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Offener Wettbewerb | 07/2020

Internationaler Städtebaulicher Ideenwettbewerb Berlin-Brandenburg 2070

Zusammenwachsen – Landschaf(f)tStadt

1. Preis

Preisgeld: 70.000 EUR

BERND ALBERS Gesellschaft von Architekten mbH

Architektur

Silvia Malcovati

Architektur

Vogt Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Arup Deutschland GmbH

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

ZUSAMMENWACHSEN - LANDSCHAF(F)TSTADT

Berlin und Brandenburg wachsen zusammen
Ein zukünftiges Gesamtkonzept für die Metropolenregion Berlin.Brandenburg setzt nicht nur gemeinsame politische Prozesse voraus, sondern vor allem eine gesamthafte städtebaulich-landschaftsplanerische Idee. Diese Idee basiert auf der Geschichte und auf den existierenden Potentialen und Charakteristika der Berlin.Brandenburgischen Stadt- und Kulturlandschaft.

Berlin.Brandenburger Städte wachsen nach Innen
In Berlin gibt es große Potentiale für das Innenwachstum, für Verdichtung und räumliche Optimierung, von Baulücken über Brachen bis zur Transformation der Infrastrukturen. Zugleich muss der heute grüne Charakter der Stadt gewahrt bleiben. Dieser verkörpert ein einmaliges Erbe der Stadtentwicklung und wird zukünftig verstärkt für den klimatischen Ausgleich verantwortlich sein. Die Brandenburger Städte besitzen ebenso erhebliches Potential zum Wachstum innerhalb ihrer Grenzen. Dieses Innenwachstum kann die speziellen Charaktere der Brandenburger Stadttypen bewahren und verstärken.

Zukünftige Mobilität wird durch Schienenverkehr geschaffen
Vor dem Hintergrund der Klima- und Energiewende stellt der Ausbau des Straßen- und Autobahnnetzes keine befriedigende Lösung dar. Dagegen eröffnen die Schienenverkehre eine nachhaltigere Perspektive, die durch die digitale Wende vorangetrieben wird. Konsequent wird sich das zukünftige Stadtwachstum an den alten und neuen Bahnlinien orientieren.

Berlin.Brandenburg und Europa
Durch die globale Verkehrswende und die Verstärkung der Schienen- und Wasserverkehre gewinnt Berlin.Brandenburg als Knotenpunkt diverser Kultur- und Handelskorridore im deutschen und europäischen Kontext an Bedeutung. Entsprechend wird das Schienen- und Wasserverkehrsnetz der Region Berlin.Brandenburg konsequent optimiert.

Wachstum folgt den Radialen und verbindet die Städte
Die urbanen Erweiterungsgebiete folgen den sternförmigen Bahnradialen zwischen den geschützten Landschafts- und Kulturlandschaftsräumen. Sie verbinden so die zerstreuten Siedlungsansätze zu kompakteren Stadtstrukturen. Damit werden Flächen für die Ansiedlung von 1 Millionen neuer Einwohner gewonnen, ohne die Charaktere der Stadtstrukturen radikal zu verändern, all dies im Einklang mit den großzügigen Landschaftsräumen.

Landschaft kommt in die Städte
Die von Wäldern, Seen und Agrarflächen geprägte Landschaft außerhalb Berlins stellt ein einzigartiges Zukunftspotential für die klimatische und ökologische Regeneration der Region dar. Den räumlichen Zusammenhang dieser Flächen zu stärken und deren Einbindung in den wachsenden und sich verdichtenden Stadtkörper zu verbessern, stellt ein zentrales Motiv unseres Konzeptes dar. So werden Naturgebiete resp. naturnahe Gebiete mit entsprechender Infrastruktur und subtilen Wegeführungen für den Aufenthalt im Freien ertüchtigt. Kulturlandschaften verstärken die Wahrnehmung und das Verständnis der Region als Einheit und befördern in der Bevölkerung die Identifikation mit der Landschaft. So wird auch das gegenseitige Verständnis von Land- und Stadtbewohnern wachsen. Die radialen Wachstumsstränge ergänzen sich entlang der Schienen mit den zusammengefügten Räumen der Kulturlandschaft. Sie verstärken den Berliner Siedlungsstern zu einem komplementären Gefüge sich ergänzender Qualitäten: Stadt, Kulturlandschaft und Agrarlandschaft.

Der 3. Ring verbindet die Radialen
Den Hundekopf und den 2. Ring ergänzen wir durch einen neuen 3. Ring, um die Verbindung zwischen den Städten im Umland Berlins zu beschleunigen und so Umwege durch Berlin zu vermeiden. Wegen der Dichte und Nähe vieler Städte im Norden, Osten und Süden vernetzt der 3. Ring diese Orte und verbindet sich westlich von Potsdam mit dem 2. Ring. Dieser Kurzschluss optimiert die innere Dynamik der beiden Ringe, im Ergebnis wird der Hundekopf zum geometrischen Zentrum des Berliner Ringmodells.
Durch den 3. Ring wird die Mobilität im Berliner Umland wesentlich erhöht und die Abhängigkeit der Städte von Berlin reduziert. Der 3. Ring wird in Phasen realisiert, hierfür bietet sich der Start im Nord-Ost-Raum an, da hier die größte Wertschöpfung erwartet wird, synchronisiert mit dem Wachstum der Brandenburgischen Zentren. Durch Anbindung an die Radialen wird schon bei einer phasenweisen Realisierung die angestrebte Netzoptimierung wirksam.

Städtische Zentren an den Kreuzungen der Ringe und Radialen
Wie bereits am Hundekopf entstehen an den Kreuzungen von Radialen und Ringen urbane Zentren aus gewerblichen Nutzungen, sozialen Infrastrukturen und Wohnungen, die von der optimalen Mobilität profitieren. Entlang des 3. Ringes verstärken sich für die Wachstumszentren Brandenburgs die Möglichkeiten, sich unabhängig von Berlin zu entwickeln und miteinander zu verbinden.

Der 3. Ring als Hochbahn
Zur Schonung von Kulturlandschaft, Landwirtschaft und Tierwelt wird der 3. Ring als Hochbahn konzipiert. Damit werden auch Kreuzungen mit Straßen, Autobahnen und Flüssen vereinfacht. Eine leichte Bautechnologie befördert das harmonische Verhältnis zu Natur und Landwirtschaft. Die erhöhte Sicht aus dem Zug schenkt dem Reisenden ein Landschaftserlebnis, die Bahnhöfe in den Städten werden zu attraktiven Orten.

Drei exemplarische Orte
Für die Konkretisierung der Gesamtplanung haben wir drei Orte ausgewählt, die jeweils mit den Themen Mobilität, Stadtgeschichte, Wachstum und Landschaftsraum umzugehen haben. Zwei der Orte (Tempelhof.Südkreuz und Bernau) befinden sich an der Kreuzung von Radialen und Ringen, der dritte Ort (Schwedt) ist entlang einer Radialen gelegen. Am Beispiel dieser Orte zeigen wir die Besonderheiten der Region Berlin.Brandenburg: städtische Charaktere mit widersprüchlichen Geschichten, mit Industrie und Gewerbe, mit Naturgebieten vielfältiger Art, mit guter Bahnvernetzung und Potentialen zum Wachstum.

Tempelhof.Südkreuz
Der Ort war auch historisch ein exzeptioneller Ort, nicht bebaut und geprägt durch Bahnen, Wiesen, Kasernen und Übungsgelände. Heute stellen die benachbarten Kreuzungen von 1. Ring und Bahnradiale (Südkreuz) sowie von B-96, U-Bahn und Autobahnring (Tempelhof) ein einzigartiges Potential für eine städtebauliche Entwicklung dar. Zusätzliche Bedeutung erhält das Tempelhofer Feld als Erholungsraum und Kaltluftentstehungsgebiet für die Innenstadt. Wegen der optimierten überregionalen Erschließung bietet sich der Tempelhofer Damm für neue große Kulturprojekte in Berlin.Brandenburg an, für eine neue Landesbibliothek und Hochschul- und Wissenschaftsstandorte im Ex-Flughafen. Die Flächen entlang der Bahn werden für gemischt genutzte Quartiere gewonnen. Die Kreuzung B.96/U-Bahn/Stadtautobahn bietet einen idealen Ort für ein regionales Zentrum mit drei markanten Hochhäusern. Die Bahntrasse wird von einer Fahrradstrecke begleitet, die eine schnelle Verbindung zwischen Bahnhof und Flugfeld schafft. Der Autobahnring bietet sich idealtypisch für eine zukünftige Fahrradnutzung an. In der Summe wird Tempelhof.Südkreuz aus seiner stadträumlichen Isolation befreit und eine wichtige Aufgabe im Berliner Stadtgefüge erfüllen.

Bernau bei Berlin
Bernau stellt einen exemplarischen Fall für eine brandenburgische Stadt mit vielschichtiger Baugeschichte dar. Die Struktur der mittelalterlichen Mauer- und Wallanlage prägt Bernau bis heute. Die sozialistische Modernisierung seit 1975 hat die Substanz des Stadtkerns geschwächt aber nicht ausgelöscht. Die Bahnstrecke führt von Berlin nach Nordosten, Richtung Stettin und Ostsee. Die beiden Militäranlagen zeugen von der Bedeutung der Bahnverbindungen für die Stadt.
Mit dem Bau des 3. Ringes und der Kreuzung mit der Nord-Süd-Radiale entsteht in Bernau ein Knotenpunkt von höchster Mobilität, der die Entwicklung eines Bahnhofsquartiers neben der Altstadt ermöglicht. Die Revitalisierung der beiden Militärkomplexe bietet Raum für Wohnungen und überregionale Forschungseinrichtungen. Renaturierung der Panke und Panke-Park in unmittelbarer Nachbarschaft schaffen naturnahe Lebensbedingungen mit optimalen Verbindungen in die Region. Für den Regionaltourismus bietet der Barnim, von Bernau startend, einen optimalen Ausgangspunkt nicht nur für Bike-Touristen.

Schwedt an der Oder
In Schwedt treffen drei Stadtmodelle aufeinander: die mittelalterliche Stadt (seit 1265), das barocke Residenzschloss (von 1685) mit seiner prächtigen Gartenachse zum Lustschloss Mon Plaisir und die sozialistische Idealstadt (Selmanagic 1960, Paulick 1962) für die Arbeiter in der Petroindustrie. In diesem Kontext wird 1962 das Schloss gesprengt und durch den Kulturpalast ersetzt. Alle drei Stadtmodelle sind heute in einem fragmentarischen Zustand. Jenseits der Oder befindet sich der Oderpolder mit einer der wichtigen Oderbrücken. Mit der Bahn ist Schwedt über Angermünde an die Radiale Berlin-Stettin-Ostsee angebunden.
Diese Verbindung wollen wir optimieren, so dass diese Radiale als Schnellbahn von Berlin nach Stettin zukünftig über Schwedt und dann entlang der Oder zur Ostsee führt. Städtebaulich bietet sich in Schwedt die Chance, Mobilität, Stadtgeschichte und Naturraum zu einem komplementären Neben- und Miteinander zu verschmelzen.
Die Stadtmodelle werden reaktiviert: durch Stadtreparatur in der Altstadt, durch Aufbau des Schlossvolumens neben dem Theater, durch Belebung der grünen Achse und der Parkanlage Mon Plaisir und schließlich durch die bauliche Vollendung des Zentrums im sozialistischen Stadtmodell für wissenschaftliche und touristische Einrichtungen. Die neue Bedeutung des Bahnhofs führt zu einer städtebaulichen Verdichtung und besseren Anbindung, zugleich werden ehemalige Plattenbaugebiete renaturiert und das Schwemmland von Bebauung freigehalten. Durch diese Interventionen und den wachsenden regionalen Tourismus entlang der Oder, mit neuem Hafen, Oder-Stadtbad und Nationalpark eröffnen sich für Schwedt beste Aussichten - an der Bahnstrecke zwischen Ostsee und Berlin gelegen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wettbewerbsbeitrag versteht die Länder Berlin und Brandenburg als bauliche und
räumliche Einheit und präsentiert ein Gesamtkonzept für die Hauptstadtregion bis an die
Landesgrenze Brandenburgs. Auf einem Blatt werden Siedlungsflächen, Grünräume und
Verkehrsstrukturen integriert dargestellt und die Hauptstadtregion in einen europäischen
Kontext gestellt.

Grundsätzlich greifen die Verfasser die bereits bestehende Grundform des Siedlungssterns mit ihren historisch entstandenen Schienenradialen auf, verlängern und erweitern die Siedlungsflächen konturscharf entlang dieser Radialen bis in den Städtekranz und könnten dadurch Wohnraum für zusätzlich etwa 1 Million Einwohner schaffen. Zwischen den Siedlungsbändern erstrecken sich Grünkeile der Kulturlandschaften aus Landwirtschafts‐, Wald‐ und städtischen Grünflächen. Die Herangehensweise ist überzeugend.

Als Neuerung im Verkehrssystem schlagen die Verfasser einen zusätzlichen 3. Eisenbahnring vor, der in einem weiten Außenradius verläuft und zur Schonung der Kulturlandschaft als Hochbahn konzipiert ist. Der Bedarf für diesen zusätzlichen Eisenbahnring wird nicht genauer nachgewiesen. Das wird von der Jury kritisch gesehen, wobei das Grundkonzept der Arbeit dadurch nicht in Frage gestellt wird.

Der Schritt in der Maßstabskaskade vom Gesamtraum 1:100.000 zu den konkreten Orten im Maßstab 1:4.000 erfolgt in dieser Arbeit vorbildlich und konsequent. Exemplarisch entfalten die Verfasser drei Orte: zunächst entlang des 1. Eisenbahnrings Tempelhof‐Südkreuz, sodann entlang des 2. Eisenbahnrings Bernau. Durch eine geringfügige Verlagerung der Eisenbahnstrecke Berlin‐Stettin statt über Angermünde nun über Schwedt erschließen und fördern die Verfasser ihren dritten, weiter entlegenen Ort Schwedt. Die Wahl dieses Ortes wird von der Jury besonders begrüßt.

In allen drei Orten werden bestehende Nachverdichtungspotenziale ausgelotet. Im
Vertiefungsraum Tempelhof‐Südkreuz sind die Orte der Verdichtung entlang des
Tempelhofer Damms und des Eisenbahnrings bzw. der A100 gut gewählt. Obwohl teilweise
etwas schematisch ausgeführt, entstehen punktuell doch gute räumliche Konzeptionen, wie
beispielsweise eine markante torförmige Hochhausgruppe am neuralgischen Kreuzungspunkt zwischen Ringbahn‐A100 und Tempelhofer Damm (B 96).

Am Mittelzentrum Bernau greifen die Verfasser einen exemplarischen Fall für eine
brandenburgische Kleinstadt mit teilweise erhaltener mittelalterlicher Struktur und
überregionaler Bahnverbindung heraus. Hier wird hauptsächlich auf Stadterweiterung im
Bereich des Bahnhofs in Form eines gemischt genutzten Bahnhofsquartiers gesetzt, aber
auch beispielhaft auf die Konversion einer ehemaligen Militärfläche, des
Heeresbekleidungsamtes (Südwestbereich), zu Wohnungen und Forschungseinrichtungen.
Die Verdichtungspotenziale sind gut erkannt. Gleichzeitig werden im Umfeld der
Nachverdichtungsmaßnahmen die Panke und die Anlage des Panke‐Parks renaturiert und
damit zusätzliche Erholungsflächen geschaffen.

Als exemplarischer Fall einer 80 Kilometer von Berlin entfernt gelegenen Stadt wird die
ehemalige brandenburgische Residenzstadt Schwedt herausgegriffen. Drei Stadtmodelle
treffen hier aufeinander: die mittelalterliche Stadt, die barocke Residenzstadt und die
sozialistisch geprägte Stadt. Diese Modelle werden durch beträchtliche Baumassen im
Bereich der ehemaligen Altstadt, der Plattenbausiedlungen und des Theaters Schwedt ergänzt. Durch Waldrückgewinnung, Kleingärten für Selbstversorger und Neugestaltung der barocken Allee werden zusätzliche Grün‐ und Erholungsflächen geschaffen.

Besonders würdigt die Jury an dieser Arbeit die Integration der Themen Siedlungsflächen,
Grünflächen und Verkehrssystem im Gesamtplan 1:100.000 und die gleichzeitige
überzeugende Bearbeitung von Gesamtraum und konkreten Orten. Dabei werden einige
städtebauliche Modelle, wie die Ergänzung mittelalterlicher, barocker oder sozialistisch
geprägter Räume raumübergreifend entfaltet und auf städtebauliche Parallelen im Berlin‐
Brandenburgischen Großraum hingewiesen. Hierin entfaltet die Arbeit ein zusätzliches
Potenzial.