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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2019

Neubau des Seminargebäudes I der Justus-Liebig-Universität Gießen

4. Preis

Preisgeld: 18.000 EUR

agn Niederberghaus & Partner GmbH

Architektur

Erläuterungstext

1. Städtebauliches Konzept
Die Besonderheiten von Ort und Aufgabe prägen den Entwurf in besonderer Weise.
Die inhaltlichen Anforderungen der Aufgabenstellung erzeugen im Zusammenspiel mit den Gegebenheiten des Grundstücks und den Vorgaben des Masterplans ein besonderes Spannungsfeld. In diesem entsteht ein Entwurfskonzept mit individueller Prägung und von besonderer Signifikanz, eine maßgeschneiderte Lösung, die den vielfältigen Anforderungen der Aufgabe Rechnung trägt. Der Neubau des Seminargebäudes besetzt die nordwestliche Kante des neuen zentralen Campusplatzes und fasst diesen gemeinsam mit dem Neubau der Zentralbibliothek ein. Mit seiner klaren, viergeschossigen Kubatur setzt es die Vorgaben des Masterplans um und stellt gleichzeitig in seiner Höhenentwicklung den Bezug zum Baukörper der Bibliothek her. Es entsteht ein stimmiges, wohlproportioniertes Zusammenspiel der beiden Baukörper und schafft einen ruhigen und klaren Rahmen für den zentralen Campusplatz als neue Mitte des Philosophikums.
2. Architektur- und Gestaltungskonzept
Basierend auf den städtebaulichen und architektonischen Setzungen des Masterplans wird ein zurückhaltendes, ruhiges aber identitätsstiftendes Gestaltungskonzept erstellt. Leitender Gedanke ist die Ausbildung einer einheitlichen Architektursprache der zentralen Bausteine an der Campusmitte. Dabei wird ganz bewusst eine Lesbarkeit der funktionalen und gestalterischen Verbindung zum Neubau der Zentralbibliothek formuliert. Neben seiner städtebaulichen Proportionierung geschieht dies vornehmlich durch die Übersetzung und Interpretation der prägenden architektonischen Elemente wie Struktur, Gestaltungsmotiv und Materialität der Fassade. Zudem wird das Konzept seiner prominenten Lage und öffentlichen Funktion durch eine einladende Eingangssituation gerecht, welche Besucher bzw. Nutzer nahezu übergangslos vom Vorplatz in das Gebäude führt und diesen in seinem tageslichtdurchfluteten Foyer empfängt. In diesem multifunktional und flexibel nutzbaren Bereich öffnet sich der Blick über alle Geschosse des öffentlichen Bereichs und verknüpft diese somit visuell und funktional. Abweichend zu den Vorüberlegungen der Machbarkeitsstudie hinsichtlich der Schichtung unterschiedlicher Funktionsbereiche liegt der inhaltlichen Organisation des Entwurfs ein anderes Prinzip zugrunde. Die starken Differenzen unterschiedlichster Aspekte wie Grad der Öffentlichkeit, Raumstruktur, Tragwerksstruktur und technischem Versorgungsbedarf zwischen Büro-und Seminarbereich samt angegliederten Zonen für „Campusleben“ führt zu einem klaren funktionalen Prinzip. Die beiden Bereiche Büro und Seminar werden nicht geschichtet, sondern über alle Geschosse durchgängig nebeneinander organisiert und voneinander separiert. Verknüpft werden sie über eine Infrastrukturzone, welche notwendige Treppenräume, Aufzüge und Verteilerräume der TA aufnimmt. Das Ergebnis ist ein klares, übersichtliches und funktional sinnfälliges Organisationsprinzip, welches beste Bedingungen für eine wirtschaftliche Erstellung sowie einen effizienten, hochfunktionalen und ökonomischen Betrieb bietet und den Nutzern gleichzeitig eine wertige und atmosphärisch anregende räumliche Umgebung zur Verfügung stellt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf wird entsprechend Masterplan am Campus platziert. Die viergeschossige Ausbildung des Baukörpers verleiht dem Gebäude eine angemessene Präsenz im Kontext der neuen Bibliothek. Der Eingang wird klar zum Campusplatz orientiert und durch einen Fassadenrücksprung im Erdgeschoss markiert. Dieser Rücksprung wird geschickt bis auf die Ostseite herumgeführt und fungiert als Überdachung des Wartebereichs an der Bushaltestelle.
Ausgehend vom Erdgeschoß wird der Entwurf in einen öffentlichen und einen halböffentlichen Bereich zoniert, die jeweils eine zentrale Halle bzw. einen Hof zugeordnet bekommen. Diese funktional plausible Unterteilung wird bis in die Fassade hineingetragen, so dass die Bereiche auch von außen ablesbar sind. Die differenzierte Fassadengestaltung wird kontrovers diskutiert. Letztlich erscheint die Fassade im Bereich der Seminarräume sehr ausgewogen, findet jedoch im Bereich der Büros ein abruptes Ende, wodurch der Baukörper in einer nicht nachvollziehbaren Weise unterteilt wird. Dadurch wird dessen ansonsten kraftvolle Wirkung sehr beeinträchtigt.
Der im Erdgeschoß befindliche Tagungsbereich als auch die abschließbare Ausstellungsfläche sind richtig angeordnet. In den Obergeschossen sind die Räume für Lehre und Forschung jeweils nebeneinander geplant und bieten damit positive Synergieeffekte. Die brückenartigen Kommunikationsflächen im Seminarbereich sind zu klein und wenig überzeugend. Die Anordnung der Erschließungstreppen ist ungünstig erfolgt, die Aufzüge sind schwer auffindbar. Der hallenartige, etwas steril wirkende Binnenraum kann deshalb nicht überzeugen.
Die Programmflächen sind leicht übererfüllt, zugleich sind die Flächen für das studentische Arbeiten unterschritten. Der Wettbewerbsbeitrag liegt – bezogen auf den vorgegebenen Kostenrahmen – in der vergleichenden Kostenbetrachtung über dem vorgegebenen Wert im erhöhten Bereich, im Mittelwert der Entwürfe jedoch leicht darunter. Das TGA- Konzept ist schlüssig und die zu erwartende Energiebilanz als gut bewertet. Das Gebäude kann wirtschaftlich errichtet werden. Die Energieeffizienzanforderungen des Landes Hessen können mit dem Wettbewerbsbeitrag gut erfüllt werden. Der Glasflächenanteil in der Fassade lässt darauf schließen, dass das Gebäude ohne besondere technische Aufwendungen konditioniert werden kann. Die vorgeschlagene PV-Anlage erscheint plausibel dimensioniert.
Im Ganzen wird mit dieser Arbeit ein schlüssiges Energiekonzept vorgelegt.
Insgesamt ein Entwurf mit hohen funktionalen Qualitäten, der jedoch in der gestalterischen Ausformulierung der Fassaden nicht überzeugt.