modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 06/2020

Städtebauliche Gestaltung des Entwicklungsgebietes "Jüchen-West"

Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

ISR Innovative Stadt- und Raumplanung GmbH

Stadtplanung / Städtebau

studio grüngrau Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

Leinfelder Ingenieure GmbH

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

„Leitbild“
Die Co2-neutrale Zukunft Jüchens, die postcarbone steht vor der Tür und wird mit dem vorliegenden Projekt einen Initiierungs- und Impulsgeber finden. Stichworte sind nachhaltige Mobilität, kurze Wege, Verzahnung von Wohnen und Arbeiten, eine Co2-neutrale Energie- und Wärmeversorgung sowie ein nachhaltiges und biodiverses Umweltmanagement. Die zukunfstorientierten Herausforderungen werden durch die Stärkung des Gemeinschaftschaftsgedankens gemeistert. Mobilität wird geteilt oder neudeutsch gesagt „geshared“, die Energie- und Wärmeversorgung funktioniert Co2-neutral und wirtschaftlich durch gemeinsame Anlagen.
Die wohnbaulichen Entwicklungen vollziehen sich kompakt im Nordwesten, während sich nur wenige hundert Meter
südlich neue Arbeitswelten am InitiierungsCampus am Bahnhaltepunkt entwickeln. Der wiedergewonnene
Landschaftsraum südlich der großen Verkehrstrassen wird über eine neue Landschaftsbrücke erschlossen und inszeniert, so dass das Innovation Valley als neuer Stadtbaustein Jüchens entsteht und mit der historisch gewachsenen Struktur verzahnt wird.

„Städtebauliche Einbindung“
Das Ziel der Integration sowie der Vernetzung der neuen Siedlungsstrukturen in die gewachsene Stadt wird mit einem gut durchdachten städtebaulichen Grundgerüst erreicht, das robust und gleichzeitig flexibel in Bezug auf die möglichen Nutzungen ist. Das städtebauliche Grundgerüst wurde so entwickelt, dass die vorhandene Siedlungsstruktur sinnfällig, logisch und kleinteilig ergänzt wird. Grünräume gliedern, strukturieren und verbinden die freie Landschaft mit den siedlungsinternen Freiräumen.

„Orts- und Landschaftsbild“
Klare bauliche Kanten bei den jeweiligen Bauabschnitten stellen auch bei der abschnittsweisen Realisierung des Projektes einen sinnhaften und temporären Siedlungsabschluss als „Ortsrand auf Zeit“ dar.

„Innovativer Wohnungsbau“
Durch die Vielfalt an Lebensstilen und Kulturen ist die Nachfrage nach zeitgemäßen, flexiblen Wohnungen und generationenübergreifenden Wohnprojekten groß. Das Konzept bietet Raum für Innovation in Architektur und Städtebau, sodass Vorschläge für innovative individuelle und auch gemeinschaftsorientierte Wohnformen Platz finden. Der gemeinschaftliche Charakter wird durch Nachbarschaftsplätze zum sozialen Austausch, Quartiersmittelpunkte, Aussichtspunkte, Sport-, Bewegungs- und Spielflächen hervorgehoben.

„Soziales Miteinander / öffentliches Leben“
Von besonderer Relevanz ist die Ermöglichung von Begegnungsorten für ein soziales Miteinander. Das Freiraumkonzept übernimmt hier eine zentrale Rolle. Die Lebensqualität in Jüchen ist hoch, der Maßstab ist der Mensch. Der Freiraum fördert den sozialen Austausch und schafft somit öffentliches Leben, indem er z.B. zum gemeinsamen „Aktiv-sein“ einlädt. Die Wohnhäuser orientieren sich zum öffentlichen Raum, um durch die soziale Kontrolle ein grundlegendes Maß an Sicherheit zu schaffen. Das Gemeinschaftgefühl ermöglicht das Co2-freie Leben. Mobilitätsangebote werden geteilt und gemeinsam genutzt. Die Energie- und Wärmeversorgung wird über gemeinsame Anlagen wirtschaftlich möglich.

„Zukunftsfähige Mobilität“
Infolge der angestrebten Reduktion der räumlich wirksamen Funktionstrennung, der veränderten Alltagsorganisation der Haushalte durch Anpassung von intermodaler Verkehrssysteme sowie der Wiederentdeckung der Straßen als öffentliche Aufenthaltsräume ergeben sich für Jüchen neue Chancen. Für die Bürger/Innen werden attraktive Rad- und Fußwegeverbindungen geschaffen. Große Synergien identifiziert der Entwurf hier am Bahnhaltepunkt und neuen Initiierungs-Campus (ehem. Raiffeisen-Gelände) für Mobilitätspunkte Logistik-Hubs und Paketverteilstationen.
Die Erschließung der einzelnen Nachbarschaften wird „taschenförmig“ an die Hauptsammelstraße angehängt und so entwickelt, dass die Straßenräume nicht nur als Erschließung, sondern auch als Kommunikationsraum, als zufälliger Treffpunkt und als Mittelpunkt einer lebendigen Nachbarschaft fungieren.
Eine neue Buslinie wird durch das Plangebiet über die ausschließlich für Fußgänger/Innen, Radfahrer/Innen und Bus freigegebene Verbindung nach Süden bis zum Bahnhaltepunkt geführt. Ergänzt mit Carsharing-Angeboten wird das eigene Auto im Plangebiet schnell überflüssig.
Besucherparkplätze werden in die öffentlichen Straßenräume integriert. Dabei wird darauf geachtet, dass die Parkplätze keine dominierende Wirkung im Straßenraum einnehmen und dennoch „zielnah“ angeordnet sind. Die privaten Stellplätze können in ausreichendem Maß auf den jeweiligen Baugrundstücken angeordnet werden.
Die Straßenräume werden so dimensioniert und konzipiert, dass der langsame Verkehr (Fuß- und Radverkehr) ausreichend Bewegungsraum erhält und Störungen durch fahrenden und parkenden MIV auf ein Minimum reduziert werden.
„Klimafeste Stadtentwicklung, klimagerechte Energieversorgung, Jüchen Co2-neutral“
Der Klimawandel und die angesichts der Erhöhung durchschnittlicher Temperaturen erforderliche Klimaanpassung erfordern eine auf die Zukunft ausgerichtete, klimafeste Planung. Über die heute geltenden und üblichen Vorschriften und Maßnahmen hinausgehend werden belastbare Vorschläge für die Realisierung eines „klimafesten Stadtgebietes“ unter Beachtung von klimawirksamer, energiesparender städtebaulicher Typlologie und Orientierung gemacht.
Die kompakte Konzeption der jeweiligen Nachbarschaft / des jeweiligen Bauabschnittes ermöglicht die wirtschaftliche Errichtung eines gemeinschaftlichen Nahwärmenetzes, welches z.B. durch ein Blockheizkraftwerk gespeist wird. Ein Eis-/ Wasserspeicher könnte als Puffer in das Konzept mit eingebunden werden und das System als „kalte Nahwärme“ komplettieren.
Der erzeugte Strom wird der Gemeinschaft zum Laden der E-Autos und E-Bikes zur Verfügung gestellt. Die Dachflächen der einzelnen Wohngebäude sind so konzipiert und ausgerichtet, dass jedes Haus eine der Sonne zugewendete Dachfläche hat, die mit Photovoltaikanlagen genutzt werden kann. Eine Vernetzung der einzelnen Anlagen mit der Nahwärmeanalage wird vorgeschlagen.
Die Grünräume bieten ausreichend Platz, Versickerungsflächen für das gesamte Regenwasser des Siedlungsgebietes aufzunehmen.

„Freiflächen / Landschafstraum“
Vielfältige Grünräume bilden das Rückgrat der Siedlungsstruktur. Die vorhandenen Grünstrukturen werden ergänzt und zu einem biodiversen Grünraum weiterentwickelt. Der Zugang zu diesen Landschaftsräumen ist aus allen Nachbarschaften möglich, so dass kurze Wege garantiert sind. In den Grünräumen werden mehr als 2.000 m² Spielflächen an zentralen Orten integriert.
Ein attraktives Fuß- und Fahrradwegenetz verbindet das neue Gebiet mit den angrenzenden Stadt- und Landschaftsräumen.
Kleinere Plätze in den einzelnen Bereichen sowie der zentrale große Spielplatz laden zum Verweilen ein.
Fließende Übergänge zwischen öffentlichen und privaten Räumen in Form von Straßenaufweitungen, Höfen, (Taschen-)Plätzen verbinden das Wohnen mit dem Freiraum.
Die Grünräume sind abwechselungsreich gestaltet und bieten vielfältige Flächen zur eigenen Aneignung.
An den Siedlungsrändern geht die Struktur unter Berücksichtigung und Einbeziehung der bestehenden Gehölze in den Landschaftsraum über. Dabei wird der bestehende Landschaftsraum sensibel erweitert um zusätzliche Räume zu aktivieren. Die Fläche der ehemaligen röm. Villa wird dabei nicht verändert. Am nördlichen Rand entsteht ein neuer Platz, der Informationen über das Bodendenkmal beinhaltet.
Um zukünftigen Starkregenereignissen entgegenzuwirken und den Wasserhaushalt insgesamt zu verbessern, wird das Regenwasser über Mulden und Entwässerungsgräben in den Grünzonen hin zu den Regenrückhaltebecken geleitet.
Im Gegensatz zum biodiversen, organischen Grünraum werden die Straßenräume der Nachbarschaften mit einer formelleren Grünstruktur wie Baumreihen und Alleen pointiert. Dies sorgt gleichzeitig für das Vernetzen der vorhandenen Freiflächen mit der neuen und bestehenden Siedlungsstruktur sowie für eine Gliederung und Akzentuierung der Nachbarschaften.

„Nutzungsoffenheit“
Das Konzept ist offen und ermöglicht Flexibilität gegenüber sich verändernden Bedürfnissen (generationenübergreifende Planung), abschnittsweise Bebauung (z.B. mit Erhalt von temporär oder dauerhaft nutzungsoffenen Flächen).
Das Plangebiet ist in mehrere Nachbarschaften / Bauabschnitte gegliedert, welche unterschiedlich unabhängig voneinander entwickelt werden können. Ein schlüssiges Orts- und Landschaftsbild ist auch während der schrittweisen Realisierung immer gegeben.
Es entstehen gemischte vielfältige Nachbarschaften mit unterschiedlichen Wohntypologien. In der Summe ermöglicht das Konzept ca. 700 Wohneinheiten. Davon sind ca. 200 Wohneinheiten im Geschosswohnungsbau vorgeschlagen. Besondere Wohnangebote z.B. für Familien / Senioren / Mehrgenerationen-Wohnungen sind gut in die vorgeschlagenen Stukturen integrierbar.
Innerhalb der Nachbarschaften / Bauabschnitte werden die Grundstückstiefen so entwickelt, dass eine flexible Nutzung möglich ist. Jede Nachbarschaft zeichnet sich durch einen Mix unterschiedlicher Bautypologien aus, die flexibel gemischt werden können. Um ein harmonisches Gestaltungsbild zu wahren, schlagen wir vor, die Auswahl an Materialien zu begrenzen. Passend ist das Ziegel-Mauerwerk, welches im Detail mit weißem Putz oder Holz ergänzt wird.
Der Wettbewerb mündet in eine Angebotsbebauungsplanung, so dass die weitere Entwicklung von verschiedenen Eigentümern abhängen wird. Die städtebauliche Struktur ist in der Lage die bestehende Parzellierung zunächst zu integrieren und gleichzeitig eine schrittweise Überplanung im Sinne des neuen städtebaulichen Konzepts zu ermöglichen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit mit dem aufmunternden Titel „Jüchen Go“ zeigt einen prägnanten städtebaulichen Entwurf mit interessanten Ansätzen für die Entwicklung eines Zukunftsquartiers an der Westflanke Jüchens.
Gezeigt wird ein klar und eindeutig erschlossener neuer Siedlungsbereich, der über vier zur Landschaft hin sich öffnende Clustern stark mit der Umgebung verzahnt ist. Die so entstehenden Freiraumkorridore werden grundsätzlich positiv bewertet, allerdings in ihrer Ausformulierung als zu großzügig eingestuft, da die geforderte Zahl an Wohneinheiten auf der verbleibenden Fläche die Anforderungen nicht erreicht. Die Ausformulierung der einzelnen Cluster wirkt sehr gleichförmig und wiederholt; eine jeweils eigene innere Qualität wird vermisst. Die Beibehaltung des RRB am Quartierseingang hätte zugunsten einer stärkeren städtebaulichen Figur verändert werden können.
Der Umgang mit dem umgebenden Landschaftsraum ist angemessen und lässt Raum sowohl für Land-schaftserleben und Freizeitnutzung als auch das Regenwassermanagement. Ob das Niederschlagswas-ser unter den topografischen Gegebenheiten wir dargestellt geleitet werden kann, wird allerdings be-zweifelt.
Sehr gelungen ist die Positionierung der KITA in der Mitte des Quartiers, diese verleiht dem angrenzen-den Quartiersplatz eine angemessene Fassung und Funktion. Die westliche Platzkante verliert durch die Öffnung zum Freiraumkorridor demgegenüber an Kraft; so kann die städtebauliche Formulierung der Quartiersmitte nicht vollständig überzeugen.
Die vorgeschlagene Führung des ÖPNV durch den südlich angrenzenden Landschaftsraum wird kritisch bewertet, da so eine Anbindung des Bestandsquartiers an die Buslinie nicht möglich wird.
Lageplan Jüchen-West

Lageplan Jüchen-West