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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2020

Konzeption eines Besucherzentrums sowie die landschaftsplanerische Aufwertung des Alten Friedhofs Judensand in Mainz

Perspektive

Perspektive

1. Preis

Preisgeld: 11.200 EUR

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Holzer Kobler Architekturen

Architektur

Erläuterungstext

Sprechende Hülle
Das Projekt zum Friedhof Judensand besteht nicht aus einer Gestaltung des Friedhofs. Es besteht aus der Schaffung einer sprechenden Hülle für einen scheinbar ungestalteten Ort der Erinnerung und des Glaubens, einen Ort an dem menschliches Gestalten in den Hintergrund tritt.

Diese Hüllstruktur besteht aus Sockel, Heckenwand und Öffnungen. Sie gibt dem Ort eine sichtbare Präsenz und Verankerung in einem heterogenen Stadtraum. Sie ermöglicht und inszeniert die Blicke von außen hinein. Und sie bildet dennoch eine bergende Hülle, ein Gefäß für die atmosphärische Dichte in ihrem Inneren.

Die vorgeschlagenen Hochbauten entwickeln als „Schutzbauten“ zeichenhafte Dachstrukturen für Haupteingang, für die Spolien und für das Besucherzentrum. Sie markieren damit tatsächliche und erzählerische Zugangsportale zum Ort und seiner Geschichte. Programmatisch und gestalterisch sind sie Teil der neuen Hülle des Friedhofs und ablesbar als gegenwärtige Hinzufügung.

Die Einfriedung
Die Einfriedung besteht aus einer doppelreihigen Eibenhecke in die ein wenig aufwändiger Zaun integriert ist und der von ihr durchwachsen wird. In diese Eibenwand sind schmale Sichtfenster integriert, die durch schlanke Metallrahmen gefasst sind. Die freie Taktung der Fenster ermöglicht ein situatives Reagieren auf Blicke und Details auf dem Friedhof selbst.

In Offenabschnitten, wie an der Aussichtsterrasse am Besucherzentrum oder in den Zaunfeldern der Tore, entwickelt sich aus der Addition der Rahmungen ein einfacher aber wertiger Zaun aus Flachstahlprofilen, der in der Detaillierung mit den Fenster und Türprofilen des Besucherzentrums korrespondiert.

Der vorhandene Sockel wird in die Einfriedung integriert: Er wird vom Putz befreit, saniert und mit einer Verschleißplatte aus Sandstein abgedeckt, womit er Sitzhöhe erreicht. Die Heckenpflanzung erfolgt hinter dem Sockel auf einem Erdauftrag in Sockelhöhe, Eingriffe in die bestehenden Bodenschichten werden so vermieden.

Die Hecke wird im Zweijahres-Rhythmus geschnitten („rough cut“) und dauerhaft bei einer Höhe von 1,50m gehalten. Blicke über die Hecke sind durch die Fenster oder – bei Besteigen des Sockels – über sie hinweg möglich. Die Gestaltung der Einfriedung lädt damit aktiv zu Erkundung ein.

Das vorgeschlagende Motiv des heckengesäumten Friedhofes geht zurück auf eine historische Darstellung des Jahres 1779.

Die Bauten

Positionierung und Einbindung

Das Projekt schlägt drei Dächer vor: das des Besucherzentrums, das Spolienlager und die Überdachung des Haupteinganges.
Zwei der Dächer, Eingang und Besucherzentrum, definieren den äußeren Rand der Friedhofsanlage und stehen auch für den Zugang der in verschiedenem Umfang geschaffen wird. Das dritte Dach schafft einen neuen zentralen und von aussen sichtbaren Ort im Friedhof für die Spolien der Synagoge. Das Spolienlager als leichter Körper zwischen den Bäumen, hat Sichtbezug zum Besucherzentrum und dem geplanten «Gedenkort Deportationsrampe».

Das Besucherzentrum definiert durch seine Position den Zugang zum Denkmalfriedhof und zu den Aussichtsplattformen. Das Dach betont die markante Ecke der Friedhofsmauer und schützt den offenen Umlauf über der Brüstung mit Blicken in beide Friedhofsteile. Vor dem Neubau entsteht ein großzügiger neuer Platz, der als Treffpunkt sowie als Aufenthaltsraum dient und gleichzeitig eine Wendemöglichkeit für Reisebusse bietet.

Architektur
Besucherzentrum: Das Besucherzentrum ist Anlaufpunkt sowie Ort für Ausstellungen und Seminare. Der kompakte Baukörper ist harmonisch auf dem Platz positioniert. Das Büro des Empfangs und der Zugang zu den WC- Anlagen öffnet sich gut sichtbar zum Zugangsweg der Paul- Denis- Straße.
Der Seminarraum öffnet sich mit drei Schiebefenstern zum vorgelagerten nord-östlichen Aussichtspunkt und zum Besucherfriedhof.
Das Haus, eine leichte Holzbaukonstruktion, steht über den bestehenden Fundamenten und wird auf Streifenfundamenten gegründet. Die Tragstruktur aus Schichtholzbalken formt gegen Platz und Denkmalfriedhof Sitznischen.
Die Felder zwischen den Balken werden mit engwelligen, glänzend verchromten Blechen vor der Witterung geschützt. Die überkragenden Dachbalken sind Schattenspender und verweisen auf Dächer von Laubhütten.

Spolienlager: Die leicht erhöhte Plattform schafft eine prägnante und gleichzeitig zurückhaltende Fläche für die Spolien und ist mit nur vier Punktfundamenten im Boden verankert. Die Konstruktion aus Holz schliesst gestalterisch an das Dach des Besucherzentrums an. Ein überstehendes Welldach formt den Witterungsschutz.

Eingang: Das dritte Dach beim Haupteingang ist bündig zur Hecke und betont den Eingang. Hier gibt es die Möglichkeit gedeckt Besucherinformationen zu positionieren. Die Zufahrt für Betriebsfahrzeuge ist sichergestellt. Die sensible Stützengestaltung aus Holz benötigt lediglich vier Punktfundamente und schafft durch seine Gestaltung mit Besucherzentrum und Spolienlager ein einheitliches Gesamtbild.

Der Friedhof
Blickbeziehungen in den Friedhof öffnen und zwischen den Friedhofsteilen herstellen: Die wichtigsten Maßnahmen vollziehen sich als pflegende Eingriffe vor Ort: Blickverstellende Strauchstrukturen und Astgarnierungen von Bäumen werden entfernt, wo nötig werden Blicke auch durch punktuelle Fällungen geöffnet. Ersatzstrukturen werden an der Südgrenze des Denkmalfriedhofs durch sukzessiven Aufwuchs entwickelt, das „Baumvolumen“ langfristig vervollständigt. Die wertvollen Offenlandbiotope werden dabei dauerhaft durch jährlichen Freischnitt erhalten. Der vorhandene Weg im Besucherfriedhof wird schon im Hinblick auf die Schonung der Baumbestände durch Aufbau auf den bestehenden Oberbau entwickelt. Zur Fassung der neuen Aufbauten wird eine Bandstahleinfassung erforderlich.

Um die vorhanden Breschen in der Mauer zwischen den Friedhofsteilen zu schließen, wird eine behutsame Ergänzung durch additive Rahmen-Elemente ähnlich dem Einfriedungsmodul vorgeschlagen.
Lageplan

Lageplan

Verlauf Friedhofseinfriedung / Sichtfenster-Rhythmus / Wiederherstellung Sichtbeziehungen

Verlauf Friedhofseinfriedung / Sichtfenster-Rhythmus / Wiederherstellung Sichtbeziehungen

Vertiefungsbereich

Vertiefungsbereich

Das vorgeschlagende Motiv des heckengesäumten Friedhofes geht zurück auf eine historische
Darstellung des Jahres 1779.

Das vorgeschlagende Motiv des heckengesäumten Friedhofes geht zurück auf eine historische Darstellung des Jahres 1779.