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Kooperativer verkehrsplanerischer Ideenwettbewerb mit städtebaulichem Realisierungsteil | 07/2020

Neugestaltung des Areals "RT unlimited" in Reutlingen

1. Preis

Preisgeld: 25.000 EUR

HHS Planer + Architekten AG

Architektur

GTL Landschaftsarchitektur Triebswetter, Mauer, Bruns Partner mbB

Landschaftsarchitektur

LK Argus GmbH

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Der Klimawandel und der gesellschaftliche Wandel sind die herausragenden Fragestellungen einer zukunftsorientierten Entwicklung. Die Klimawende kann nur erreicht werden, wenn auch eine Kehrtwende bei der Verkehrsgestaltung gelingt. Die zentrale Aufgabe wird sein, diese mit den notwendigen Mobilitätsbedürfnissen in Einklang zu bringen, auch in Reutlingen unlimited. Grundüberlegung für die verkehrsplanerische Konzeption ist somit, sensibel und nachhaltig mit den im Plangebiet bestehenden Verkehrsinfrastrukturen umzugehen. Ausgehend vom Bestand findet die Neuordnung und Anpassung der verkehrlichen Erschließung statt. Hierbei kann die derzeitige Haupterschließung der Max-Planck- Straße fast vollständig erhalten bleiben.

Vor dem Hintergrund des Klimawandels und einem sich verändernden Bewusstsein für eine „gesunde Mobilität“, sollen innerhalb des Gebiets Strukturen geschaffen
werden, die entsprechenden Formen der Fortbewegung unterstützen. Daher sollen
sich die Verkehrsflächen innerhalb des Gebiets differenzieren und Bereiche
entstehen, die eine sichere Fortbewegung mit dem Fahrrad und zu Fuß ermöglichen. Durch die Schaffung von sicheren Radwegen wird ein schnelles und sicheres Durchqueren des Gebiets ermöglicht. Mit der Etablierung von Fahrradleihstationen
und geschützten Radabstellanlagen und Fahrradboxen innerhalb des Gebiets wird
der Radverkehr zusätzlich gefördert. Die Radwege und Fußwege verbinden die
geplanten Freiräume innerhalb und außerhalb des Plangebiets miteinander und
schließen an vorhandene Fuß- und Radwegeverbindungen an. Neben den Fuß- und Radwegeverbindungen wird das Gebiet durch den ÖPNV mit Bussen sowie zukünftig ergänzend durch kleinere Elektro- und Wasserstoff-Mini-Busse erschlossen.

Städtebauliche Konzeption
- hohe Dichte, urbane Stadträume
- attraktive Quartiersfreiräume
- geringe Verkehrsbelastung
- flexible Parzellierung
- flexible Anordnung und Änderung von Wänden und Geschossdecken
- nachhaltig nutzbare Gebäude
An zentralen Punkten im Planungsgebiet entstehen großzügige Quartiersplätze. An
den Platzrändern werden öffentliche Nutzungen angesiedelt (Nahversorgung,
Fitness, Kinderbetreuung). Die Plätze sind innerhalb des Quartiers bequem fußläufig
oder per Rad erreichbar. Das Industriegebiet RTUnlimited wird um die Quartiersplätze herum entwickelt.

Freiraumkonzept
Das Verständnis des öffentlichen Raums als belebter Stadtraum ist zentraler
Baustein des Leitbildes. Ziel des vorliegenden Konzepts ist es deshalb, Straßen,
Plätze und Wege in erster Linie als Aufenthaltsräume deutlich aufzuwerten und erst
in zweiter Linie als Verkehrsraum zu entwickeln. Das ist eine entscheidende Voraussetzung zur Entwicklung eines attraktiven und lebenswerten Stadtteils.
Aus diesen Gründen wird die Haupterschließung als zentrales Rückgrat des
Quartiers großzügig dimensioniert. Der mit hochwertigen Bäumen und Mobiliar
ausgestattete Boulevard wird mit einem eigenständigen Profil aufgewertet.
Identitätsstiftender Punkt des Areals sind die Plätze.

Im Realisierungsteil entwickelt sich das Gebiet vom „Eingangsplatz“ in Richtung
Westen. Über diesen Platz sind die Bushaltestellen, die S-Bahn und ein Parkhaus
angebunden. Darüber hinaus übernimmt der Platz Funktionen eines öffentlichen Quartiersplatzes, der sich zum Boulevard hin öffnet. Damit wird ein attraktiver Stadtraum mit hoher Aufenthaltsqualität, Verkehrssicherheit und sozialer Kontrolle für Fußgänger und Radfahrer geschaffen und eine repräsentative Adressbildung für die anliegenden Gewerbetreibende und Kunden gefördert.
Insgesamt kann das Erschließungssystem als feingliederig, übersichtlich und offen
charakterisiert werden. Durch die unterschiedlichen Zonierungen, Straßenraumaufteilungen, die klaren Sichtachsen sowie durch die platzartigen
Aufweitungen entlang der Haupterschließung - dem „Grünen Boulevard“- ergibt sich
eine optimale Orientierung für alle Verkehrsteilnehmer. Diese städtische Promenade erschließt nicht nur das gesamte Gewerbegebiet, sondern präsentiert sich auch als starkes Identifikationsmerkmal für die Anlieger.
Mit unterschiedlichen Baumarten bepflanzt, verändert sich dieser neue breite
Quartiersboulevard im Laufe des Jahres. Besonders im Frühling und im Herbst,
wenn die Bäume blühen bzw. ihre Herbstfärbung das Stadtbild prägen. Im
Frühsommer, wenn die Schnurbäume cremeweiß blühen sowie im Herbst, wenn sich
die Blätter der Eichen in einem intensiven Farbspiel aus gelb und orange färben,
setzt der Quartiersboulevard einen starken Akzent auch über das neue Quartier
hinaus. Die neue Straßenmöblierung aus langen Doppelbänken lädt zum Verweilen
unter den in einem unterschiedlichen Takt gepflanzten Bäumen ein.
Zentrales Herzstück des Boulevards wird der Quartiersplatz; hier bietet sich die
Einrichtung eines Cafés oder Restaurants mit Außengastronomie und Läden
besonders an. Auf dem Platz findet im Schatten der freistehenden Bäume das
städtische Leben statt. Im Ideenteil ist ein weiterer Stadtplatz als Bindeglied der Quartiere geplant. Eine Parkanlage mit See bildet ein zentrales Freiraumelement und steigert den Mehrwert des gesamten Stadtteiles. Der See wird zur Retention von Regenwasser angelegt und trägt mit seinen Sitzstufen und Stegen zur Aufenthaltsqualität bei.
Mit den vorgeschlagenen Freiräumen und den individuell gestalteten Dachflächen in Form von Terrassen, Loggien und Dachgärten entstehen differenzierte
Freiraumqualitäten und Angebote für unterschiedliche Nutzer im Quartier.
Die stark durchgrünte Struktur prägt das neue Quartier.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit setzt ein klares, der Stadt zugewandtes Gerüst durch drei Schlüsselbereiche, wobei der nördlich und südliche mit einem Hochpunkt zusätzlich markiert wird. Im Norden öffnet sich ein Platz durch Brücken und Freitreppen zur zukünftigen Haltestelle. Die deutliche Öffnung wird begrüßt. Im Süden befindet sich ein Park mit Hochpunkt und KEP-Hub als auch einem Mobilitätshub Größe B auf dem KEP Hub. Gemeinsam entwickelt sich hier ein attraktiver Umschlagplatz für Mensch, Logistik und Natur, mit deutlich anderer Qualität zu den zwei anderen Plätzen, die gemeinsam ein diverses Angebot für die Nutzer über den Arbeitstag bieten. Zuletzt beinhaltet die Arbeit einen ersten Teil eines zentralen Quartiersplatzes, der sich in voller Größe jenseits der Phase 1 entwickeln soll. Der Ort ist bei genauerem Hinschauen klug gewählt, da sich dort derzeit vornehmlich Parkflächen des technischen Betriebsdienstes befinden. Der Quartiersplatz öffnet des Weiteren eine Achse in Richtung Stuttgarter Straße, die jedoch etwas unvermittelt endet. Die Arbeit setzt zum einen ambitionierte Ziele für RTunlimited als Industriegebiet der Zukunft, versteht aber ebenso, den Bestand pragmatisch aufzunehmen und in die Zukunft zu schreiben. Dabei wird aus der Setzung von den drei Schlüsselbereichen Stadtplatz, Quartiersplatz und dem Pocket-Park im Süden (Retentionsfläche) klar ersichtlich, dass das Konzept über sich hinaus in den Bereich des Ideenbereichs wirken möchte, ohne sich von evtl. unrealistischen Setzungen abhängig zu machen. Die sogenannten Mobilitäthubs sind gleichzeitig in Ihrer Mischnutzung (z.B. inkl. Co-Working ab Größe M) Inkubatoren für den Realisierungsbereich. Die diversen Nutzungen zu Gunsten der Anrainer suggerieren, dass von entsprechenden Betreiberkonzepten mit Umlagen auf die Industriepartner ausgegangen wird. Das Nutzungskonzept scheint realistisch und zeigt im Ansatz Flexibilität in der Unterteilung und Grundstücken und/oder gemeinschaftlicher Nutzung. Die Arbeit sollte in dem Bereich Ecke Siemensstraße/ Schuckertstrasse eine mittelfristige Übergangslösung erarbeiten, die den derzeitigen Bestand aufnimmt und entweder in einer Weiterentwicklung inkludiert, oder in den ersten 10-15 Jahren auch mit dem Bestand (Innovationszentrum) gut funktioniert. Das Preisgericht hält das für möglich, ohne dass das Konzept hier im Grundsatz nicht mehr funktionieren würde. Der südliche Park (bescheiden Retentionsfläche genannt) ist mit kleineren Einheiten umgrenzt, die derzeit nicht innerhalb der Realisierungsgebietes liegen. Der bereits ökologisch arbeitende Park könnte weiter ausgebaut werden, um in der unmittelbaren Nachbarschaft des KEP Hubs auch kleine temporäre Nutzungen (z.B. mit Containern) zu ermöglichen. Kleinteilige Arbeitsflächen in attraktiver Umgebung bieten zeitgemäße Ergänzungen für alle hier angesiedelten Betriebe. Die Lage des KEP Hubs scheint klug gewählt, da von hieraus nicht nur das Wettbewerbsgebiet, sondern auch größere Teile Reutlingens mit nachhaltigere Logistik erschlossen werden kann. Die Arbeit zeigt einem im Vergleich hohen Fokus auf Umweltaspekte, was für einen Industriegebiet der Zukunft selbstverständlich sein sollte. Gründächer und Retentionsflächen lassen darauf schließen, dass die Verfasser sich Gedanken über ökologische Kreisläufe gemacht haben (Wasser, Biodiversität, Luftqualität). Die konsequente Bepflanzung der Straßen unterstützt die hier vorgehaltenen Ökosystemdienstleistungen. Straßenbereiche sind durch das Mobilitätskonzept weitestgehend frei vom ruhenden Verkehr. So entsteht Raum, um die unterschiedlichen Interessen von Fußgängern, Fahrradfahrern und Schwerlastverkehr dennoch zu vereinen, wobei hier insbesondere an Kreuzungsbereichen noch im Detail weitergedacht werden muss. Die Arbeit zeigt Parktaschen entlang der gesamten Max-Planck-Straße. Die Jury fragt sich, inwieweit das jenseits des behindertengerechten Parkens notwendig ist. Schlussendlich wird das Verhältnis von versiegelten zu unversiegelten Flächen in den Plätzen positiv bewertet. Das Mobilitätskonzept wird als schlüssig erachtet. Die Positionierung der größeren Hubs an den Rändern des Entwicklungsgebietes ist richtig, ebenso die Positionierung von kleineren S Hubs zentral im Gebiet. Die Arbeit kann bei konsequenter Verfolgung insbesondere der notwendigen Betreiberkonzepte ein sehr vielversprechende Zuhause für die Industrie 4.0 hinzu 5.0 sein.
Perspektive Quartiersplatz

Perspektive Quartiersplatz

Perspektive Brücke

Perspektive Brücke

Vogelperspektive

Vogelperspektive