkehrende Gebäude- und Grundrisstypen, sowie standardisierte Details und Bauelemente (Holzrahmen-Bauweise, Holzbetondecken) sorgen für eine rationelle Baudurchführung, kurze Bauzeiten und eine deutliche Kosteneinsparung.
Neben öffenbaren Fenstern stehen auch öffenbare Blendflügel zur natürlichen Fensterlüftung zur Verfügung. Tageslicht-Bäder verfügen über dezentrale mechanische Lüftungen. Der Sonnenschutz wird durch die Laubengänge und die Fassadenbegrünung gewährleistet. Zusätzlich können bewegliche außenliegende Textilrollläden zur Verschattung genutzt werden. Zur Wärme- und Warmwassererzeugung wird die zur Verfügung stehende Fernwärme genutzt. Die Wärmeübertragung findet über Fußbodenheizung und Zusatzheizkörpern in den Bädern statt. Die PV-Anlagen auf sämtlichen Dachflächen versorgen das Gebiet mit Elektrizität zur Eigenversorgung. Überschüsse können ins Netz eingespeist werden.
Die Dächer aller Gebäude werden extensiv und teilweise intensiv begrünt. Neben einer guten Wärmedämmung halten begrünte Dächer auch Regen zurück, schlucken Lärm und bieten zahlreichen Lebewesen wie Bienen, Hummeln, Schmetterlingen, Käfern und Vögeln einen geschützten Lebensraum. Teilbereiche der Häuser werden mit Kletterpflanzen wie z.B. Efeu oder wildem Wein begrünt. Begrünte Fassaden helfen gegen Feinstaub, Stickoxide, Hitze und Kälte. Die Fassadenbepflanzung verbessert sowohl das Stadt- als auch das Raumklima, mindert Überhitzung und Smog, produziert Sauerstoff und trägt zur Erhaltung und Erhöhung der Artenvielfalt in der Stadt als Lebensraum für Fauna und Flora bei.


Fazit

Für die neue Wohnbebauung Auwiesen wird eine ganzheitliche Kozeptidee vorgeschlagen. Mit Hilfe eines starken Leitthemas manifestiert sich ein ganzheitlicher Entwurf. Die städtebauliche Grundkonfiguration, die Gestaltung des Freiraums, die Wahl der Konstruktionsweise und Materialitäten, die vorgeschlagenen vielseitigen Wohnkonzepte sowie das Mobilitätskonzept für das neue Quartier fügend sich wie selbstverständlich zu einem Ganzen. Zeitgemäßes Wohnen im Landschaftsraum, umgeben von natürlichen nachwachsenden Rohstoffen bieten den zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohnern des Areals einen unschätzbaren Mehrwert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Aus dem städtebaulichen Rahmenplan abgeleitet legt sich das Baufeld 1 als flaches Quartier in den Landschaftsraum und wird abgeschlossen mit der höheren Bauzeile von Baufeld 2 als deutliche Raumkante nach Südwesten. Das Quartier bildet nach Außen klare räumliche Begrenzungen aus, die den mittigen Quartiersplatz angemessen umrahmen und den öffentlichen Raum stärken.
Die ringförmige Fahrerschließung wird folgerichtig weitergeführt, die oberirdischen Stellplätze und die Tiefgaragen-Zufahrt sind nachvollziehbar platziert.
Die fußläufige Durchwegung führt durch das Quartier und knüpft an das Wegenetz des Grünraumes an. Der kleine Quartiersplatz, überstellt von einem Baumhain, ist ein schönes zusätzliches Angebot besonders auch für Familien und Kinder, die Möblierung mit Sitzmöglichkeiten und Fahrrad- Abstellplätze tragen zur Belebung bei.

Die Typologie der Winkelhäuser überzeugt, der immer nach Südwesten ausgerichtete, geschützte Gartenhof wird 3-seitig umschlossen.
Die nordseitige Erschließung mit der Lage der Treppe ermöglicht sowohl eine 2-geschossige Wohneinheit mit 5 Zimmern als auch eine geschossweise Trennung in zwei Einheiten, die entstehende Flexibilität wird begrüßt.

Die drei baugleichen Einheiten des Baufelds 2 tragen mit der vorgelagerten Erschließung zur Belebung des Straßenraumes bei. Eine stärkere Durchgrünung des Straßenraumes sollte angestrebt werden.
Die unterschiedlich großen Wohneinheiten sind optimal nach Südwesten ausgerichtet, die Freibereiche profitieren vom Blick in die Auenlandschaft. Eine räumlich stärker wirksame Trennung untereinander wird vermisst.
Im EG vorgelagerte Gärten sind ein zusätzliches Angebot.

Die gewählte Architektursprache entspricht grundsätzlich den Inhalten, wenn auch noch etwas schematisch gehalten, aber entwickelbar.
Die wirtschaftlichen Kenndaten weisen im Vergleich aller Arbeiten eine günstige Flächeneffizienz auf.

Die wiederkehrenden Gebäude- und Grundrisstypen tragen zu guter Wirtschaftlichkeit bei und ermöglichen ein hohes Maß an Vorfertigung.
Die Vorgaben der Holzbauweise sind mit der tragenden Holzständerkonstruktion, dem Rahmenbau und Decken / Dach als Holz-Beton-Verbundkonstruktion berücksichtigt.

Die Grundrisse sind sehr gut gerastert. Die Spannweiten sind holzbaugerecht und ermöglichen eine wirtschaftliche Konstruktion. Die Holzbaukonstruktion ist unter Verwendung von Holz-Beton- Verbunddecken für den mehrgeschossige Holzbau gut geeignet. Eine Abstufung der Leistungsfähigkeit bezogen auf den Gebäudetyp und Anzahl der WE sollte in Betracht gezogen werden. (Baufeld 1)
Die Übergänge zum Boden und eine mögliche Sockelausbildung bedürfen besonderer Aufmerksamkeit.

Zusammenfassend ein Entwurf, der städtebaulich überzeugt mit klar gesetzten Baufeldern und Wohneinheiten von hoher Wohn- und Aufenthaltsqualität. Ein guter Beitrag zum Bauen im besonderen Landschaftsraum der oberen Argen.