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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2020

Neubauten für die Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg

2. Preis

Behnisch Architekten

Architektur

Transsolar Energietechnik GmbH

Bauingenieurwesen

knippershelbig GmbH

Tragwerksplanung

Endreß Ingenieurgesellschaft mbH Brandschutzsachverständige

Brandschutzplanung

Dr. Heinekamp Labor- und Institutsplanung

TGA-Fachplanung

Béla Berec Architektur-Modellbau-Gestaltung

Modellbau

Erläuterungstext

Entwurfskonzept und Materialität:
Die Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg wurde im Jahr 1964 gegründet und ist heute am Klinikum Mannheim beheimatet. Seit einigen Jahren schon hat sich diese Fakultät aus einer reinen Lehrfakultät zu einer lehrenden und forschenden Einrichtung entwickelt.

Verschiedene Studiengänge bieten den Studierenden ein differenziertes und reichhaltiges Studienangebt bei der Vermittlung vor Lehrinhalten an fächerübergreifenden Verknüpfungen verschiedensten naturwissenschaftlichen Kenntnissen. Diese Lehrvielfalt wird durch das Angebot des innovativen und äußerst attraktiven Modellstudiengangs MaReCuM unterstrichen. Die innovative Forschung hat sich in den letzten Jahren ebenfalls beträchtlich weiterentwickelt. Hervorragende Beurteilungen durch den Wissenschaftsrat der Bundesrepublik Deutschland zeichnen diese Veränderungen in einem besonderen Maß aus.

Um nun den Standort für Forschung und Lehre in Mannheim zukünftig weiter stärken zu können ist beabsichtigt auf dem Karcher- und Kesselhausgelände in einem ersten Bauabschnitt zwei Forschungsgebäude und ein Hörsaalgebäude einschließlich Betriebshof zu realisieren. Ebenso soll das denkmalgeschützte Kesselhaus zu einem modernen Veranstaltungszentrum umgenutzt werden. Abgerundet wird das Angebot durch ein Café in der ehemaligen Desinfektionsanstalt.

Das zur Verfügung stehende Grundstück befindet sich nördlich des UniversitätsMedizinMannheim (UMM), in unmittelbarer Nähe und Umgebung des ehemaligen Kesselhauses. Für das Gebiet nördlich des Röntgenstraße liefert der zurückliegende iterative Masterplanprozess erste Anhaltspunkte für die bauliche Gliederung des ehemaligen Karcher-Geländes. Erste Hochbauprojekte, sowie Teile der konzeptionellen Ansätze der Freianlagenplanung wurden bereits realisiert.

Das Grundstück ist durch zahlreiche Merkmale gekennzeichnet, vielleicht sogar „vorbelastet“, sicherlich einzigartig für weitere zukunftsweisende Entwicklungen. Für die Überlegungen einer Neuplanung weiterer Gebäude soll gewährleistet werden, dass das Stadtklima nicht durch niedrige und flächige Gebäudekubaturen nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen wird. Ebenso ist darauf zu achten, dass aus ökologischer und gestalterischer Sicht alle gesunden und schützenswerten Bäume erhalten werden.

Das Karcher-Gelände weist eine einzigartige topographische Lage auf. Der Höhenunterschied zum öffentlichen Straßenraum beträgt ca. 6m, sodass unter der Röntgenstraße hindurch das UniversitätsMedizinMannheim (UMM) ohne weiteren Höhenversatz angebunden werden kann. Das Kesselhaus, zusammen mit der ehemaligen Desinfektionsanstalt liegen somit in einer reizvollen topographischen Senke.

Für einen zweiten Bauabschnitt sollen Lösungen und Ideen aufgezeigt werden, wie ein ergänzendes Lehrgebäude südlich und nördlich des Kesselhauses umgesetzt werden können. Zudem wird gewünscht, dass Überlegungen angestellt werden sollen, wie das Kesselbau als Hörsaal- und Seminarzentrum umgestaltet werden kann.

Das Raumprogramm für die neuen Fakultäts- und Hörsaalgebäude wurden im Raumprogramm präzise beschrieben. Ebenso wurden die neuen Funktionen für die Bestandsgebäude definiert.

Auf der Suche nach einer maßgeschneiderten Lösung ist es sicherlich notwendig und nahezu unabdingbar, die scheinbar verborgenen und auf den ersten Blick nicht unmittelbar in Erscheinung tretenden Beziehungen von Bestand und Neuem und von Gebautem und Freiraum genauer zu untersuchen, um so möglichst positive Wechselwirkung entdecken zu können. Unüberwindbar erscheinende topographische Rahmenbedingungen sollten zunächst positiv bewertet werden, um Ideen aufspüren zu können, um den Charakter des Campus des Gesamtareals durch einen besonderen Dialog aller Faktoren prägen und zukünftig identitätstiftend charakterisieren zu können.

Die richtige Zuordnung einzelner Funktionseinheiten zueinander wird nur ein Teil der inhaltlichen Arbeit zur Findung einer maßgeschneiderten Lösung sein. Weiteren Teilaspekten, wie dem Zusammenspiel einzelner Baukörper zueinander, dem Dialog zwischen Innenraum und öffentlichem Raum, sowie allen weitergehenden Überlegungen zur kommunikativen Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden, sollte eine besondere Bedeutung beigemessen werden.

Die wissenschaftliche Weiterentwicklung der Institute wird als Konsequenz auch eine Neuinterpretation der wissenschaftlichen Arbeit mit sich bringen. Das individuelle und separierte Arbeiten einzelner Mitarbeiter und Forschungsgruppen kann in der heutigen Form sicherlich nicht uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Es scheint notwendig, dass die Entwicklung der Forschungsarbeit und der Forschungsinhalte das Miteinander und damit auch die gebaute Arbeitsumgebung wechselwirkend verändern wird.

Eine spannende, reizvolle und auch komplexe Aufgabe, die bei allen konzeptionellen Überlegungen ein facettenreiches Bild liefern und einen besonderen Reichtum an Ideen hervorbringen müsste, damit die Grundideen für einen modernen und innovativen Campus ausgewogen und unvoreingenommen angereichert werden können. Ein offenes, zukunftsweisendes und mit allen Ansprüchen an ein nachhaltig geprägtes Ensemble sollte mit den neuen Häusern und der Weiterentwicklung der landschaftlichen Elemente im Aussenraum realisiert werden.

Die ersten Überlegungen entwickeln sich aus den inhaltlichen und formalen Rahmenbedingungen der städtebaulichen und landschaftlich vorhandenen Elemente. Die Senke und die damit verbundene, bereits realisierte Treppenanlage nach Norden, wird als erstes, markantes und unverrückbares Merkmal aufgenommen und gestalterisch bis in den südlichen Bereich des Campus fortgeführt. Im Gebiet der neuen Häuser entsteht eine ebenfalls schön gestaltete Anlage mit Treppenstufen, Sitzgelegenheiten und Orten zum Verweilen. Das zukünftige Sockelgeschoss kann somit über die facettenreich modellierte Landschaft, wo nötig und gewünscht, mit Tageslicht versorgt werden.

Die drei neuen Gebäude im südlichen Campusbereich ergänzen baulich die Komposition der geschwungenen Stufen und Terrassen. Die kompositorische Harmonie und der Dialog der Baukörper zueinander werden durch die Abkehr von starren geometrischen Grundformen zusätzlich gestärkt. Die horizontalen Bänder der Geschossdecken unterstreichen das Spielerische, das Lebendige. Auf Straßenniveau entsteht ein schöner Platz, wobei die spannungsreich angeordneten Baukörper den baulichen Rahmen für den offenen Blick zum Kesselhaus nach Norden bilden.

Durch die bauliche Trennung der Häuser erhält jedes Institutsgebäude seine eigene Adresse und seine nuancierte Differenziertheit. Die Eingänge und die Foyers des Forschungs- und Lehrgebäudes (Modul 1.1) und des European Center for Angioscience (ECAS) (Modul 1.2) orientieren sich offen und transparent zum Platz. Der grosse Hörsaal, sowie alle dienenden Funktionen, wie die Anlieferung für das Tierhaus sind im Gebäude 1.1 untergebracht. Im Gebäude 1.2 befindet sich eine erste Laboreinheit sowie weitere dienende Funktionen. In jedem Haus führen schöne Treppen in angemessen dimensionierten Lufträumen in die darüber liegenden Ebenen. Die Offenheit des Hauses und der Fakultät ist hier bereits spürbar. Der Ort der Kommunikation und des Austausches wird bereits im Eingangsgeschoss erlebbar und charakterisiert die Häuser einprägsam. Eine gute Orientierung im Haus ist durch die Ausblicke in den Obergeschossen gewährleistet.

Die Laborbereiche in beiden Häusern sind der geordnete, nach einem idealen Ausbauraster festgelegte Gebäudeteil. Sie bilden den Abschluss, den "Rücken" der Campusgebäude zur Straße Am Friedhof und zur Kraft-Ebing-Straße. Sämtliche Schächte und alle vertikalen funktionsverbindenden Einbauten sind in diesem "geordneten" baulichen Element integriert. Die Zugänge zu den Laboren erfolgen jeweils über die Flurenden und zusätzlich mittig über einen gemeinsamen Flur.

Im Kontrast hierzu sind die angelagerten Arbeitsbereiche der einzelnen Geschosse weitaus freier gestaltet. Über wohlproportionierte, aufgeweitete Flurzonen sind die Büros, sowie Bespechungs- und Meetingräume entlang der Fassade angeordnet. Die Aufweitungen unterstützen die Auffindbarkeit der Zugänge zu den Laboreinheiten und verlassen die strenge Grundordnung aus den Laboren. Frei möbelierbar, als zusammenhängender Grossraum sind die Kommunikationszonen der Etagen ausformuliert. Die verbindenden Treppen verzweigen sich elegant in die oberen Etagen.

Jede einzelne Ebene selbst wird so zur modernen "Informationsbörse" mit einem nahezu uneingeschränkten Spektrum an Offenheit für vielfältige Interaktionen der Mitarbeiter untereinander. Orte für den spontanen Plausch und die teamorientierte Unterredung sind durchgängig vorhanden.
Jeweils differenziert grosse und unterschiedlich orientierte Terrassen, zum Platz und zum Kesselhaus, offerieren einen wunderbaren Ausblick auf das Campusleben. Die Freibereiche unterstützen den Gedanken einer vertikalen Landschaft und bieten darüber hinaus einen Freiraumbezug auf allen Ebenen. Die Institute werden essenziell bereichert und mit einem weiteren Aspekt eines lebendigen Campusleben im Inneren ergänzt. Die Kommunikation und das Miteinander der Mitarbeiter, die Interaktion der Forscher, Professoren und Studierenden untereinander erhält so eine weitere positive Förderung.

Auf dem zweiten und dritten Obergeschoss sind die beiden Gebäude über eine Erweiterung der Kommunikationszone miteinander verbunden, sodass das lebendige Institutsleben sich wechselwirkend in beiden Häusern durchmischen kann.

Die Räume der Tierhaltung sind im Sockelgeschoss als zusammenhängende Funktionseinheit vorgesehen. Reine und unreine Flurbereiche sind getrennt, sodass ein optimaler Funktionsablauf gewährleistet ist. Aufenthaltsbereiche orientieren sich zum Campushof und können über die Geländemodulation mit Tageslicht versorgt werden.

Die Tiefgarage und weitere Technik- und Lagerflächen befinden sich im Untergeschoss. Die Zufahrt erfolgt über eine Rampe von der Straße Am Friedhof. Über die Rampe kann auch eine Zufahrt zum Campusplatz realisiert werden.

Das Hörsaalzentrum (Modul 2.3) im nord-westlichen Bereich des Campus folgt der formalen Idee der neuen Gebäude im Süden. Auf Campus-und Strassenniveau wird eine gleichwertige Zugangsmöglichkeit angeboten. Beide Etagen verbindet eine grosszügige Treppe, sodass beide Ebenen einen lebendigen Austausch der Studierenden zulassen.

Die verschiedenen Hörsäle und Seminarräume sind auf unterschiedlichen Etagen verteilt. Das Innenleben des Hauses ist so organisiert, dass die Zugangsbereiche zu den Sälen als Schaufenster zum Campus transparent ausgeführt werden können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Ein Ensemble aus vier frei geformten, gläsernen Baukörpern umstellt das denkmalgeschützte ziegelsichtige Kesselhaus so, dass dieses Denkmal nicht seiner Bedeutung beraubt wird, sondern einen selbstverständlichen Mittelpunkt des neuen Campus bildet.

Die Zugangssituation zum neuen Campus erfolgt von einem südlichen Vorplatz aus, der durch den Erhalt der großen Kastanie bestimmt wird und über den eine ebenerdigen Verbindung zum zentralen Platz geschafft wird. Die freie Form der anschließenden Baukörper führt dazu, dass es keine schluchtartigen Wege gibt, sondern eine selbstverständliche Hinführung zu einem offenen Plateau entsteht, von dem aus allem drei angelagerten Gebäude aus erschlossen werden.

Das Thema der anschließenden Höhendifferenz zum tieferliegenden Forum wird gut
gelöst durch eine landschaftlich frei fließende Anlage von Sitztreppen, die gemeinsam mit den anschließenden Gebäuden den Rahmen für Forum und Denkmal bildet und zudem eine belichtete Aufenthaltsfläche für die Personen bietet, die in der Tierhaltung im 1. Untergeschoss arbeiten. Diese Stufenanlage zieht sich bis zum Norden durch und bindet so das dort platzierte Hörsaal- und Seminargebäude gleichberechtigt ein.

Alle Gebäudemodule sind mit großzügigen Eingangsfoyers zum gemeinsamen Platz
versehen, die sich über attraktive Treppen mit wirklich nutzbaren Kommunikationsflächen in die Obergeschosse ziehen. Die Laboreinheiten sind funktional gut angeordnet und mit den Büroflächen verbunden, ohne dass hier lange schmale Flure entstehen, sondern immer wieder auch kleinere Aufenthaltsbereiche ermöglicht werden. Im 1. und 2. Obergeschoss ist sogar eine Verbindung der beiden Gebäude gegeben, was sehr begrüßt wird. Dieselbe Funktionalität zeigt sich in der Organisation von Zulieferung, Parken und Tierhaltung, allerdings werden die Technikflächen als zu gering angesehen.

Der Ausdruck der Gebäude wird durch den hohen Glasflächenanteil sowie die terrassenartig gestuften Geschosse bestimmt. Hierbei wird die Nutzungsmöglichkeit der Terrassen für die Mitarbeiter wie auch die Konstruktionsweise als Holz-Hybrid-Konstruktion positiv beurteilt. Der große Glasflächenanteil sowie die dargestellte Fassadenbegrünung werden allerdings kritisch und als eher schematisch gesehen.
Von den Flächen- und Wirtschaftskennwerten liegt die Arbeit im mittleren bis günstigen Bereich.

Technik:
Technikzentralen sind sinnfällig angeordnet. Erschließungsschächte Lüftung sind hinsichtlich der Position nicht optimal. Der Entwurf sieht Technikflächen in einem zurückspringenden Dachgeschoss vor. Im Hörsaalgebäude werden Technikflächen dargestellt, aber nicht benannt.

Nachhaltigkeit:
Die Arbeit weist eine angemessene Tageslichtversorgung bei angemessenem Raumklima, Energiebedarf, Stromertrag sowie Betriebskosten auf. Die vorgeschlagene Holz-Hybrid-Konstruktion gewährleistet bei einem durchschnittlichem BRI und durchschnittlicher bis geringer Gebäudehüllfläche eine optimierte Ökobilanz. Die Arbeit weist einen enormen Gesamtfensterflächenanteil von ca. 90% auf.

Denkmalschutz:
Der eine Neubau nimmt die Kante des Kesselhauses auf, hält aber vergleichsweise viel Abstand zum Kesselhaus. Der Neubau hinter der Desinfektion bildet eine wandartige Kulisse. Die Fassadengestaltung nimmt keinen Bezug zum Kulturdenkmal. Insgesamt besticht der Entwurf durch seine gute maßstäbliche Ausbildung der Gebäude, die es einerseits schaffen das Denkmal angemessen einzubinden und andererseits eine große Qualität in den äußeren und inneren Arbeits- und Aufenthaltsräumen aufweisen.