modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Konzeptvergabeverfahren | 02/2020

Wohnquartier „Wolfsbühl III“ in Remseck-Aldingen

1. Rang / Gewinner

STEINHOFF | HAEHNEL ARCHITEKTEN GmbH

Architektur

Projektbau Pfleiderer GmbH & Co. KG

Bauherren / Investoren

Ingenieurbüro Zeeh Schreyer + Partner

TGA-Fachplanung

MS Architekturmodelle

Modellbau

Erläuterungstext

Städtebauliche Konzeption
Konzeptioneller Grundgedanke des Entwurfs für das neue Wohnquartier „Wolfsbühl III“ ist es, ein unter architektonischen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten nachhaltiges Gebiet zu schaffen, das in der Stadtentwicklung Remsecks einen beispielgebenden Baustein bildet und über die Grenzen der Region hinaus Strahlkraft entwickelt. Durch eine besondere Architektursprache wird die Dachlandschaft zum charakteristischen Markenzeichen, das sich nicht nur optisch abhebt, sondern auch identitätsstiftend für eine Nachbarschaft wird, in der gesellschaftliches Engagement und soziales Miteinander einen wichtigen Stellenwert haben.
Vier längliche Baukörper bilden eine Randbebauung, die die Punkthäuser im Quartiersinneren rahmen und gleichzeitig eine ruhige Außenansicht herstellen, die an die Nachbarbebauung anknüpft. Die in der Umgebung vorherrschende Form des Satteldachs wird aufgegriffen, architektonisch neu interpretiert und für solare sowie räumliche Nutzung optimiert. Während sich die drei nördlichen Baukörper mit ihren doppelten Giebeln dezent in die Nachbarbebauung eingliedern, erschließen sich durch die asymmetrischen Dachformen innerhalb des Quartiers und von der Hangseite her überraschende Perspektiven und spannungsvolle räumliche Situationen.
Der einzig quadratische Baukörper wird zur neuen Quartiersmitte: Als soziale Plattform für den Nachbarschaftsaustausch beherbergt er die großzügigen Gemeinschaftsbereiche und bildet einen wichtigen Baustein für das Quartier.

Gebäudekonzept
Die schlichten Grundbaukörper unterstützen die Besonderheit der Dachlandschaft, die durch ihre Form und die vielfältige Nutzbarmachung zu einem Hauptakteur wird. Sämtliche südausgerichteten Dachflächen werden für Solarthermie genutzt, Ost- und Westflächen mit Photovoltaik-Modulen belegt und die Nordseiten als Biodiversitätsdächer ausgeführt. Durch Einschnitte werden die Dächer zum qualitätvollen Außenraum, der den Dachgeschosswohnungen zugeordnet ist. Gebäudehochpunkte orientieren sich stets zu den Quartiersplätzen und schaffen so einen räumlichen Wiedererkennungswert, der die Orientierung unterstützt. Bei der Fassadengestaltung variieren Klinker- und Putzflächen mit einer vertikalen Kammstruktur, durch ein gemeinsames Farbkonzept wird eine homogene Wahrnehmung des Gesamtensembles erzeugt. Balkone werden wie Schubladen aus den Gebäuden herausgezogen, wobei die Balkonbrüstungen als Pflanzkästen ausgeführt werden und die Begrünung der Außenanlagen in die Vertikale bringen.

Innere Organisation
Die neun Baukörper werden auf drei Bauabschnitte aufgeteilt, mit einem jeweils eigenen Tiefgaragenabschnitt. Die vier länglichen Wohnhäuser sind als Vierspänner organisiert, wovon die zwei Gebäude an der Lange Straße Sozialwohnungen beherbergen. Mit einer Anzahl von 25 von insgesamt 103 Wohnungen wird der geforderte Anteil von 20% deutlich überschritten, wobei die Belegungsrechte für 25 Jahre garantiert werden. Die Erschließung ist stets im Norden oder Osten beziehungsweise mittig in den Punkthäusern angeordnet. Alle Treppenhäuser führen in die jeweilige Tiefgarage, in der in übersichtlicher Anordnung sämtliche Nebenflächen sowie alle geforderten Parkplätze untergebracht sind.
Durch das Angebot von kleinen und großen Wohneinheiten wird die Grundlage für ein sozial und demografisch durchmischtes Wohnquartier geschaffen. Alle Häuser verfügen über einen Aufzug; somit können die barrierefreien Wohnungen im ganzen Gebiet auf die verschiedenen Häuser verteilt werden, um auch hier ein durchmischtes Angebot zu erzielen. Alle Wohnungen erhalten großzügig geschnittene Wohn- und Essbereiche, die sich zu einem Außenbereich mit Garten, Balkon oder Dachloggia orientieren.
In den länglichen Gebäuden können pro Ebene verschiedene Wohnungstypen ohne größere Umbaumaßnahmen über einen gemeinsamen Vorflur zusammengelegt werden und so beispielsweise für verschiedene Generationen einer Familie nutzbar gemacht werden. Eine gemeinsame Wohnungseingangstür ermöglicht Zusammengehörigkeit ohne auf die nötige Privatsphäre verzichten zu müssen. In den Punkthäusern bietet ein zuschaltbares Zimmer auf jedem Stockwerk zusätzliche Flexibilität und kann jeweils entweder einer 3- oder einer 2-Zimmerwohnung zugeschlagen werden. Dies ermöglicht eine funktionale Anpassung auf die aktuelle Wohnraumnachfrage und auf sich ändernde Bedürfnisse während des Lebenszyklus des Gebäudes.
Die Dachgeschosswohnungen sind großzügiger gehalten, was der aktuellen Marktlage und der Nachfrage gerecht wird. Durch die Dachform eröffnen sich attraktive Wohnräume, die durch die erhöhten Raumhöhen eine besondere Aufenthaltsqualität erhalten. Anhand der Grundrisse lassen sich die Dachformen herleiten: First- und Trauflinien orientieren sich an der Tragstruktur der Gebäude, so dass im Inneren saubere Kanten und einfache Geometrien entstehen.

Freiraumkonzept
Das Planungsgebiet steigt leicht zum angrenzenden begrünten Schallschutzwall an, der einen grünen Rahmen für das neue Stadtquartier schafft. Der bestehende Fußweg entlang des Walls wird gestalterisch in die Planung der Außenanlagen eingebunden und über urbane Gartenflächen, Wegabzweigungen und die Gebäudestellung mit dem neuen Gebiet verzahnt.
Schlüsselelement des Freiraumkonzepts ist die verkehrsfreie Planung des Quartiers. Jeglicher Alltagsverkehr wird aus dem Gebiet herausgehalten, lediglich für Gartenarbeiten, Müllabfuhr oder Umzugstransporte kann das Gebiet befahren werden. Paketdienste können ihre Lieferungen zentral abgeben; eine selbstfahrende Paketbox mit Elektroantrieb könnte die Pakete im Gebiet verteilen. Die beiden Tiefgarageneinfahrten sind an der Langen Straße im Norden angeordnet. Notwendige Feuerwehraufstellflächen und Zufahrten für die Rettung sind gewährleistet: Die entsprechenden Fahrgassen werden durch die Aufteilung in einen gepflasterten Fußweg und einen befahrbaren Grünstreifen aufgebrochen und dezent in die Außenanlagen integriert. Durch den Verzicht auf Autoverkehr können sich Kinder und Bewohner völlig frei und sicher im Quartier bewegen, was eine Grundlage für die Entwicklung eines positiven Nachbarschaftsgefühls bildet. Die Kita erhält einen großzügigen Vorbereich als Pufferzone zu den Stellplätzen, so dass die Kinder in Ruhe verabschiedet werden können und gefahrenlos vom Auto zum Kindergarten gelangen.
Der quartierseigene Spielplatz orientiert sich zur Kita hin und bildet den Auftakt zu den zwei folgenden Quartiersplätzen, die durch die Gebäudestellung definiert werden. Das Erdgeschoss des zentralen Punkthauses beherbergt großzügige Gemeinschaftsbereiche mit Kochgelegenheit, die für nachbarschaftliche Veranstaltungen und Feste, Workshops, Vorträge und Ähnliches genutzt werden können. Durch die transparente Gestaltung als gläserner Gebäudesockel wird zwischen den beiden Quartiersplätzen vermittelt; gleichzeitig wirken die Flächen im Erdgeschoss wie eine überdachte Erweiterung der Platzflächen, so dass eine zusammenhängende Gemeinschaftsfläche entsteht, die Innen- und Außenraum miteinander verbindet. Baumhochbeete mit integrierten Sitzgelegenheiten zonieren die großen Platzbereiche und schaffen eine dem menschlichen Maßstab angemessene Kleinteiligkeit.
Alle nordausgerichteten Dachflächen werden als Biodiversitätsdächer ausgeführt: Die naturbelassenen, pflegearmen Extensiv-Begrünungen bilden wichtige Rückzugsräume für Tier- und Pflanzenarten und können den Verlust von Lebensraum durch Bodenversiegelung kompensieren. Abgestorbene Äste und Stämme auf den Dächern werden zum Habitat für Insekten und bieten einen Unterschlupf für Fledermäuse oder Vögel.

CO2-neutrales Wohn- und Energiekonzept
Ziel des Energiekonzeptes ist es, einen hohen Wohnkomfort und eine hohe Behaglichkeit für die Bewohner zu schaffen und gleichzeitig eine niedrige CO2-Emission zu verursachen. Die Wärmeversorgung erfolgt mittels einer hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung und wird durch thermische Solarkollektoren auf den südorientierten Dächern ergänzt. Die zusätzlichen Photovoltaik-Module auf den Ost und West orientierten Flächen ergänzen die Stromerzeugung nachhaltig. Der benötigte Strombedarf der Gebäude kann zu nahezu 100% durch die Stromerzeugung aus den Photovoltaik-Modulen gedeckt werden. Überschüssiger Strom zu Spitzenzeiten kann zum Laden von Elektroautos und Fahrrädern verwendet werden.
Die Wohngeschosse weisen kompakte Wohneinheiten auf, was zu niedrigen Wärmeverlusten im Winter führt. Durch die optimale Ausrichtung der Wohnungen wird der natürliche Sonnenlichteintrag maximiert. Somit können die Stromkosten für Beleuchtung gemindert und solare Gewinne im Winter zur passiven Beheizung genutzt werden. Da ein Großteil der Wohnungen Anschluss an zwei Fassadenfronten hat, kann mit einer natürlichen Querlüftung die Luftqualität der einzelnen Wohnungen maximiert werden. Für eine optimale Trinkwasserhygiene wird das Wasser dezentral mittels Einzelstationen in jeder Wohnung erwärmt.
Durch den hohen Begrünungsanteil auf den Dächern und im Hof, wird der versiegelte Flächenanteil auf ein Mindestmaß reduziert; dies sorgt für ein verbessertes Umgebungsklima und bietet Ersatzlebensräume für Flora und Fauna. Retentionsflächen werden im Gebiet in die Außenanlagen integriert ausgebildet.

Fazit
Das entwickelte architektonische und freiraumplanerische Konzept schafft einen ganzheitlichen Ansatz aus Städtebau, Fassadenqualität, Grundrissvarianz und Energieoptimierung. Die vielfältige Nutzbarmachung der Dachflächen bietet eine zukunftsorientierte Antwort auf das steigende Bewusstsein für Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit. Dadurch wird das neue Quartier zu einem attraktiven Wohnort mit nachhaltigen Qualitäten für die Bewohner und zu einem beispielgebenden Projekt mit Markencharakter für Remseck und die Region.

Beurteilung durch das Preisgericht

Durch die Gebäudestellung entlang der Lange Straße und der Ostseite wird eine differenzierte Raumkante mit verschiedenen Gebäudetypologien geschaffen. So können im Inneren die Bau-körper in Form von Punkthäusern frei platziert werden. Eine gute Durchwegung mit zwei ver-kehrsfreien Quartiersplätzen entsteht, die Gemeinschaftsräume werden den Plätzen zugeord-net. Das Ensemble der Gebäude fügt sich gut in das Grundstück ein. Der zentrale Quartiersplatz stellt ein verbindendes Element für alle Bewohner dar und kann zu einer hohen Identifikation der Bewohner mit dem Quartier führen. Es entsteht ein erlebbarer privater Innenbereich. Die etwas enge Gebäudestellung zwischen dem innenstehenden Baukörper und dem nördlich davon plat-zierten, sollte noch überarbeitet werden.
Alle Gebäude weisen baurechtlich eine 4-Geschossigkeit auf, durch die geneigten Dächer wir-ken die Gebäude verträglich. Die Dachform orientiert sich an der Umgebungsbebauung
Von den Treppenhäusern sind 2 bis 4 Wohnungen erschlossen, die Grundrisse sind im Hinblick auf die Größe flexibel gestaltbar. Wohnungen können miteinander kombiniert werden (Genera-tionenwohnen).
Die Orientierung der Wohnräume findet entweder nach Süden oder Westen statt, so dass eine gute Belichtung gegeben ist. Durch die Differenzierung der Dachlandschaft entstehen attraktive individuelle Dachwohnungen. Alle Gebäude sind über Aufzüge erschlossen. Insgesamt entste-hen 102 Wohnungen, davon 24 Sozialwohnungen und 32 Mietwohnungen, so dass eine breite Bevölkerungsschicht angesprochen wird. Die Sozialwohnungen entstehen in zwei Gebäuden entlang der Lange Straße, haben jedoch die gleiche architektonische Qualität.
Der Anteil von Öffnungen und geschlossenen Fassadenanteilen ist ausgewogen. Der Verfasser zieht die Balkone bewusst wie Schubladen aus den Gebäuden, um die Begrünung in die Verti-kale zu bringen.
Die Glasfassade der Gemeinschaftsräume verbindet innen und außen und steht für die Trans-parenz (niedrigschwelliges Angebot).
Die Dachflächen bieten Raum für Photovoltaik und Dachbegrünung, je nach Ausrichtung. Der Verfasser hat sich intensiv mit dem energetischen Konzept befasst und strebt ein Co² neutrales Gebiet an. Die Dachform wird kontrovers diskutiert.
Tiefgarage und Fahrradabstellplätze sind mit E-Ladesäulen ausgestattet. In der Tiefgarage sind mehrere Räume für Fahrräder und Müll dezentral angeordnet.
Im Quartiersinneren befinden sich drei große Spielflächen, mit unterschiedlicher gestalterischer Ausprägung. Fußwege vernetzen gut die öffentlichen mit den privaten Freiflächen. Die Fußwege sind mit ca. 6 % barrierefrei gestaltet. Private Freiräume sind den Erdgeschossen funktional zugeordnet, zusätzlich stehen 3 Gemeinschaftsgärten für die Bewohner zur Verfügung.
Die Tiefgaragen werden mit zwei Zufahrten direkt von der Lange Straße aus erschlossen, öf-fentliche Verkehrsflächen sind auf das Minimum optimiert, so entsteht ein autofreies Quartier. Die PKW-Erschließung der KiTa und der Fußweg zur KiTa überlagern sich. Dies ist noch zu überarbeiten, so dass Kinder nicht von PKW gefährdet werden können.
Eine schlüssige Gesamtkonzeption mit guter Adressbildung. Keine Abschottung, sondern gute Einbindung in die künftige Nachbarschaft.