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Einphasiger nichtoffener baulicher Realisierungswettbewerb | 01/2020

Neubau des Lehmann-Zentrums II an der Technischen Universität Dresden

3. Preis

kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Das neue Lehmann-Zentrum II ist ein Haus mit deutlichem Gebäudekopf, mit Rücksprung im Eingangsbereich, mit einem über den Innenhof zweiseitig belichteten Foyer, mit skulpturaler Treppe, die von dort aus in die vertikale Achse einleitet. Aus dieser architektonischen Eröffnung heraus erstreckt sich die lange horizontale Achse entlang des Grünen Bandes. In einem räumlichen Kontinuum reihen sich im Inneren von Osten nach Westen die Räume öffentlicher Nutzungen: das Foyer, die lange Lerntreppe, der Ausstellungraum mit Vitrinen als Kommunikationsraum sowie die Seminarräume bis zum zweiten Eingang im Westen.
Der Gebäudekopf mit dem Haupteingang im Nordosten bindet die Architektur an die in ihrer Nutzung verwandten Gebäude des Andreas-Pfitzmann-Baus, des Hochleistungsrechners und des zukünftigen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sowie an den nördlich der Nöthnitzer Straße anschließenden Campus der TU Dresden an. Durch den zusätzlichen, ebenso repräsentativen Zugang im Nordwesten des Gebäudes und die Durchlässigkeit der Erdgeschosszonen gelingt es jedoch, zum städtischen Raum keine Rückseite auszubilden, sondern das Gebäude über die gesamte Länge mit dem Freiraum zu verzahnen, kulminierend im Motiv der aus dem Hörsaal entwickelten Lerntreppe, die sich bis weit in den öffentlichen Raum schiebt. Über die vertikale Achse am Schnittpunkt der Gebäudevolumina schließen sich im nördlichen Gebäudeteil die öffentlichen studentischen Räume in den oberen Geschossen unmittelbar und leicht auffindbar an den Foyerbereich an, die südlichen Gebäudeteile nehmen die Büroräume der verschiedenen Institute auf. Drei weitere notwendige Treppenkerne liegen optimal angebunden an den Kommunikationszonen des Gebäudes und ermöglichen kurze Wege zwischen den Einheiten. Der Nebeneingang mit Anlieferung befindet sich auf der westlichen Seite auf Ebene -1 unmittelbar südlich der Magistrale am Anlieferhof und mit direkter Anbindung an den Lastenaufzug.
Angebunden an den Anlieferhof sind auch fünf behindertengerechte Stellplätze sowie der Zugang für die Dienstfahrräder vorgesehen. Anfallendes Regenwasser wird über Gegengefälle vom Gebäude weggeleitet und in Rigolen und Pflanzflächen versickern. Für neu gepflanzte Bäume werden ergänzend zu den vorgeschlagenen Typen Zieräpfel und -kirschen vorgesehen.
Die raumlufttechnisch zu belüftenden Räume reihen sich an die nördliche Achse an und ermöglichen durch die – über ausreichend dimensionierte Schächte sichergestellte – direkte vertikale Anbindung an die Technikflächen in Ebene -2 eine wirtschaftliche Versorgung des Gebäudes. Die als Zweibund konzipierten Bürobereiche können über die Öffnungselemente in der Fassade natürlich belüftet werden, darüber hinaus kann die Energielast über eine Nachtluftspülung (Querlüftung) reduziert werden.
Die aufgrund der Bodenbeschaffenheit für die Gründung vorzusehenden Großbohrpfähle können als Energiepfähle geothermische Energie gewinnen und somit ergänzend zur Bauteilaktivierung der Decken die nachhaltige Wärmeversorgung des Gebäudes sicherstellen.
Das Gebäuderaster von 1,35 m und die für den Zweibund vorgesehene Gebäudetiefe von 12,60 m ermöglicht auch für die Zukunft eine flexible Nutzung mit adaptiven Bürotypen.
Entsprechend der Charakteristika des Instituts – Kommunikation und Synergie – vermittelt das Gebäude durch seine allseitig umlaufende Glasfassade das Geschehen im Inneren nach außen. Die Glasfassade hat eine hohe Reagibilität: Entsprechend wechselnder Exposition gegenüber dem Sonnenlicht sowie dem gewünschten Grad an Diskretion sind die Glasscheiben unterschiedlich dicht bedruckt. Die Fassade wird auf den sonnenexponierten Seiten mit Solarzellen ergänzt, die gläsernen Bereiche verfügen hier durchgängig über außenliegenden Sonnenschutz. Die Gebäudetechnik wird in den Untergeschossen platziert, was die Dachfläche freihält und zusätzliche Bereiche für Photovoltaik schafft. So wird der scheinbare Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Offenheit und der Regelbarkeit des Energie- und Lichteintrages aufgelöst und zur corporate identity des Bauwerkes.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Gebäude bildet einen Gebäudekopf aus mit einem eingezogenen Erdgeschoss und gestaltet dabei an der richtigen Stelle den Eingangsbereich des Lehmann‐Zentrums II. Die Entwurfsidee besteht in der konsequenten transparenten Ausrichtung des Gebäudes am „Grünen Band“. Hier wird im Untergeschoss im Westen ein weiterer Eingang angeordnet, der Bereich wird durch eine „Lerntreppe“ an den Foyerbereich im Erdgeschoss angebunden.
Städtebaulich ist die Anordnung des Gebäudes durch die Ausbildung des Kopfbaus richtig gesetzt.
Die Führung der Außentreppe und der Sitzstufen vor der Glasfassade wird vom Verfasser als besondere Geste der Verbindung zum Außenraum beschrieben, von der Jury jedoch kritisch bewertet.
In der funktionalen Beurteilung liegt eine besondere Stärke der Arbeit in der Anordnung des Service Desk direkt am Foyer sowie der Labore im Bereich der Anlieferung im Westen. Die Büros, deren Größen gut geschnitten sind, liegen entlang der Außenfassade und zu den Innenhöfen. Vom Foyer des Kopfbaus führt eine geschwungene Treppe in die Obergeschosse, in denen die jeweiligen Foyerbereiche jedoch geringer bemessen sind als im Erdgeschoss. Die Treppe erscheint als notwendige Erschließungstreppe aus Brandschutzgründen allerdings nicht geeignet.
In den Obergeschossen sind Teeküchen und Aufenthaltsbereiche eher im klassischen Sinn angeordnet, hier wird ein innovativerer Ansatz für Kommunikationsbereiche vermisst.
Die Fassaden der Obergeschosse weisen eine wohltuend ruhige Gliederung auf. Die transparente Ausbildung der Eingangsbereiche und der Versatz in die untere Ebene ermöglichen eine nachvollziehbare Proportion des Westgiebels des Gebäudes. Die Verwendung von Photovoltaikelementen wird positiv gewürdigt.
Der Entwurf erscheint bei überschlägiger Betrachtung wirtschaftlich. Er weist allerdings einen sehr hohen Wert der Versiegelung im Außenbereich auf, der durch den Anlieferungsbereich im Westen, die großzügigen Sitzstufen am „Grünen Band“ und die befestigte Fläche im Süden entsteht. Hier wird eine Reduzierung im Westen und Süden, verbunden mit einem anderen Umgang des Bereichs zum Südhang, empfohlen.
Insgesamt stellt der Entwurf einen gelungenen Beitrag zur Vervollständigung der städtebaulichen Situation der bereits bestehenden Institute und im Umgang mit dem „Grünen Band“ dar.