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Werkstattverfahren | 02/2020

Wohnen am Bayerischen Bahnhof - Entwicklung von Mehrfamilienhäusern in Leipzig

3. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

däschler architekten & ingenieure gmbh

Architektur

Erläuterungstext

Plastisch geformte Volumina - scheinbar zufällig abgestellt - bieten sich gegenseitig und der Umgebung die maximale Durchlässigkeit zum Park hin. Mehr noch: Das reißverschlussartige Wechselspiel aus Hof zur Stadt und Nische zum Park ermöglicht Adressbildung für alle Baukörper, ein Verzahnen mit dem Park und die Aufweitung der Engstelle an der Südspitze. Die historische Bahnhofsnutzung findet hintergründige Anspielungen im Gestaltungskanon und den (wieder-)verwendeten Materialien.


Städtebau – Grün für alle

Die neue Bebauung sieht sich als Teil des grünen Parkes. Sie ermöglicht durch die freibleibende Südostecke einen großzügigen Übergang der Grünzonen aus dem südlichen Parkbereich in den nördlichen. Mit der versetzt offenen Bauweise bleiben der vorhandenen Bebauung an der Kohlenstraße die Blicke ins Grüne maximal erhalten. Vom Gehweg Kohlenstraße zum Park hin, vollzieht sich der Übergang zwischen den Häusern – ähnlich der historischen Situation - über sich auflösende Flächen, gebaut aus dem wieder verwendeten Pflaster des Güterbahnhofes.

Die Paul-Gruner-Straße bekommt Ihren Point-De-Vue aus der Gestaltung der städtebaulichen „Kerbe“ zwischen den Bauabschnitten Realisierungsteil und der nördlichen Bebauung des Ideenteils. Hier erfolgt einer der öffentlichen Zugänge in den Park. Der städtebauliche Abschluss der Shakespearestraße und damit der Übergang in die wichtige öffentliche Wegeverbindung zum Dösner Weg übernimmt der südlichste Baukörper.


Außenanlagen – unauffällige Übergänge und versteckte Funktionalität

Das durch die versetzte Reihung entstehende Wechselspiel aus Nischen zur Straße und zum Park, lässt die westliche Reihe sich als Teil des Parkes erleben und ermöglicht die Adressbildung auch für die östliche Reihe.

Das vorhandene Pflaster des Güterbahnhofes wird wiederverwendet. Diese Pflasterflächen zwischen den straßenzugewandten Gebäuden, können als Vorfahrt für die hintere Baureihe genutzt werden. Hier verstecken sich auch unauffällig die notwendigen Feuerwehrumfahrungen, -aufstellflächen und die Tiefgaragenabfahrten. Besucher-Fahrradabstellplätze verteilen sich auch in diesem Bereich. Im Zentrum der Anlage ist der Quartiersspielplatz als Treffpunkt für die Bewohner und deren Gäste angeordnet.

Alles verbindet und verwebt sich über das Wegesystem miteinander.


Gebäude – geformte Volumina und aufgelöste Fassaden

Die Gebäude stehen losgelöst und versetzt in lockerer Formation. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die kantenlose Gebäudeformung. So kann die tatsächliche Größe der Volumina vom Betrachter nicht erfasst werden.

Mit den unterschiedlich hohen und breiten „Holzplanken“ der Fassaden lösen sich die Volumen der Gebäude auf. Die Analogie der Eisenbahnschwellen zieht sich im Quartier bis in die Geländergestaltung durch. Eine solche logische Einfachheit der Fassaden erhöht die Anzahl wiederkehrender vorfabrizierter Elemente, die dadurch in höherer Qualität gebaut werden können.

Die von der Straße aus sichtbaren Hauseingänge sind plastisch ausformuliert. Hier setzt sich das Thema des Ortes über das Pflastermaterial des Bodens bis ins Innere fort. Der elegant geformte Treppenaufgang führt zu den ringförmig angeordneten Suiten. Höhepunkt jeder dieser Wohnungen ist der Panoramabalkon bzw. -dachterrasse mit freiem Blick in den Park und zusätzlichen, jeweils individuellen, Orientierungen:

- nach Westen zum Sonnenuntergang
- nach Nordosten zum Uni-Riesen
- nach Südwesten zur Mittagssonne
- und nach Südosten in die Tiefe des Parkes.

Die gewerblichen Funktionen sind des öffentlichen Gehweges im Erdgeschoss vorgesehen. Darüber sind die Wohnungen zur Vermietung vorgesehen. In den etwas kleineren Volumen der östliche Baureihe genießen die Selbstnutzer die erste Reihe zum Park.


Nachhaltigkeitskonzept – Decarbonisierung, Recyclate, Plusgrünhäuser

Die äußerst kompakte Gebäudeform mit innerem Erschließungskern reduziert den Energiebedarf durch das sehr gute Verhältnis von Volumen zu Außenwandfläche deutlich gegenüber einer Zeilenbebauung.

Mit einer teilvorgefertigten Hybridbauweise der oberirdischen Geschosse minimiert sich der Einsatz von energie-intensiven Baustoffen wie Beton und Mauerwerk. Stattdessen werden recyclierbare und hochgedämmte Fassadenelemente in die Außenwand eingesetzt. So verbessert sich die CO2-Bilanz der Gebäude und können die Werkstoffe am Ende der Nutzungszeit leichter getrennt werden. Ein weiterer Beitrag zur Decarbonisierung ist die Wiederverwendung des historischen Pflasters anstelle aufwändig neu hergestellter und weit transportierter Baustoffe.

Mit den intensiv begrünten Tiefgaragen und Gebäudedächern, kombiniert mit parkseitigen Fassadenbegrünungen, bietet das Quartier mehr Grünflächen als im Bestand vorhanden. Ein weiterer Beitrag für das Mikroklima und für die Umwelt. Die Durchlässigkeit der Bebauung bis zur Kohlenstraße verbessert auch die Situation für den ganzen Stadtteil.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Jury würdigt die aufgelockerte städtebauliche Struktur, die aufgrund der versetzten Anordnung der Baukörper zahlreiche Blick- und Sichtbeziehungen in den Park ermöglicht.
Die vorgeschlagenen hybriden Freiräume zwischen den Gebäuden wirken jedoch befremdlich und können keine eigene Qualität entwickeln. Die Übergänge vom Park zum Gebäude sind bewusst nicht definiert und lassen Nutzungskonflikte erwarten. Die befestigten Bereiche zwischen den Gebäuden setzen sich nicht deutlich vom öffentlichen Straßenraum ab. Darüber hinaus korrespondiert die vorgeschlagene Gestaltung der Freibereiche nicht mit den Erdgeschossnutzungen und den funktionalen Anforderungen einer Feuerwehrumfahrung.
Wenngleich sich die Gebäude in der Regel durch gut organisierte Wohnungsgrundrisse auszeichnen, irritiert die architektonische Gliederung und Gestaltung der leicht gerundeten, holzverschalten Baukörper. Die vorgeschlagene Fassadengestaltung wird in der Jury kontrovers diskutiert, da sie in keiner Weise kontextuelle Bezüge zum Bestand herstellt. Trotz guter Ansätze gelingt es dem Projekt nicht, einen positiven Gesamteindruck zu vermitteln.