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Hochbauliches Konkurrenzverfahren | 04/2020

Neue Wohnbebauung auf den Hafeninseln II und III des ehemaligen Zollhafens in Mainz

Blick von Nordmole

Blick von Nordmole

1. Preis

Preisgeld: 36.000 EUR

HPP Architekten GmbH

Architektur

imagine structure GmbH

Tragwerksplanung

KRAFT.RAUM.

Landschaftsarchitektur

Corall Ingenieure GmbH

Brandschutzplanung

ISRW - Institut für Schalltechnik, Raumakustik, Wärmeschutz Dr.-Ing. Klapdor GmbH

Bauphysik

DS-Plan Ingenieurgesellschaft für ganzheitliche Bauberatung und Generalfachplanung GmbH

Fassadenplanung

Erläuterungstext

‘Wohnen an der Gracht‘

Die beiden Baufelder der Hafeninseln II und III – „Fischer“- und „Lotsenhof“ – liegen direkt am Mainzer Zollhafen und werden zudem von ‚Grachten‘ eingerahmt, die maritimen Charme nach Mainz bringen. Insgesamt entstehen 189 Wohnungen in identitätsbildenden Baukörpern, die nicht nur im Erdgeschoss einen Zugang zum Wasser, sondern ausnahmslos durch Gärten, Balkone oder Dachterrassen einen direkten Bezug zu diesem haben. Die auf den ersten Blick klassisch wirkenden Gebäude schöpfen die besonderen Qualitäten des Ortes durch darauf zugeschnittene Wohnungsgrundrisse und modern kombinierte Materialien aus.

Auf beiden Hafeninseln sieht der HPP-Entwurf eine nahezu geschlossene Blockrandbebauung vor. Eine großzügige Durchwegung verbindet die begrünten Innenhöfe mit dem Hafenbecken im Nordosten und stellt vielfältige Sichtbezüge her. Auf drei Seiten sind die Gebäudeblöcke vollständig von 8 m breiten ‚Grachten‘ gesäumt, zu denen nicht nur die Wohnungen im Erdgeschoss Zugang haben sollen. Der Entwurf von HPP sieht dafür Stege vor, die für alle Bewohner das Wohnen am Wasser erlebbar machen.

Gemeinsame Haltung
Der Entwurf wird dadurch charakterisiert, dass sowohl Fischer- als auch Lotsenhof den Rhythmus und die Materialität des Mainzer Zollhafens fortschreiben und so historische Bezüge herstellen. Beide Baukörper sind deutlich ablesbar in einzelne „Townhäuser“ gegliedert, was zu der gewünschten Individualisierung führt. Beide Höfe verfolgen eine farblich homogene Gestaltung mit einer Kombination aus Backstein und Betonfertigteilen - der Lotsenhof in hellen Beigetönen und der Fischerhof in rötlichen Farbtönen in Anlehnung an den Mainzer Sandstein.

Eigenständige Identität
Während beim Lotsenhof ein Sockel aus Fassadenpaneelen und die Obergeschosse in Klinker vorgesehen werden, verhält es sich beim Fischerhof umgekehrt. Der Lotsenhof zeichnet sich durch akzentuierte Balkonbrüstungen und eine feine Unterscheidung der Klinkerfarben aus, wodurch ein differenziertes und lebhaftes Erscheinungsbild entsteht. Der Fischerhof wird homogener gestaltet und gewinnt seine gestalterische Vielfalt durch einen Wechsel von plastisch gestalteten Mauerwerksdetails und flächigen Fassadenelementen. Analog zur Architektur unterscheiden sich die Freianlagen der beiden Inselbereiche in ihrem Gestaltungskanon und bieten den Anwohnern dadurch diverse Nutzungs- und Aufenthaltsqualitäten.

Um Mehrwerte für Nutzer, Umwelt und Quartier zu schaffen, wird eine Bauweise im Sinne der Circular Economy nach dem Cradle to Cradle® Prinzip vorgeschlagen. Materialien nach dem Kreislaufgedanken auszuwählen und einzusetzen würde nicht nur einen Mehrwert für die Umwelt, sondern auch einen Mehrwert für den Nutzer und das gesamte Quartier bedeuten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich durch ein besonders differenziertes und klug strukturiertes Erscheinungsbild der beiden Hafeninseln aus, die sich in ihrer Materialität und Anmutung besonders gut in das städtebauliche Umfeld und den Gesamtzusammenhang des Zollhafens einordnen. Die Mietwohnungen des Fischerhofs sind in homogener Farbigkeit aus großformatigen, sandsteinfarbenen Betontafeln auf einem Sockel aus Ziegelsteinen gefügt. Im Unterschied hierzu erhalten die Eigentumswohnungen im Lotsenhof eine Fassade aus Klinkervollziegeln, die durch eine unterschiedliche, aber harmonisch abgestimmte Farbigkeit der Klinker, feine Abstufungen in den Attikahöhen sowie leichten Vor- und Rücksprünge in den Fassaden kleinteilig strukturiert wird. Diese differenzierten Elemente werden von einem flächigen gestalteten Sockel aus Betonelementen zusammengefasst. Eine weitere Gestaltungsebene liegt in unterschiedlich gestalteten Fensterprofilen, Leibungen und Balkonbrüstungen. Dieses Maß an Differenzierung wird von der Jury sogar als etwas zu weitgehend betrachtet, eine Reduzierung wäre hier wünschenswert. Besonderes Geschick zeigt der Entwurf im Umgang mit der Erschließung: Zwar ist die Anzahl von 6 Treppenräumen in beiden Höfen relativ hoch. Dafür werden diese als platzsparende Regeltreppenräume angeboten. Die Frage des 2. baulichen Rettungsweges, die sich aufgrund fehlender Anleiterbarkeit nur im 3. Obergeschoss stellt, wird dort durch die Verbindung von je zwei Treppenräumen über die privaten Außenwohnbereiche erreicht. Diese würden im Brandfall als Fluchtweg für benachbarte Wohneinheiten genutzt, was im Normalfall jedoch zu keinen Einschränkungen der Privatheit führt. Die höhere Anzahl an Erschließungskernen erlaubt zugleich ein sehr hohes Maß an zweiseitig orientieren (»durchgesteckten«) Wohnungen, was besonders hohe Wohnqualitäten schafft. Die Wohnungszuschnitte werden als sehr klar strukturiert und gut nutzbar eingeschätzt, könnten jedoch teilweise noch kompakter organisiert werden. Der Schallschutz gegen Gewerbelärm wird durch Kastenfenster gewährleistet. Auf der Innenhofseite müssten diese in einigen Bereichen noch ergänzt werden. In den Tiefgaragen beider Höfe erlauben freigehaltene Tröge die Pflanzung auch größerer Bäume. Dies lässt vor allem langfristig eine besondere Aufenthaltsqualität, aber auch einen positiven klimatischen und ökologischen Beitrag erwarten. Die Differenzierung der Freibereiche zu den Grachten schafft sowohl private Außenwohnbereiche für die Erdgeschosswohnungen wie auch gemeinschaftliche Zonen für die anderen Hausbewohner. Dies wird von der Jury begrüßt. Um Nutzungskonflikte zu vermeiden, sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die gemeinschaftlichen Außenbereiche auf den Inseln von den öffentlichen Freibereichen des Loop räumlich klar getrennt sind. Die Grünbereiche an den Enden der Quergrachten sollen so gestaltet werden, dass die Durchblicke von der Straße »An den Grachten nicht beeinträchtigt werden. Ein relativ hoher Anteil an Wohnflächen bei gleichzeitig eher geringen Erschließungsflächen verspricht eine gute Wirtschaftlichkeit. Der geforderte Wohnungsmix wird mit gewissen Abweichungen grundsätzlich abgebildet. Insgesamt würdigt die Jury den Entwurf als besonders gelungenen Beitrag ein, der ein hohes Maß an zeitloser Gestaltungsqualität und feiner Differenzierung mit hohen Wohnqualitäten verbindet.
An den Grachten

An den Grachten

Grüner Innenhof - Fischerhof

Grüner Innenhof - Fischerhof

Ausblick Lotsenhof

Ausblick Lotsenhof