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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2020

Umgestaltung der Rathausstraße in Rietberg

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 27.500 EUR

RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Umgestaltung der Rathausstraße in Rietberg

Hintergrund
Die Innenstadt Rietbergs zeichnet sich als historisch erhaltene Altstadt aus. Zahlreiche denkmalgeschütze Gebäude aus dem 17. und 18 Jahrhundert verleihen insbesondere der Rathausstraße das besondere Ambiente einer historischen Kleinstadt. Der lineare Raum der Rathausstraße bietet an den Aufweitungen im Zentrum (Rathausplatz) und an den Anfangs- (Nordtorplatz) und Endpunkten (Südtorplatz) die Möglichkeit, besondere Orte zu schaffen. Ziel des Entwurfes ist es, eine gleichzeitig zeitgenössische, moderne Gestaltung zu finden, deren Selbstverständnis es ist, das Bild der historischen Stadt zu respektieren und hervorzuheben.

Konzept
Den Nordtorplatz gilt es, als Haupt KFZ-Zufahrt in den Innenstadtbereich, so zu gestalten, die Zufahrt für Autofahrer möglichst wenig intuitiv wahrzunehmen und so klar zu markieren das die Rathausstraße keine Durchfahrtsstraße ist, sondern nur für Anlieger und Anlieferung zu nutzen ist. Gleichzeitig soll der Platz von einem Verkehrsraum in einen hochqualitativen Aufenthaltsraum umgestaltet werden. Dazu wird die gesamte vom Städtebau formulierte keilförmige Fläche als ein Platz definiert, der durch rahmende Baumcluster zusätzlich in seiner Figur betont wird. Eine Bewegungsspur als Eingrenzung des KFZ-Verkehrs wird so im westlichen Bereich des Platzes angeordnet, das eine direkte Sichtverbindung in die Innenstadt für Autofahrer von der Bahnhofstraße und Wiedenbrücker Straße nicht möglich ist. Als Abgrenzung zum stark befahrenen Straßenraum im Norden werden als Platzrahmung Staudenhochbeete mit Sitzkanten zum zentralen Bereich und Baumcluster genutzt. Eine freie Sicht in die Altstadt bietet sich erst vom inneren Bereich des Platzes. Die Staudenhochbeete bilden auch eine transparente Rahmung zur östlichen Bebauung und Anwohnerzufahrt. Die südliche Seite des Platzes geht offen in die Gestaltung der Rathausstraße über und bietet mit einer Spiel- und Infoinsel sowohl zusätzliche Aufenthaltsqualität als auch einen informativen Auftakt am Kreuzungspunkt zwischen Innenstadt, Wallpark und Nordtorplatz. Das Herz des Nordtorplatzes ist ein offener Rasenbereich, der sowohl als offene Spielfläche als auch als Ort zum Entspannen genutzt werden kann. Die Nordwestliche Rasenkante ist mit einer Sitzstufe ausgestattet, zu der die Rasenfläche leicht abfällt und so ein natürlicher Bereich zur Regenwasserversickerung entsteht. Zusätzlich schafft dieser Höhensprung Verkehrssicherheit als Abgrenzung der Spielwiese zum Fahrbereich. Über die Ems, deren Brücke mit neuen Bänken ausgestattet wird, führt die Rathausstraße in den nördlichen Innenstadtbereich. Im Querschnitt wird sie wie folgt gegliedert: Entlang der westlichen Gebäudefassaden schließt zunächst ein mindestens 2,5m breiter Gehbereich an. Diesem folgt ein 2m breites Multifunktionsband das zum einen passende Flächen für PKW-Stellplätze in Längsaufstellung hat (bzw. auch Lieferzonen), zum anderen Aufenthaltsflächen mit Bänken und Flächen für Außengastronomie bietet. Schmalkronige Baumneupflanzungen gliedern das Band in Nutzungsabschnitte und können, zur Wahrung der Wirkung der historischen Fassaden, in entsprechenden Abständen bzw. zwischen den Gebäudegiebeln gesetzt werden. Der mittlere „Bewegungsbereich“ definiert den Fahrbereich für den KFZ-Verkehr und Radfahrer (Beide Richtungen), kann aber auch von Fußgängern unter gegenseitiger Rücksichtnahme genutzt werden. Auf der Ostseite schließt schließlich eine flexible freie Zone an, die in Ihrer Breite je nach Gesamtstraßenbreite variiert. Sie wird von Fußgängern genauso genutzt wie sie Platz für Außengastronomie bietet. Durch ihre Offenheit bietet sich ein freier Blick auf die historischen Giebelfassaden. Dieser Bereich verbindet auch die alle auf Ostseite befindlichen Platzaufweitungen. Ein durchgängiges breiteres Einfassungsband zwischen freiem Bereich und Bewegungsbereich dient als Entwässerungsband sowie als Taktiles Leitsystem. Dies ist das einzige Belagselement das sich sowohl durch den gesamten Straßenbereich als auch durch die Platzsituationen zieht. Im Bereich des Rathausplatzes gibt es Autofahreren weiter Orientierung, während ansonsten der Altstadtpflasterbelag den gesamten Platzbereich als ein zusammengehöriges Ensemble erlebbar macht. Der Rathausplatz als Zentrum der Innenstadt ist im Grunde nicht ein Platz, sondern ein durch den unregelmäßigen Städtebau definiertes Konglomerat aus städtischen Teilplätzen. Das Konzept sieht vor, den Bereich durch eine durchgängige Pflasterung als einen zusammengehörigen Bereich zu definieren. Zudem schafft ein „Ring“ von besonderen Elementen auf den einzelnen Teilplätzen mit Blick zu den jeweils anderen Bereichen eine starke Verbindung. Vorgesehen sind diese Elemente als Wasserspielelemente die den jeweiligen Charakter des Bereiches widerspiegeln. Der vordere Bereich des Rathausplatzes (an der Rathausstraße) stellt das eigentliche historische Zentrum mit Rietbergs ikonischer Architektur dar. Die Bereiche vor Rathaus und Kirche bleiben daher freigestellt und lassen die Fassaden so maximal wirken. Vor dem Rathaus sorgt lediglich der verlagerte Bestandsbrunnen für Auflockerung und vor der Kirche passt sich ein Himmelsspiegel der Atmosphäre an. Der rückwärtige Bereich des Rathausplatzes kann zwar nicht mit ikonischer Architektur aufwarten, aber auch hier besteht erhebliches Potential. Eine Mischung aus dennoch charakterbildenden historischen Fassaden, lockeren rahmenden Baumgruppen mit Sitzmöglickkeiten, einem barrierefreien Wasserspiel und einer großen Überspannleuchte sorgen für eine Belebung des Platzes. Die umgebenden Gebäude erhalten Belagsrahmungen (Stein, bzw. Staudenbeet an der Kirche) die den Platz zusätzlich fassen und als Markierung für eine Außennutzung der Gebäude dienen (z.B. Außengastronomie, Gemeindefeiern etc.). Der Platz lebt so durch seine hohe atmosphärische Aufenthaltsqualität, aber auch die neue Bespielbarkeit (Wasserspiel) auf. Die Überspannleuchte sorgt für eine besondere Atmosphäre bei Nacht. Die freien zentralen Bereiche ermöglichen eine flexible Nutzung auch für Märkte, Feste oder wenn notwendig für PKW-Stellplätze. Der Fahrbereich ist nur durch Markierungsnägel markiert. Der Südtorplatz wird als weiterer Multifunktionsplatz mit hoher Aufenthaltsqualität gestaltet. An der Ecke zur Rathausstraße bilden das Bestandswasserspiel und die Bestandsgroßbäume einen einladenden Auftakt mit Sitzmöglichkeiten. Es schließt sich der offene multifunktionale Bereich an, der für Veranstaltungen und auch Märkte nutzbar ist. Am nördlichen Rand befinden sich temporäre PKW Stellplätze. Östlich der Südtorschule Bietet eine Terrasse mit Blick auf zwei Spielinseln attraktive Aktivitätsmöglichkeiten. Diese „Inseln“ können bei einer späteren Umgestaltung der privaten Parkierungsfläche als verbindendes Element dienen, auch hier wären dann grüne Hochbeetinseln, Aufenthaltsinseln etc. denkbar. Die Vorderseite Der Südtorschule bleibt bis auf eine Aufenthaltsinsel freigestellt um die charakteristische Architektur am Altstadteingang wirken zu lassen.

Begrünungskonzept und Klimaanpassung
Bei der Planung wird auf den Erhalt wertvoller Bestandsbäume geachtet. Besonders erwähnenswert sind hier die Großbäume an der Südtorschule sowie die Bestandslinden am Nordtorplatz. Die meisten Bestandsbäume in der Rathausstraße (Gleditschien/Robinien) werden dagegen aufgrund der im Kontext unpassenden Wuchsform, Pflegeaufwands und Zustand als nicht erhaltenswert angesehen. Stattdessen sorgen hier schmalkronige und kompakt bleibende Stadtlinden (Tilia cordata Greenspire) für ein angenehmes Stadtklima und hohe Aufenthaltsqualität. Durch den lichten und kompakten Kronenaufbau wird zudem kaum der Blick auf historische Fassaden verstellt. Zusätzlich zu der Bepflanzung mit Straßenbäumen wird ein modulares Hochbeetsystem als flexibles Aufsatzssystem eingeführt. Dieses sorgt als Unterpflanzung der Stadtbäume für einen weitere attraktive Begrünung der Innenstadt, und kann als Teil des Multifunktionsbandes, als Gliederungselement zwischen den einzelnen Funktionen wie Parkierung, Spiel und Aufenthalt und Gastronomie sorgen. Bei Veranstaltungen lässt es sich nach Bedarf leicht abbauen. Das bereits bestehende Thema der kleinteiligen Fassadenbegrünung mit Kletterrosen wird weiter ausgebaut und sorgt für eine Gartenstadtatmosphäre. Staudenhochbeete sorgen am Nordtorplatz für eine attraktive Rahmung und sorgen zusammen mit der zentralen Rasenfläche für die Entstehung eines Grünen Platzes mit hoher Aufenthaltsqualität. Der Versickerungsbereich im Rasen sorgt wiederum für einen naturnahen Wasserhaushalt.

Materialwahl
Das Konzept setzt auf hochwertige, pflegeleichte Materialien die sich gut in das Altstadtbild einbinden. Als Bodenbelag werden verschiedene mehrfarbige Beige Granitplattenverbünde gewählt. Während im Straßenraum ein linearer Verband genutzt wird, werden die Platzbereiche mit unregelmäßigen richtungslosen Altstadtpflasterverbünden gestaltet. Besondere historische Fassaden sowie Gestaltungselemente wie Brunnen werden mit dunklen Farbverläufen im Belag besonders betont. Spiel und Aufenthaltsinseln des Nordtorplatzes sowie des Südtorplatzes werden mit Wasserdurchlässigem
offenporig gebundenem Edelsplittbelag gestaltet. Die bereits in der Rathausstraße vorhandenen Granitplatten werden nach Selektion im Multifunktionsstreifen wiederverbaut. Das Taktile Leitsystem wird als Natursteingefrästes Band durch die gesamte Rathausstraße gezogen. Für den Altstadtbereich
wird eine neue Familie von Stadtmobiliar entworfen, die mit ihrer Leichtigkeit und robusten, unauffälligen Materialien wie Holz und Metall einen modernen aber altstadtverträglichen Layer schafft. Bewusst werden hier dreiecks-, gewinkelte- und Trapezformen aufgegriffen, die das Thema „Stadt der schönen Giebel“ aufgreifen. Auch das Besucherleitsystem richtet sich nach dieser Maxime.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit gliedert den Stadtraum in gut proportionierte Raumzusammenhänge, die sich historisch belegen lassen. Im Norden wird der Platzraum durch einen gut gesetzten »grünen Anger« geprägt, der mit Sitzelementen und ansprechenden Staudenpflanzungen gerahmt wird. Durch die angemessen ausgebildeten Straßenraum der Rathausstraße entsteht der glaubhafte Eindruck, dass der motorisierte Verkehr nicht im Vordergrund steht. Die Pflasterung aus Natursteinen in Passeverband gibt dem Raum eine eigene Identität. Es gelingt den Verfassern einen angemessenen Auftakt zu gestalten.

Der Straßenraum der Rathausstraße mit einer durchgängigen Baumreihe im Westen wird positiv beurteilt, die Aufteilung des Raumes in reine Fußgängerbereiche, Multifunktionsflächen (Gastronomie, Parken, Ausstattung) und Verkehrsflächen ist gelungen, die Breite von 3,75 Meter ist zu überprüfen. Kritisch wird die Anzahl der Bäume gesehen, die überprüft werden sollte. Denkmalpflegerisch wird positiv beurteilt, dass der Straßenraum dreizeilig bleibt, wobei auch aus dieser Sicht die Baumstellung und Anzahl kritisch hinterfragt wird.

Im Bereich des Rathausplatzes wird besonders gewürdigt, dass die Verfasser eine Aktivierung und Attraktivierung der Ost-West-Achse durch den Einsatz von Wasserelementen und Licht schaffen. Die Anbindung der Rügenstraße muss jedoch gewährleistet sein. Die lockere Baumstellung wird befürwortet, die Verwendung des Elements Wasser an gleich drei Stellen in diesem Bereich scheint aber deutlich überdimensioniert. Denkmalpflegerisch wird die Beibehaltung der Totensäule gewürdigt, der Brunnen im Vorbereich des Rathauses wird aus diesem Blickwinkel kritisch gesehen.

Im Süden schließt ein gelungen gestalteter Platzraum an die Südtorschule an und bindet diese gelungen ein. Der multifunktionale Platz erscheint in seiner Ausprägung gut nutzbar. Die Inseln der »Pockets« erscheinen als gute Antwort, um im Stadtraum das Thema Spielen zu besetzen. Lediglich die unklare Setzung der Staudenflächen überzeugt nicht. Die Südtorschule ist Teil der Gesamtplatzgestaltung, was der denkmalpflegerischen Zielsetzung – auch im Hinblick auf Baumstellungen - entspricht.