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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2020

Bunker Burgstraße – Erweiterung Siegerlandmuseum

1. Preis

Preisgeld: 20.000 EUR

Architekten Wannenmacher + Möller GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Auch wenn Bunker ausschließlich zum Schutz von Menschen errichtet wurden, sind sie doch Symbole für Krieg und Zerstörung. Wie in allen deutschen Städten wurden sie auch in Siegen während des 2. Weltkriegs in Erwartung alliierter Luftangriffe errichtet. Selbst 75 Jahre nach Kriegsende ist ihre sinnliche Wahrnehmung noch eng mit diesen Ereignissen verbunden. Sie sind zu einer symbolischen Form gereift, durch welche ihr historischer Bedeutungsgehalt eng an ihre konkrete physische Erscheinung geknüpft ist. Als Grundformen des Verstehens sind symbolische Formen universell und intersubjektiv gültig.

Mit der Entscheidung, die beiden Hochbunker in der Burgstraße einer musealen Nutzung zuzuführen, werden die Gebäude einer inhaltlichen Verschiebung unterworfen, die es gilt, auch nach außen kenntlich zu machen. Der Entwurf beabsichtigt dies mit baulichen Maßnahmen, die neben der Unterbringung des Raumprogramms als sinnliches Erlebnis ein unmittelbares und prägnantes Zeichen der neuen inhaltlichen Ausrichtung bilden sollen. Dies geschieht zuvorderst durch das Hinzufügen eines weiteren Geschosses auf den bestehenden Dachflächen beider Gebäude. Als skulpturale Dachgebilde wirken sie weit in den Stadtraum hinein. Darüber hinaus werden Öffnungen in die Außenwände geschnitten, welche Einblicke in das Innere der Bunker gestatten und den Gebäuden ihre Wehrhaftigkeit nehmen. Sie wollen sich nach außen öffnen, damit Hemmschwellen abbauen und die Öffentlichkeit zur Teilhabe an ihren Inhalten einladen.

Neben diesen architektonischen Veränderungen beabsichtigt der Entwurf auch, das neue Museum stärker in sein urbanes Umfeld einzubinden. Das geschieht durch eine Aufwertung der angrenzenden Außenräume. So erfährt im Süden der von beiden Museen und dem benachbarten Wohn- und Geschäftshaus umschlossene kleine Platz entlang der Burgstraße eine neue Gestaltung, die ihn zu einem würdigen Entree des Museums transformieren soll. Dabei werden die Stellplätze neu arran-giert und durch die Verortung hinter einer halbhohen Hecke dem Blickfeld der Museumsbesucher entzogen. Im Norden wird die an der Lämmergasse beginnende Treppenanlage aktiviert. Sie mündet auf ihrem Wege zum Museumsvorplatz auf halber Höhe in einen neu geschaffenen Museumshof, der durch Ausstellungen und begleitende Veranstaltungen dem Museumsbetrieb helfen soll, in den öffentlichen Raum hineinzuwirken. Hier sollte die Kunstinstallation „Borderlines“ wie auch das Sandsteinportal untergebracht werden. Auch zum Museumshof öffnet sich das Museum durch das Hineinschneiden einer großen Öffnung in die angrenzende Außenwand.

Die Verteilung der verschiedenen Nutzungen folgt einem einfachen Prinzip. Sämtliche Ausstellungsbereiche befinden sich im nördlichen Gebäude, alle Sondernutzungen im westlichen. Betreten wird das Museum über den westlichen Bunker. Um hier einen einladenden Eingang zu schaffen, wird der eingeschossige Vorbau entfernt und eine große Öffnung in die den Platz begrenzende Außenmauer geschnitten. Im Foyer führt die vorhandene Treppe zur Lernwerkstatt im 1. Obergeschoss, bzw. dem Multifunktionsraum im neuen Dachgeschoss. Letzterer kann auch außerhalb der Öffnungszeiten des Museums erschlossen werden. In diesem Fall wären der Zugang vom Bestandstreppenhaus zur Lernwerkstatt wie auch der Zugang in das neue Treppenhaus am nördlichen Ende des Eingangsbunkers verschlossen. Während das Foyer im Erdgeschoss noch die bestehende Raumhöhe aufweist, erhält die Lernwerkstatt durch Entfernen der Decke über dem 1. Obergeschoss die doppelte Höhe. Über das neue Treppenhaus gelangt man in eine unterirdische Passage, welche die beiden Bunker miteinander verknüpft. Im Ausstellungsbunker wird jede zweite Geschossdecke entfernt, so dass die Ausstellungsräume über angenehme Raumhöhen verfügen. Die drei Ausstellungsebenen sind über zwei neue Treppenhäuser an den Gebäudeenden miteinander verbunden. Neben ihrer Funktion als notwendige Treppenhäuser erlauben sie eine flexible Gestaltung der Museumsrundgänge. Über das am Verbindungsgang gelegene Treppenhaus haben die Besucher und Besucherinnen die Möglichkeit, auf direktem Wege zur Wechselausstellung im Dachgeschoss zu gelangen. Über den im Turm untergebrachten Lastenaufzug, der hier die alte Treppe ersetzt, lassen sich alle Ausstellungsebenen mühelos erreichen. Die Anlieferung des Museums erfolgt über die Bickenerwende.

Am östlichen Ende des Dachgeschosses ermöglicht eine raumhohe Dachgaube eine Blickbeziehung zum Schloss, wodurch eine visuelle Verbindung zum bestehenden Siegerlandmuseum geschaffen wird. Zusätzlich wird vorgeschlagen, die vom Vorplatz über den Bürgersteig entlang der Burgstraße führende Wegeverbindung mit Wegweisern aus kleinen, in regelmäßigen Abständen in den Belag eingelassenen Metalltafeln mit dem eingravierten Logo des Siegerlandmuseums zu kennzeichnen.

In den Ausstellungsräumen der beiden Bunker wird der Öffentlichkeit u.a. die Stadtgeschichte Siegens über zahlreiche Exponate und Dokumente verdeutlicht. Gleichzeitig sind aber auch die Gebäude selbst veritable Zeugnisse dieser Geschichte. Der Art des Umgangs mit diesen geschichtsträchtigen Bauten kommt daher eine große Bedeutung zu. Zwar lässt die geplante Nutzung der Bunker als Museum auf Grundlage des Raumprogramms den Erhalt der bestehenden kleinteiligen Grundrisse nicht zu und erfordert den Abriss fast sämtlicher Innenwände. Dafür will der Entwurf aber die Spuren der beseitigten Geschossdecken und Innenwände nicht vollends tilgen, sondern als „Narben“ auf den Wänden und Fußböden belassen. Sie sollen die ursprüngliche Grundrissorganisation abbilden und Zeugnis ablegen von der räumlichen Enge, die in diesen Gebäuden herrschte. Alle neuen Bauteile wie die Geschossdecken über dem Erdgeschoss des Eingangs- und des Ausstellungsgebäudes wie auch die neuen Trennwände sollen aus Ortbeton in glatter Sichtbetonqualität ausgeführt werden, um eine klare Unterscheidung von Neu und Alt vorzunehmen. So wird eine spannungsvolle Symbiose aus Vergangenheit und Gegenwart geschaffen, die den Räumlichkeiten eine poesiegeladene Atmosphäre verleiht. Die die beiden Bunker verbindende Passage wird dreiseitig von satiniertem Glas umhüllt. Eine enge Aneinanderreihung linearer Leuchten in der Decke taucht sie in helles Licht.

Die beiden Dachgeschosse sind, je nach abstandsrechlichen Erfordernissen, mal mit geraden und mal mit geneigten Außenwänden kleiner 70° umhüllt. Ihre Außenhaut besteht aus bituminösen Dachbahnen, über die eine zweite Haut aus einem Metallgewebe gespannt wird. Mit seiner Farbgebung integriert sich das neue Dach harmonisch in die Dachlandschaft des baulichen Umfeldes. Auch der Turm des Ausstellungsbunkers wird mit einem Aufbau bedacht, der im Stile einer Landmark mittels Megaletter auf die Nutzung des Gebäudes von weitem sichtbar hinweist. Der mäandrierende Verlauf der Dachdecke ermöglicht die Belichtung der obersten Geschosse über Fensterbänder in den Schrägen. Die Einschnitte in die Außenwände der Bunker sind mit anthrazitfarbenen Aluminiumblechen eingefasst, wodurch deren Schnittflächen verdeckt werden und die Rauspundschalung auf allen sichtbaren Betonflächen als durchgängiges Motiv bestehen bleibt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf nimmt den Betrachter mit auf eine sinnliche Erkundung der Bestandsbauten, ihrer geschichtlichen Entstehung, Bedeutung und Wirkung und es gelingt ihm, diese Eindrücke in der neuen Museumsnutzung abzubilden.

Das Einfache ist das Überraschende: Die klare Funktionsteilung zwischen großem Bunker für die Ausstellungsbereiche und kleinem Bunker für die Sonderfunktionen ermöglicht eine gute Orientierung und Ökonomie in bautechnischer Hinsicht – vor allem aber benötigt das Museum so keine verbindende Brücken oder Bauteile zwischen den Gebäuden,
was die städtebauliche Aussage des Bestands bewahrt.

Wo immer möglich werden Bestandsbauteile genutzt (zum Beispiel Treppenhaus im westlichen Bunker und jede zweite Decke des Bestands). Die Abrissspuren sollen über Wand- und Deckenversprünge an den Abbruchstellen bewusst die Geschichte der Häuser lesbar erhalten. Der Rauheit des Bestands werden glatt geschalte Betonoberflächen
neuer Bauelemente gegenüber gestellt.

Ebenso einfach und dennoch überraschend und qualitativ ist der neue Eingang. Dieser erfolgt vom neuen Vorplatz, der Eingangssituation und Parkplatz unprätentiös trennt und entgegen der Erwartung dem kleineren Gebäude das Privileg des Eingangs lässt. Dass dafür die Bestandsschleuse des kleinen Bunkers »geopfert« werden muss, kann ggf., der Idee der Verfasser folgend, durch belassene Spuren mit eingearbeitet werden.

Die Wegeführung und -verteilung, ausgehend vom neuen Foyer, ist hoch funktional und ermöglicht verschiedenste Wegeführungen, Raumtrennungen und - Zusammenschaltungen für das neue Haus. Auch hier zeigt sich für eventuell zukünftige Nutzungswandlungen im Haus eine angenehme Robustheit des Konzepts.

Als neue Raum- und Zeitschicht wird beiden Bunkern ein neues Dachgeschoss aufgesetzt, welche als angemessen proportionierte skulpturale Dachgebilde zwischen der Profanität der benachbarten Häuser und als an Sheds angelegte Faltung zu der somit ablesbaren Museumsfunktion gestalterisch vermitteln. Auch hier entstehen multifunktional gut nutzbare Räume. Die Materialisierung dieser Dachaufbauten mit einer zweiten Haut aus Streckmetall wird kontrovers diskutiert, insbesondere unter dem Aspekt des ggf. gestörten Ausblicks durch die Gitterstruktur. Auch ein Austritt auf eine Dachterrasse wird von Einigen vermisst.

Sowohl in die Bestandswände der Geschosse in den Bunkern als auch in die teils geraden teils geneigten Dach-»Wände « werden große Fenster eingeschnitten, die sowohl Einblicke von außen als auch gezielte Ausblicke ermöglichen sollen und so das Innere bewusst in einen Dialog mit dem Äußeren setzen. Ob hier schon jedes Fenster richtig »sitzt«, richtig dimensioniert ist und das zu Erblickende angemessen würdigt oder für die jeweilige Museumkonzeption dahinter die entsprechende Ergänzung ist, bedarf der weiteren Bearbeitung in Zusammenarbeit mit den Ausstellungsgestaltern.

Auch andere Einzelelemente funktionieren nicht wie vorgeschlagen oder bedürfen der Abstimmung mit den funktionalen Anforderungen. Die Anlieferung beider Gebäude über Fußwege mit Treppen wird so sicher nicht realisierbar sein. Der Technikbereich ist voraussichtlich zu klein. Das kleine Café bedarf des Abgleichs mit dem zukünftig erwarteten und geplanten Komfort und Betrieb, den das Café seinen Besuchern bieten soll. Ein Ausgang auf einen Außenbereich wird vermisst. Kontrovers diskutiert das Gremium, ob es des Aufbaus auf dem Turm des großen Bunkers bedarf, dieser erfüllt aber die Erwartungen an die Sichtbarkeit der neuen Nutzung.

Insgesamt stellt der Entwurf einen sehr wertvollen Beitrag zur Aufgabenstellung dar, dessen besondere Stärken in der Angemessenheit der Eingriffe, der sinnlichen erzählerischen Atmosphäre der Räume und in der Robustheit der Museumtypologie liegen.
IdF Münster_Vis_Morgen

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