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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2020

Freiraumgestaltung des Lohgrabens in Coburg

Der „Gerberplatz“ mit Wasserspiel und Blick auf das neue CO-Labor

Der „Gerberplatz“ mit Wasserspiel und Blick auf das neue CO-Labor

Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

Schieferdecker Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

QUERFELDEINS Landschaft | Städtebau | Architektur PartGmbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

LOHGRABEN COBURG – AUF DER SPUR DES HAHNFLUSSES

Städtebauliche Situation:
Für die städtebauliche Entwicklung der Steinwegvorstadt waren der Steinweg als Handelsstraße und der ehemalige Hahnfluss als Versorgungsader wichtige strukturgebende Elemente. Während der Steinweg auch heute noch als urbane Ader mit Geschäften, Gastronomie und Unterhaltungsangeboten das Quartier prägt und als wichtige Verbindung zwischen der Coburger Altstadt und der mittelalterliche Burganlage „Veste Coburg“ fungiert, wurde der Lohgraben durch die Verrohrung des Hahnflusses seiner Vitalität beraubt.

BLAUGRÜNES BAND - LOHGRABEN:
Um den Lohgraben als durchgrünten, lebendigen Freiraum zu revitalisieren, wird der Verlauf des Hahnflusses durch ein „blaugrünes Band“ nachgezeichnet und das Element Wasser wieder erlebbar gemacht. Dieses multifunktionale Band sammelt und speichert das Regenwasser, macht es in offenen, wegbegleitenden Wasserbändern erlebbar, bewässert artenreiche Blühstreifen und wird partiell zum Sitz- und Spielelement.
Die derzeit, durch Hinterhöfe und Einfahrten geprägte, bauliche Rückseite des Lohgrabens erhält dadurch eine gestalterische „Fassung“ und wird zur belebten Vorderseite mit vielfältigen Nutzungsangeboten. Plätze unterschiedlicher Größe, Nutzung und Charakteristik werden durch das „blaugrüne Band“ entlang des Lohgrabens miteinander verbunden und zu einer kleinräumigen Freiraumfolge mit eigener Atmosphäre und hoher Aufenthaltsqualität qualifiziert. Dabei werden Orte mit einer besonderen Identität und Geschichte, wie die Freiräume „Am Schirdewahn“, „Am Kindlesbrunnen“, am „Gerberplatz“, „Am Grünen Eck“ und „Am Hahnmühlenplatz“ durch neue bauliche Nutzungen aktiviert und durch Solitärgehölzen und runde Sitzinseln gestalterisch akzentuiert.

Der raumprägende Baumbestand entlang des Lohgrabens, der Schenkgasse und der Gerbergasse wird erhalten und durch heimische Baumarten wie Hainbuchen, Spitzahorn und Silberlinden zu einem Gehölzsaum ergänzt und mit artenreichen, pflegeextensive Wiesenmischungen unterpflanzt.
Die Mauer westlich des Lohgrabens wird begrünt und partiell geöffnet, um das Pflegeheim und das Postareal zum Lohgraben hin zu öffnen und barrierefrei an den öffentlichen Raum anzubinden. Ein Pflasterband und Bankelemente zeichnen den Mauerverlauf nach und schaffen angenehme Aufenthalts- und Begegnungsräume im Schatten der Hainbuchen.

AM SCHIRDEWAHN entsteht ein südliches Entrée in den Lohgraben. Der beliebte Lederwarenladen „Schirdewahn“ wird durch neue bauliche Nutzungen wie das Seniorenheim und die Lohgrabenbäckerei ergänzt. So entsteht ein neuer, belebter Treffpunkt für Jung und Alt, der mit Sitzgelegenheiten und einem Trinkbrunnen zum Shoppen und Verweilen einlädt. Zum Anlieferhof der Galeria Kaufhof hin wird das Entrée am Schirdewahn durch eine Mauer und Baumpflanzungen räumlich gefasst. Lindenreihen begrünen den öffentlichen Raum zwischen dem Kaufhof und dem Pflegeheim zusätzlich, verbinden den Lohgraben mit dem Postplatz und vermitteln zwischen der Großmaßstäblichkeit der Bebauung an der Hindenburgstraße und der historischen Bebauung am Lohgraben.

Der Postplatz wird als POST-MOBILITY-HUB zum neuen Umsteiger für den öffentlichen Nahverkehr und neue Mobilität. Dafür wird die Fahrbahnbreite der Hindenburgstraße reduziert und der Postplatz neu zoniert. Vor dem Postgebäude entsteht ein großzügiger urbaner Platzraum, der durch Baumpflanzungen und Grünstreifen in verschieden Nutzungsbereiche gegliedert wird. Neue Ausstattungselemente machen den Postplatz multifunktional nutzbar. Im Buswartebereich ermöglichen Sitzelemente mit W-LAN- und Stromanschluss eine entspannte Verkürzung der Wartezeit. Eine Packstation und Unterflurcontainer machen das Versenden, Verpacken, Recycling und Upcycling zum Kinderspiel. Im Sinne einer nachhaltigen Elektromobilität können am Postplatz, Citybikes und Teilautos ausgeliehen und an Elektroladesäulen aufgeladen werden.

Das Gerbermuseum AM KINDLESBRUNNEN nimmt Bezug zur Historie des Ortes und informiert über die Geschichte der Lohgerberei in der Steinwegvorstadt. Das denkmalgeschützte Lohgerberhaus an der Brunnengasse wird als Gebermuseum in seiner Nutzung reaktiviert. Als Reminiszenz an den Hahnfluss zeichnen Wasserläufe den Verlauf des Flusses nach und setzen die ehemalige Brücke zur Brunnengasse und dem Kindlesbrunnen neu in Szene.

DER GERBERPLATZ wird für Jung und Alt zum neuen Dreh- und Angelpunkt des Quartiers. Auf dem Platz weitet sich das „blaugrüne Band“ zu einem Wasserspiel, das im Sommer für ein angenehmes Klima sorgt und zur Erfrischung und interaktivem Spiel einlädt. Die alte Scheune wird zum „Co-Labor“ für die junge kreative Szene und bietet Raum für Ideenaustausch, eine Fahrradwerkstatt, Workshops und Veranstaltungen. Die Fassade wird durch ein Scheunentor zum Platz hin geöffnet, so dass der Außenraum temporär mitbespielt werden kann. Durch Holzwände- und Tore werden die Müllstellplätze und Zufahrten eingefasst und der Gerberplatz zusätzlich baulich gerahmt. Die stattliche Eiche wird in ihrer Bedeutung für die Lohgerberei gestärkt und durch eine Sitzaufkantung und eine Sitzinsel zum beliebten Treffpunkt und Aufenthaltsort.

AM GRÜNEN ECK in der Schenkgasse entsteht ein multifunktional bespielbarer, begrünter Aufenthaltsraum zum Skaten, Spielen und Treffen. Rampen und bespielbare Aufkantungen schaffen eine klare Zonierung zwischen den Zugängen zum Parkhaus und den Aufenthalts- und Bewegungsräumen. Das Wohngebäude am Grünen Eck bietet Räume für Junges Wohnen, Proberäume und Ateliers und initiiert ein junges interaktives Leben in der Steinwegvorstadt. Eine große Sitzinsel im Schatten der Platane vermittelt zwischen dem aktiven Bewegungsraum und der Fußgängerpassage in der Schenkgasse.

Der HAHNMÜHLENPLATZ bildet den nördlichen Auftakt in das Quartier, wird zum neuen kulturellen Hotspot und zum kleinen feinen Raum für Veranstaltungen. Das „blaugrüne Band“ wird hier zur räumlichen Fassung des Platzes und einer klaren Begrenzung zwischen dem vielbefahrenen Straßenraum und dem neuen geschützten Aufenthaltsraum. Die „Nordpol-Bar“ bespielt den Hahnmühlenplatz auch in den Abendstunden und ist ein neuer Besuchermagnet und cooler Treffpunkt für junge Leute. Eine kleine Bühne bietet unter dem lichten Schirm eines Eschenahorns Platz für Picknick, Bandauftritte oder Poetry-Slams. Auf der Dachterrasse der Nordpol-Bar kann man seinen Cocktail genießen und die Szenerie gut überblicken.
Der öffentliche Nahverkehr-, Fuß- und Radverkehr haben am Hahnmühlenplatz Priorität. Durch einen Belagswechsel wird der Verkehr entschleunigt und eine barrierefreie, sichere Querung zum Kino und dem Quartier nördlich des Steinwegs ermöglicht. Die Bushaltestellen und Fahrradstellplätze werden so in die Platzgestaltung integriert, dass ein schnelles Aus- und Umsteigen erleichtert wird.

Materialität:
Der Coburger Teppich, aus beige-changierendem Granitsteinpflaster im wilden Verband, verwebt die kleinteiligen Teilräume zu einem zusammenhängenden, klar ablesbaren, öffentlichen Freiraum. Im Bereich der Plätze wird der Teppich zum Parkett aus großformatigen Granitsteinplatten gleicher Farbigkeit und Belagsstruktur. Das blaugrüne 50cm breite Band aus hellem Betonstein hebt sich gut ablesbar vom Coburger Natursteinteppich ab. LED-Mastleuchten begleiten das blaugrüne Band und beleuchten die öffentlichen Räume im Lohgraben, der Schenkgasse und der Gerbergasse. Die Nebengassen werden durch Hängeleuchten beleuchtet und die Plätze am Schirdewahn, am Gerberplatz und am Hahnmühlenplatz durch skulpturale Mastleuchten illuminieren und akzentuieren.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit:
Bei der Gestaltung der öffentlichen Freiräume sollte eine angemessene Balance zwischen einem intensiv genutzten Stadtraum und extensivem Stadtgrün gefunden werden. Stark frequentierte, nutzungsintensive Bereiche werden daher mit Natursteinpflaster befestigt. Das anfallende Niederschlagswassers wird gesammelt, in Rigolen gespeichert und für die Bewässerung der Blühstreifen genutzt. Die Grünflächen, Baumscheiben und Blühstreifen werden mit pflegeextensiven artenreichen Stauden und Gräsern unterpflanzt, die als Bienenweide einen hohen ökologischen Wert haben und nur einmal jährlich, in der Vegetationsruhe, gemäht werden müssen. In Zeiten der zunehmenden Urbanisierung und des Klimawandels spielen Bäumen eine besondere Rolle für den Klima- und Immissionsschutz. Der Baumbestand wird daher weitestgehend erhalten und durch 38 neue Baumpflanzungen mit heimischen, stadtklimaresistenten Arten ergänzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Grundidee des Beitrags ist, den ehemaligen Hahnfluss/Lohgraben als blau-grünes Band darzustellen. Das Band bleibt schmal, ca. 60% sind Stein, ca. 20 % blau, ca. 20 % grün. Das multifunktional gedachte Band soll Regenwasser sammeln und speichern, es in offenen Flächen erlebbar machen, damit Blühstreifen bewässern und sich zum Sitzelement wandeln können. Als ergänzendes Wasserelement tritt am Gerberplatz ein Wasserspiel mit Fontänen und Wasserfläche in einer schrägen Bodenabsenkung hinzu. Prinzipiell erscheint die Grundidee des blau-grünen Bandes mit Wasserflächen, Blühstreifen und Sitzelementen nachvollziehbar und angemessen dimensioniert. Die Frage des stimmigen Auftakts und Endpunktes wird jedoch ausgeklammert und verschleiert, indem das Band unangemessen in den Steinweg und in die Badergasse gezogen wird und dort abrupt endet.
Das zweite leitende Prinzip des Beitrags ist die Herausbildung einer Abfolge von Plätzen und Orten mit besonderer Identität – Hahnmühlplatz, Grünes Eck, Gerberplatz, Am Kindlesbrunnen, Am Schirdewahn. Während der Gerberplatz sowie der Ort Am Kindlesbrunnen sehr gelungen erscheinen, bestehen am Hahnmühlplatz und am Grünen Eck Zweifel über die Richtigkeit des formalen Auftritts. Der besondere Ort „Am Schirdewahn“ ist nur eine Einmündung. Hier sind Name und Ausbildung zweifelhaft.

Die Verknüpfung der Schenkgasse und der Brunngasse mit dem Lohgraben über die Plätze als Gelenke wirkt schlüssig. Der Ansatz, die Erdgeschosse der Gerberhäuser freizustellen ist begrüßenswert, verlangt jedoch weitere Vertiefung. Die Verfasser schlagen eine in Körnung und Verlegeart deutlich differenzierte Materialität – Granitgroßpflaster mit Identitätskrise Farben als Reihenpflaster in den Straßen, als wilder Verband in den Gassen sowie Granitplattenbeläge auf den Plätzen - vor. Die Kombination der gewählten Formate, Steinfarben und Verlegearten wirkt für den Ort etwas zu unruhig und überbetont.

Der Beitrag schlägt mit zahlreichen neuen Baumstandorten eine verstärkte, in Teilen überdehnt wirkende Begrünung vor. Gewinnend erscheint die Fortführung der Baumreihe zwischen Postgelände und Lohgraben bis zum Parkhaus Post und ebenso die Begrünung der Plätze - Gerberplatz, des Grünes Ecks und Hahnmühlplatz. Zusätzliche Baumstandorte in den Gassen- und Straßenräumen bleiben jedoch häufig konzeptionell fraglich. Die Baumreihe in der Schenkgasse verengt den Gassenraum stark. Auch die Ausbildung der Straße Lohgraben des Kaufhofs als Allee wirkt nicht schlüssig. Eine Baumreihe am Nordrand des Kaufhofs erscheint hier ausreichend und präziser. Ergänzende Baumstandorte am Post-Mobility-HUB schränken den Blick auf das Postgebäude unnötig ein. Die Neuordnung des Platzes an der Post mit den zusätzlichen Bäumen und vielen Funktionen wirkt überfrachtet.

Insgesamt erscheinen die beiden Grundideen – blau-günes Band und Abfolge von Plätzen und Orten besonderer Identität – vielversprechend und grundsätzlich tragfähig. Der Beitrag als Ganzes wirkt jedoch programmatisch und in der Plandarstellung „etwas“ zu sehr aufgeladen sowie zu umfangreich möbliert und begrünt.
Lagplan Lohgraben Coburg

Lagplan Lohgraben Coburg

Auf der Spur des Hahnflusses

Auf der Spur des Hahnflusses

Vertiefung Schenkgasse mit Gerberplatz und Lohgraben

Vertiefung Schenkgasse mit Gerberplatz und Lohgraben

Blick auf den Hahnmühlenplatz mit Nordpol-Bar

Blick auf den Hahnmühlenplatz mit Nordpol-Bar

Vertiefung Hahnmühlenplatz

Vertiefung Hahnmühlenplatz

Schnittansicht A-A‘ Hahnmühlenplatz

Schnittansicht A-A‘ Hahnmühlenplatz