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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2020

Entwicklung und Gestaltung des ehemaligen Kasernengeländes in Germering

ein 3. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

Hagspiel Stachel Uhlig Architekten

Architektur

geiger & waltner landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

DR. SCHUETZ INGENIEURE Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB

Tragwerksplanung

Winfried Becker

Modellbau

Erläuterungstext

Nutzungsverteilung _ Bestand und Ergänzungsbau

Grundidee des Entwurfes ist es, den historischen Bestand als Zeitzeugnis zu respektieren und ihn dementsprechend zu nutzen und weiterzuentwickeln. Somit wurden die verschiedenen Nutzungsschwerpunkte entsprechend ihrer Eignung auf die unterschiedlichen Gebäudetypologien des ehemaligen Militärkomplexes verteilt. Dabei spielten sowohl die Gebäudestrukturen, als auch die örtlichen Gegebenheiten eine große Rolle. Das frühere Laborgebäude mit seinen hohen Räumen und der wechselnden Raum-Flur-Struktur bot sich an, um im Erdgeschoss ein Atelier-Austellungskonzept zu entwickeln - die einseitig belichteten Räume als Ateliers, die Flurflächen als Durchwegung und Ausstellungfläche zugleich. Im Obergeschoss fanden die musikalischen Nutzungen ihren Platz. Kunst und Musik als eine Einheit, die das Ensemble einleiten und dies auch in den Außenraum tragen können. Die Feuerwache ergänzt die Kunst- und Kulturnutzung. Hier können mit Abstand zum Hauptplatz Bands ungestört proben und Künstler kreativ tätig sein. Das ehemalige Verwaltungsgebäude konnte ohne größere Eingriffe zum Gründerzentrum umgestaltet werden. Im Erdgeschoss konnten auf Grundlage der vorhandenen Strukturen kleinere Einzeleinheiten angeordnet werden. Das Obergeschoss dagegen lässt Raum für gemeinschaftliche Büro- und Besprechungsräume in Studioatmosphäre. Die offene und großzüge Struktur der ehemaligen Fahrzeughalle wurde als multifunktionale Sporthalle, mit Anbindung an die freizeitlichen Außenflächen im Süden des Grundstückes, umgestaltet. Das Wachhaus mit dem bereits vorhandenen musealen Räumen wurde diesbezüglich weiterentwickelt und durch Verwaltungsräume und Einliegerappartements ergänzt. Wie schon zu früheren Zeiten bildet das Wachhaus dabei eine Art Pforte an der Haupterschließungsachse des Geländes. Da das Raumprogramm des Bürgerhauses nur schwer vereinbar mit den bestehenden Raumstrukturen und -größen war, fiel die Entscheidung für einen ergänzenden Neubau, der den Anforderungen eines Bürgerhauses als Treff- und Veranstaltungsort gerecht wird und das Ensemble zu einer Einheit ergänzt.


Städtebauliche Leitlinien _ Bauten und Freiflächen

Ziel war es die strengen militärischen Strukturen aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Dabei wurde sowohl der neue Baustein des Bürgerhauses, als auch ein begrüntes Außenraumelement gezielt gesetzt, um den davor nur ansatzweise spürbaren Platz als solchen zu fassen - ein neuer Platz als Zentrum des Gebäudeensembles, als Ort der Begegnung und Gemeinschaft. Die einzelnen Nutzungen der Gebäude orientieren sich zu diesem Kulturplatz und beeinflussen den Außenraum dementsprechend mit. Künstler und Gründer erhalten Ausstellungs- und Kreativflächen und eine Sport- und Freizeitfläche entwickelt sich aus der neuen multifunktionalen Sporthalle heraus. Das Bürgerhaus als Sonderbaustein orientiert sich in alle Richtungen und kann somit individuell, je nach Nutzung mit den Außenräumen agieren. Die nutzungsbezogenen Außenräume spiegeln in ihrer Materialität und Beschaffenheit die jeweilige Nutzung wieder und zeichnen sich als geometrische Felder auf dem Hauptplatz ab. Zusätzlich zoniert werden die einzelnen Nutzungsfelder durch unterschiedliche Höhenlagen. Der Hof der Kunst ist eine Erweiterung des ursprünglichen Lichgrabens und das neue Terrassendeck des Bürgerhauses hebt sich als Podest vom eigentlichen Niveau ab. Richtung Süden lösen sich die strengen Strukturen in natürlichere Formen und Außenanlagen auf. In die Landschaft eingebettete Sport-, Freizeit- und Veranstaltungsflächen komplementieren die vielfältige Nutzung des Quartiers.


Eingriffe _ Art und Intensität

Ziel der Planung ist es, auf die erhaltenswerten Bestandsstrukturen einzugehen und diese mit gezielten Eingriffen nutzbar zu machen. Angesichts der Erhaltung der Gebäude, werden bauphysikalische Eingriffe in den Innenräumen der Gebäude vorgenommen. So wird mithilfe von Dämmputz der Wärmedurchgangskoeffizient der Außenwände verbessert, das Obergeschoss durch eine Dämmung über der Sargdeckelkonstruktion aufgewertet und der Fußbodenaufbau im Keller mithilfe eines niedrigen, aber wirksamen Aufbaus erneuert. Durch diese schonenden Eingriffe wird der Bestand respektiert und zweckdienlich modernisiert. Um der Schallimmission der Autobahn entgegen zu wirken, werden die bestehenden Fenster erneuert und durch Schallschutzfenster ersetzt. Diese sind in ihrem Erscheinungsbild den alten Fenster angepasst. Spannende Räume und Interaktionen zwischen Nutzer und Besucher werden mit gezielten Eingriffen in die Gebäudesubstanz geschaffen. Verglaste Wandöffnungen, die sich aus dem Raster der bestehenden Strukturen herauslösen, gewähren sowohl Einblick in die Arbeitsräume und auf die Werke der Nutzer, als auch in die Freibereiche der Außenanlagen. Hieraus entsteht durch bewusst positionierte Interventionen in Bausubstanz und Gelände ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Gebäude und Außenraum. Diese Synthese bietet den verschiedenen Nutzern und Ihren Besuchern die Möglichkeit miteinander zu interagieren.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser greifen die strenge städtebauliche Struktur des ehemaligen Kasernenareals auf und versuchen die orthogonale Grundstruktur konsequent weiterzuentwickeln. Ein Baumhain im Norden und das neue Bürgerhaus im Süden komplettieren das vorhandene Gebäudeensemble und tragen zur räumlichen Fassung der zentralen Platzfläche bei. Im Preisgericht wird dabei so- wohl die Anordnung des Bürgerhauses im Süden kritisch diskutiert, als auch das Potenzial des Baumhains als räumliche Fassung des Platzes in Frage gestellt. Durch die städtebaulichen Setzungen in der nördlichen Grundstückshälfte kann der südliche Teil des Wettbewerbsumgriff in angemessener Art eher zurückhaltend und landschaftlich gestaltet werden.

Bei der Gestaltung der Freiflächen wird versucht, einen Bezug zwischen den Innen- und Außenräumen aufzubauen. Gut gelungen ist in diesem Zusammenhang beispielsweise der abgesenkte Skulpturengarten nordwestlich des Gebäudes G2 mit seinem Angebot an Atelierräumen. Ins- gesamt wirkt die Außenraumgestaltung aber sehr formalistisch und entspricht daher in weiten Teilen nicht dem landschaftlichen Charakter des Ortes. Das riesige Fontänenfeld, der großformatige Plattenbelag und die Vielzahl an Langbänken aus Beton wirken im bestehenden Kontext als unangemessene Freiraumelemente. Auch der Versiegelungsgrad der nördlichen Freiflächen ist deutlich überzogen.

Der kubische Neubau des Bürgerhauses mit seiner Fassade aus perforiertem Cortenstahl schafft einen bewussten Kontrapunkt zu den historischen Bestandsgebäuden. Positiv beurteilt werden die verglasten Wandöffnungen, die in den Gebäudebestand an geeigneten Stellen ergänzt werden, um den Innen-Außen-Bezug zu stärken und Interaktionen anzuregen. Die grundsätzliche Nutzungsverteilung innerhalb der Gebäude versucht auf die unterschiedlichen Gebäudetypologien Bezug zu nehmen, wobei die Zuordnung der Nutzungen nicht abschließend überzeugen kann. Innenräumlich bietet der Entwurf z.B. im Bereich des Gründerzentrums gute räumliche Qualitäten, angemessene Raumgrößen und eine gute Raumaufteilung. Ein zweiter baulicher Rettungsweg beim Saal des Neubaus im Obergeschoß fehlt.

Der kompakte Baukörper des neuen Bürgerzentrum lässt eine wirtschaftliche Umsetzung erwarten. Aus statischer Sicht werden einige der vorgeschlagenen Interventionen in den Bestandsgebäuden, wie das innen liegende Treppenhaus im alten Laborgebäude oder die Wanddurchbrüche im alten Wachgebäude, als sehr aufwendig beurteilt. Auch der hohe Versiegelungsgrad und die kostenintensive Ausstattungselemente im Freiraum können aus Aspekten der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit nicht überzeugen.

Insgesamt bietet der Entwurf mit seiner Konzentrierung der baulichen Maßnahmen im Norden einen interessanten Ansatz, kann jedoch in seiner formalen Strenge vor allem in der Freiraumgestaltung nicht überzeugen.