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3. Rang 4 / 4

Mehrfachbeauftragung | 03/2020

Neubau eines Bürogebäudes auf dem west.side Areal in Bonn

4. Rang

RKW Architektur +

Architektur

Erläuterungstext

DAS ZIEL:
NEUES LEBEN STATT ALTER INDUSTRIE
Nach dem Wegzug des Klebstoffproduzenten Arkema soll auf dem 60.000 m2 großen Areal in Bonn-Endenich neues, vielseitiges und modernes Leben einziehen – mit großer Sensibilität gegenüber der Historie des Standorts. Geplant ist ein lebendiges Stadtquartier, das attraktiven Wohnungsbau und Gewerbeflächen verbindet und Heimat zukunftsgewandter Unternehmen oder Institutionen wird. Ob Start-up oder Behörde, ob Forschungsinstitut oder Kreativagentur – auf dem Baufeld MI 2 bieten wir ihnen ein angemessenes Umfeld.

DER STÄDTEBAU:
RESPEKTVOLLE VERSTÄRKUNG
Unsere städtebaulich-gestalterische Leitidee knüpft an das bestehende Laborgebäude und das Pförtnerhaus an. Deren Materialien Ziegel, Stahl und Glas und die prägende formale Vertikalität des Laborgebäudes setzen starke Akzente für diesen Ort. Mit unserer Gestaltung des neuen Gebäudes machen wir nun aus dem Duo ein Trio – wir fügen dem Hauptplatz einen starken Mitspieler mit ausgeprägtem Industriecharakter hinzu. So stärken wir die Identität des gesamten Entrees zum Areal von der Siemensstraße aus. Gleichzeitig schlagen wir eine Brücke zum südlichen Nachbarschaftsplatz mit dem sanierten Siloturm.

DIE FASSADENGESTALTUNG (1):
EINFÜGEN UND HERAUSSTELLEN
Um das Gebäude harmonisch in das Gesamtbild des Areals zu integrieren und ihm gleichzeitig eine starke Eigenständigkeit zu verleihen, greifen wir bei der Fassadengestaltung zu mehreren Maßnahmen. Im ersten Schritt nehmen wir die vertikale Pfeilerfassade des benachbarten Laborgebäudes auf und legen auch über unseren Baukörper ein vertikales Großraster. Es besteht aus 80 Zentimeter breiten Bändern, die als drei Zentimeter flaches Relief aus der Fassade heraustreten.
Als nächstes lassen wir durch horizontale Bänder im Zusammenspiel mit den vertikalen Elementen die Anmutung einer Flechtstruktur entstehen, die wir durch einen farblichen Dreiklang aus den Gestaltungsleitlinien unterstützen. So werden die vertikalen Elemente in einem hellen Braunton gehalten, die horizontalen Bänder in einem Dunkelbraun und die Fenster und Fensterbänder in Anthrazit. Das Resultat ist eine räumliche, illusionistische Fassadengliederung – ein spannender visueller Eindruck entsteht.

DIE FASSADENGESTALTUNG (2):
STAFFELN UND GLIEDERN
Diese Grundidee der Fassadengestaltung nutzen wir auch, um die vorgefundene Höhenstaffelung der Gebäudeteile zu unterstützen. Mit Hilfe von jeweils unterschiedlich intensiven Fassadenbildern gelingt eine Differenzierung: Der viergeschossige U-förmige Gebäudeteil erhält ein relativ weites Raster, welches im sechsgeschossigen Hauptgebäudeteil deutlich dichter wird. Beim eingeschossigen Veranstaltungssaal steigert sich die Dichte der „gewebten“ Struktur noch weiter, um in den jeweiligen Erschließungsbereichen dann in der engmaschigsten Struktur zu gipfeln. Diese Dramaturgie wirkt als weitere Unterstützung der Gebäudewahrnehmung – Menschen werden dadurch gezielt zu zentralen Bereichen gelenkt.
Außerdem gliedern wir die Großform in einzelne Abschnitte, indem wir Gebäudeteile differenzieren und auch die Erschließungsbereiche als vertikale Zäsuren in der Fassade nutzen – und damit gleichzeitig auch die innere Gebäudestruktur von außen ablesbar machen. So wird der Eindruck des Gebäudes als Ensemble gestärkt.

DIE FASSADENGESTALTUNG (3):
WIRTSCHAFTEN UND WIRKEN
Unsere Fassade ist nicht konstruktiv-tragend, sondern eine Bekleidung. Wir setzen bei ihrer Umsetzung auf maximale Wirtschaftlichkeit – die Bänder werden lediglich durch ein verputztes WDVS gebildet – mit maximaler optischer Wirkung. Neben dem Putz gibt es als zweites Grundmaterial nur noch das Glas und Metall der Fenster. Mit dieser Reduktion binden wir unsere Fassade zwar optisch an den Industriebau des benachbarten Laborgebäudes an, bleiben aber eigenständig und
authentisch.

DER GRUNDRISS:
ÖFFNEN UND EINLADEN
Bei unserer Überarbeitung des Erdgeschosses lag der Fokus auf größtmöglicher Transparenz und einem funktionalen Ineinandergreifen aller Bereiche. Wir haben die Räume geöffnet und fließende Übergänge zwischen Foyer, Empfang, Lounge und Café bis zum Veranstaltungssaal gestaltet. Dadurch sind nun durchgängige Blickbeziehungen zwischen Innen und Außen möglich – vom städtischen Platz durch das Foyer bis in den grünen, baumbestandenen Innenhof mit der Außenterrasse, oder vom eingeschossigen Foyer in den deutlich höheren, großen Saal. Auch ist der Saal nicht nur teilbar, sondern auch durch eine Reihe Türen weit zu öffnen. Ebenfalls kann der Seminarraum mittels großer Über-Eck-Schiebetüren großflächig geöffnet werden, so dass eine einzige, sehr großzügige Event-Fläche geschaffen werden kann. Außerdem sorgt ein neuer Erschließungskern für reibungslose Verteilung, während das Café eine zentrale Bewirtung aller Bereiche ermöglicht.

DER AUSSENBEREICH:
DEFINIEREN UND VERBINDEN
Aufgrund leicht unterschiedlicher Höhenniveaus und der nötigen Abgrenzung zu den umliegenden
Fuß- und Radwegen kommt auch dem Gebäudesockel eine Bedeutung zu.
Ein höher liegendes Vegetationspodest umgibt hier die Gebäudeteile und schafft eine klare
Objektkante zu den angrenzenden öffentlichen Freiflächen. Wir führen nun auf diesem bis zu 75 Zentimeter hohen Podest das Fassadenthema des Flechtwerks mit Hilfe von verwobenen und klar geordneten Pflanzstrukturen weiter. Diese Grünstrukturen stehen in einem Kontrast zu den übrigen Pflanzzonen, die durch frei wachsende Bodendecker-, Stauden- und Gräserpflanzungen geprägt sind.
Im Innenhof sind vereinzelte Baumgruppen geplant, die in einer modellierten Rasenfläche stehen, außerdem gibt es einen formalen Vegetationsbereich rund um die Terrasse. Ein Gartenweg verbindet den Innenhof mit dem Vorplatz des Haupteingangs. Diese dem städtischen Platz zugewandte Gebäudeecke bildet auch die Hauptadresse des Gebäudes. Hier haben wir eine Rampe für Rollstuhlfahrer mit einer großzügigen Treppe positioniert. Auch die Seiteneingänge des Gebäudes werden mit flacheren Treppen sowie Bepflanzungen im Flecht-Muster begleitet. Damit lassen wir die Fassadengestaltung in die Außengestaltung übergehen und schaffen ein ganzheitliches, kohärentes Bild.

DIE KONSTRUKTION
REDUZIEREN UND ORDNEN
Grundlage für die vorgeschlagene Fassadenkonstruktion ist die Änderung des statischen Systems im Bereich der Fassade. Die im Vorkonzept vorhandene Stützenstellung im Raster 1,35m wird zugunsten einer Stützenstellung im Raster von 5.40 m und dazwischenliegenden Beton-Fertigteilbrüstungen verändert. Die innenliegenden Stützen sind axial auf das Raster der Fassadenstützen abgestimmt. Insgesamt entsteht ein effizientes, wirtschaftliches Tragwerkssystem. Aufgrund der Stützenstellung können vorgefertigte Fensterelemente geplant werden, deren Transport und Einbau sich wirtschaftlich realisieren lassen und zu einer Minimierung der Fassaden-Rohbauanschlüsse führen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf bietet eine Fassadenlösung mit Differenzierung in der Länge der Gebäudeansichten, die durch wechselnd ausgerichtete und verdichtete Farbigkeit von Fassadenfeldern erzeugt werden. Diese Gestaltung verzichtet auf jegliche Spannung in der Tiefe. Die dargestellte Verflechtung bleibt somit leider an der Oberfläche. Die Haltbarkeit und Brillanz der Farbigkeit wird auf Grund der gewählten Materialität hinterfragt. Die in der Herleitung des Motivs dargestellte einfache Vertikalität aus dem industriellen Kontext wie in den niedrigen Gebäudeteilen wurde mit der Überformung leider nicht konsequent weiterverfolgt.

Der weiterentwickelte Grundriss im Eingangsbereich ermöglicht den Durchblick in den Innenhof und erzeugt damit eine gelungene Öffnung des Gebäudes von außen nach innen und umgekehrt. Die Trennung des großen Saals an der nun vorgesehenen Stelle führt zu einer Dysfunktionalität da die Säle nicht unabhängig voneinander betrieben werden können.

Das Thema des „Flechtwerks“ in der Fassade am Platz und der starke Sockel mit seiner imposanten Treppenanlage grenzen nach Einschätzung des Gremiums sowohl architektonisch als auch förmlich zu stark vom Platz ab.

In der Summe erscheint die gute Idee mit einer klaren Gliederung durch bescheidene Mittel und damit hoher Wirtschaftlichkeit eine Körnigkeit, Vielfalt sowie Erscheinung mit Bezug zur postindustriellen Gegebenheit zu generieren, verloren gegangen zu sein.
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