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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2020

Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027 Dortmund

Anerkennung

A24 Landschaft

Landschaftsarchitektur

Buro Happold

Bauingenieurwesen

Jose Maria Sanchez Garcia

Architektur

Leon Giseke

Visualisierung

Erläuterungstext

Zukunftspark Dortmund als Verbindung von Industriegeschichte und Landschaftstechnik
Die lineare Grundstruktur des Kokereigeländes mit seinen langen horizontalen Linien wird aufgegriffen und bis in den neuen Park auf dem Grünanger verlängert. Dieses streifenartige Gliederungsprinzip schafft eine starke Vernetzung von der Kokerei im Süden bis zum Bahnstellwerk Mooskamp im Norden und bindet das zentral gelegene Landschaftsbauwerk wie selbstverständlich in das Parklayout ein. Die bereits in Grundzügen vorhandene Differenzierung in verschiedene Zonen, wie beispielsweise der Industriewaldkorridor, wird aufgegriffen und zu unterschiedlich programmierten Themenbändern verdichtet. Der Besucher kann so mühelos zwischen den verschiedenen Themenwelten wandeln.

Der Grünanger ist zentrale Parkfläche und wichtiges Verbindungsgelenk zu den angrenzenden Landschafts- und Stadträumen. Zur IGA 2027 wird hier der Hauptausstellungsbereich mit den Themenwelten Recyceln + Reinigen, Energie + Nachhaltigkeit und Nahrung + Produktion sowie Veranstaltungsbühnen, zentralem Spielplatz und Gastronomie verortet. Das Wegesystem lässt sich zu unterschiedlich langen Rundwegeschleifen verbinden.

Die ebene Fläche des Grünangers mit seinen monotonen, ausgeräumten Landschaften ist Relikt industrieller Nutzung und erster Rekultivierungsmaßnahmen. Das bis zu 7m hohe Landschaftsbauwerk bildet die markante topographische Erhebung im Zentrum des Parks. Von hier lassen sich die Offenheit und Weite besonders gut erfahren. Das freigeräumte Plateau wird nur behutsam erschlossen, auch, um nicht unnötig in die Dichtungsschichten der Deponieabdeckung eingreifen zu müssen. Die Offenheit und Weite des Areals soll im Charakter erhalten bleiben und durch gezielte topografische Setzungen und Gehölzpflanzungen rhythmisiert werden. Langgezogene Erdmodellierungen mit einer Höhe zwischen 1,50m und 3,00m durchziehen den Park und schaffen eine Diversifizierung der Teilräume. Aufgrund ihrer Höhe erlauben sie Baumpflanzungen außerhalb der nicht durchwurzelbaren Dichtungsschichten. Die Baumreihen aus Populus tremula, Alnus, Robinia pseudoacacia oder Acer campestre unterstützen das räumliche Gliederungsprinzip des Parks. Das 2m flache Erdplateau im Nordosten wird an den Park angebunden und barrierefrei erschlossen. Labyrinthartige Feldkabinette schaffen eine dauerhafte Attraktion mit versteckten Picknick- und Rückzugsbereichen.

Feine Linienbänder aus Ortbeton mit Besenstrich legen sich in den Park und betonen die Längsverbindungen. Neue Querachsen aus hellen, porösen Asphaltdecken verspannen die verschiedenen Bereiche im Park über das Gebiet hinaus, vom Energiecampus im Westen bis zum Deusenberg im Osten. Ein Wegering um das Landschaftsbauwerk erschließt kleine Plätze aus wassergebundener Wegedecke mit Picknickmobiliar. Die Aufenthaltsorte in den Wiesen sind aus Schotterrasen. Nur wenige Bereiche wie die Plätze im Wassergartenband werden aus einem hochwertigen Plattenbelag hergestellt. Die rauen Materialien passen sich gut in die umgebende Industriekulisse ein.

Den Park prägen extensive Wiesenlandschaften, ergänzt um großflächige Streifen aus Präriestauden- und Gräsermischungen. Die Artenzusammensetzung aus Bromus biebersteinii, Dactylis glomerata, Medicago sativa, Medicago arborea, Lathyrus odoratus, Vicia cracca, Vicia faba, Anthemis arvensis, Phaseolus coccineus, Trifolium pratense und Cinara cardunculus begünstigt die Phytoremedationsprozesse zur Reinigung der kontaminierten Bodenschichten.

Das in den Grundzügen bereits angelegte Regenwasserbewirtschaftungskonzept mit seinen offenen Entwässerungsmulden wird aufgegriffen und als sichtbarer Teil in die Parklandschaft integriert. Das zentrale Regenrückhaltebecken betont den Endpunkt der Wassergärten mit breitem Hozdeck und schafft sowohl einen stimmungsvollen Ort als auch ein ökologisch wertvolles Biotop mit offenen Wasserflächen und Feuchtwiesen. Die Wassergärten schaffen eine ästhetisch ansprechende Abfolge aus unterschiedlich tiefen Wasserbecken und Holzstegen. Einige Segmente sind mit Phragmites australis, Typha, Lemna, Papyrus, Carex und Acorus bepflanzt. Das Band integriert mehrere Platzsituationen, beispielsweise den Auftakt zum Brückenbauwerk.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit 2006 greift die linearen Strukturen der Kokerei Hansa auf und führt sie nach Norden in den Grünanger hinein fort. Die Verzahnung der beiden Schwerpunkträume gelingt durch sogenannte Wassergärten als Beitrag zum nachhaltigen Wassermanagement und ein Spieleband, das sich von der Kletterhalle ausgehend auf dem Gelände des Grünangers zu einem attraktiven Konzept für aktive Freizeitgestaltung zu entwickeln vermag.
Um die Linearität des Kokereigeländes auch auf dem Gelände des Grünangers herauszuarbeiten gliedern die Verfasser den Landschaftsraum sehr sensibel mit feinen und langgezogenen Erdmodellierungen in Themenkorridore zu aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Energie, Klima, nachhaltige Nahrungsmittelproduktion und Biodiversität. Durch die bänderartigen Geländemodellierungen gelingt es Voraussetzungen für Gehölzpflanzungen
auch dort zu schaffen, wo es aufgrund der verdichteten Böden bislang nicht erfolgreich war. Die weite offene Wiesenlandschaft des Grünangers wird durch extensive Präriestauden und Gräsermischungen aufgewertet und für das Nachnutzungskonzept werden bereits perspektivische Vorschläge zur ökologischen Weiterentwicklung gemacht. Mit dem Kokereigelände gehen die Verfasser behutsam um. Neben seinem bisherigen historischen Zugang wird von Süden ein neuer großzügiger Haupteingang geschaffen, der in der Lage ist, ein höheres Besucheraufkommen aufzunehmen. Dieser Kokereiplatz bietet außerdem hohe Aufenthaltsqualitäten und Sitzelemente, ein Café, Kohlegärten
und Skulpturenschmuck. Nicht nachvollziehbar erscheint der Jury jedoch der generelle Vorschlag, in die Kompressorenhalle eine temporäre Blumenhalle zu integrieren. Hierfür wurden weitergehende konzeptionelle Erläuterungen vermisst, wie der Pflanzenschmuck mit den alten Maschinen korrespondieren soll.
Das vorhandene städtebauliche Konzept für den Energiecampus respektieren die Verfasser. Mit breiten grünen, in Ost-West-Richtung ausgerichteten Bändern, schaffen sie wohltuende Zäsuren zwischen den Gebäuden und verbessern die Durchgängigkeit zum künftigen Stadtteilpark nach der IGA.
Den Deusenberg ergänzen die Planverfasser um großflächige naturnahe Staudenpflanzungen, die die bereits gepflanzten Baumcluster um weitere sichtbare Blütenhänge ergänzen sollen. Die landschaftsarchitektonische Konzeption insgesamt ist nachhaltig angelegt, weil sie in allen Teilräumen bereits die Nachnutzung und ein extensives Pflegekonzept mitdenkt. Insgesamt überzeugt die Arbeit durch ihre klare Formensprache und einen klaren guten Rhythmus.
Als großes Manko wird das vorgeschlagene Brückenbauwerk empfunden. Bei allen überzeugenden Maßnahmen, die Trennung zwischen den einzelnen Landschaftsräumen aufzuheben, wird mit dem "mehrstöckigen schwebenden öffentlichen Raum" eine neue Zäsur geschaffen. Dort zusätzliche Aufenthaltsräume für Kontemplation, Naturbeobachtungen und Events zu schaffen, ist für die Jury nicht nachvollziehbar, denn alle von den Verfassern genannten Nutzungen sind bereits auf dem Kokereigelände mit den vorhandenen Bauten authentisch möglich. Das doppelgeschossige Tragwerk der Brücke ist ein Fachwerk aus Stahlprofilen mit Kreuzdiagonalen mit zwischenliegenden Betonplatten. Die Diagonalen sind nur partiell statisch belastet und die Konstruktion erscheint für die Anforderungen aus Brückenlasten und den eingearbeiteten Treppenzügen (Beton) nicht ausreichend dimensioniert. Diese Brücke sprengt das finanzielle Budget um ein Vielfaches und provoziert möglicherweise gesellschaftliche Nutzungen, die der Qualität des Ortes eher schaden, als ihn zu qualifizieren.