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Nichtoffener städtebaulicher Planungswettbewerb | 09/2020

Umgestaltung des Stadtraums der B14 in Stuttgart

Visualisierung

Visualisierung

2. Preis

Preisgeld: 70.000 EUR

Pesch Partner Architektur Stadtplanung GmbH

Stadtplanung / Städtebau

R+T Verkehrsplanung GmbH

Verkehrsplanung

bäuerle landschaftsarchitektur + stadtplanung

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Vision für den neuen Stadtraum B14 zielt darauf, den heutigen Verkehrsraum zu einem verbindenden Stadt- und Freiraum weiterzuentwickeln, der in der Lage ist, für die angrenzenden Stadtquartiere neue räumliche Entwicklungsperspektiven und mit jeweils eigenständigen, identitätsstarken öffentlichen Räumen und Lagequalitäten zu generieren.

Die prozesshafte Transformationsstrategie 2050 für den neuen Stadtraum B14 baut vor diesem Hintergrund auf folgenden Prämissen auf:
- Lebensraum Stadt zurückgewinnen
- Klimaflächen aktivieren
- Nutzbare Räume maximieren – Impulse für Quartiere
- Offensive für eine neue Mobilitätskultur
- Zukunftsoffenheit und Flexibilität

Das langfristige Verkehrskonzept des Wettbewerbsentwurfs legt eine kompakte Führung der Kfz-Fahrbahn als vierstreifige Straße mit signalisierten Knotenpunkten zu Grunde. Auf eine kreuzungsfrei geführte Fahrbahn für den Durchgangsverkehr (Unterführungen, Brücken, Rampen) wird zugunsten einer stadtraumverträglichen Balance aller Verkehrsangebote verzichtet, ebenso auf separate Fahrstreifen für die Erschließung der angrenzenden Quartiere. Um eine hohe Entwicklungsflexibilität und -offenheit zu gewährleisten wird auf der westlichen Innenstadtseite als Teil der Seitenflächen durchgehend eine Spur für „langsam fahrende Zukunftsmobilität“ offengehalten. Sie bietet die Möglichkeit neben Radverkehren weitere aktuell erprobte oder zukünftige Alternativen zum Kfz-Verkehr ins Mobilitätskonzept zu integrieren. So können beispielsweise elektrische, fahrerlos betriebene City-Shuttle o.a. oberirdische ÖV-Angebote die Zugänglichkeit in der Innenstadt und die Verknüpfungen mit S-Bahn und Stadtbahn attraktiveren.
Entscheidender Impulsgeber für die Mobilitätswende ist die Fahrradmobilität. Das Mobilitätskonzept sieht daher einen konsequenten Ausbau der Radinfrastruktur entlang der B14 vor. Bereits ab dem Schlossgarten wird der Rad(schnell)verkehr durchgehend im Zweirichtungsvekehr auf der östlichen Seite geführt. Die Radwege werden dabei konsequent als „Protected Bike Lanes“ getrennt von den Hauptfahrbahnen geführt.

Für den zunehmenden Bedarf an Innenstadtlogistik werden Multi-User Mikro-Hub als zusätzliche Umschlagpunkte im Logistiknetzwerk vorgesehen. Von den auch für größere Lieferwagen gut und weitestgehend konfliktfrei erreichbaren Hub-Standorten an der Heilmannstraße, Wagenburgtunnel und Breuninger-Hub erfolgt die fahrrad- oder kleinstfahrzeuggestützte Zustellung bzw. Abholung von Waren und Sendungen auf der „Letzten Meile“.

Interimsverkehrsführung: Die vollständige Rückgewinnung der Stadträume benötigen Zeit (Vision 2050). Um mit langem Atem das Ziel zu erreichen ist eine prozesshafte schrittweise Umsetzung in den kommenden Dekaden von besonderer Bedeutung. Bereits in einer sehr frühen Phase sollen in Zwischenlösungen Flächengewinne in den Seitenräumen der B 14 erzielt werden. Potenzial für eine Neuordnung der Verkehrsflächen bietet die geringe Anzahl hoch belasteter Knotenpunkte, die zukünftig durch die Neuorganisation des City-Rings weiter reduziert wird. Hierdurch können lange Strecken der B 14 flächensparend gestaltet werden; nur an einzelnen wenigen Knotenpunkten ist der Flächenbedarf größer. Ein spürbarer und sinnvoll nutzbarer Flächengewinn kann nur dann erzielt werden, wenn einzelne Nebenfahrbahnen möglichst vollständig entfallen. Im Interimskonzept soll daher schrittweise auf die östliche Nebenfahrbahn verzichtet werden, indem der Erschließungsverkehr der Quartiere östlich der B 14 über die Hauptfahrbahn abgewickelt wird und die Anbindung der Knotenpunkte vollständig über die westliche Nebenfahrbahn abgewickelt wird.

Reallabore und Flächenaktivierung: In einem ersten Schritt wird vorgeschlagen, die vergleichsweise gering frequentierte östliche Nebenfahrbahn zwischen Sophienstraße und Pfarrstraße im Rahmen eines „Reallabors“ erst temporär, dann dauerhaft aufgegeben. Das Reallabor bieten hier die Möglichkeit, die in Aussicht gestellten neuen Qualitäten testweise umzusetzen und somit Ängste vor Veränderungen abzubauen und konzeptuelle Nachjustierungen vorzunehmen. Die Erschließung des Bereichs Wilhelmsplatz / Torstraße übernimmt dabei die westliche Nebenfahrbahn, die in Gegenrichtung geführt wird. Die Flächengewinne kommen den Quartiersentwicklungen der Leonhardsvorstadt in besonderem Maße zu Gute.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf legt einen deutlichen Schwerpunkt auf die Neudefinition des Stadtraums durch die Schaffung vielfältiger neuer Freiräume für unterschiedliche Nutzungen und Mobilitätsformen. Unter der Überschrift „Vernetzt, klimagerecht, kooperativ“ werden sehr interessant Lösungen angeboten, die den Stadtraum nachhaltig qualifizieren, unterschiedlichen Nutzungsbedürfnissen gerecht werden können und mit einem Blick in die Zukunft den Herausforderungen der Stadtentwicklung im Stuttgarter Kessel gerecht werden. Übergeordnetes Ziel ist es, den Stadtraum als Lebensraum sukzessive zurück zu gewinnen.

Bemerkenswert ist ein ausgearbeitetes stufenweises Konzept, was – auch mit temporären Nutzungen und Umbauvorschlägen – eine sukzessive und auch wandelbare Planung zulässt, die auf neue Erfordernisse reagieren kann, die wir heute noch nicht kennen.

Die B14 verläuft weitgehend oberirdisch, am Neckartor, östlich der Cannstatter Straße ist eine Tunnelführung geplant, um den Stöckach und die geplante Wohnbebauung direkt mit dem angrenzenden Park zu verzahnen und dadurch ganz neue Qualitäten für den ganzen Stadtteil zu schaffen. Die Flächen für den MIV werden auf 66 % reduziert, ein gut durchdachtes Mobilitätskonzept organisiert den Verkehr neu. Ein „Langsam-Fahrbereich“ („Spur „Zukunftsmobilität“) für Räder und autonomen Shuttle-Verkehr wird als Ring um die Innenstadt geführt, was als interessante
und zukunftsgewandte Lösung gewertet wird. Die B14 wird weitgehend über vier Spuren geführt, zwischen Marienplatz und Österreichischem Platz werden zwei Spuren vorgehen. Ein Radschnellweg begleitet die B14, was grundsätzlich sehr gut ist. Dessen Lage an der Innenstadtabgewandten Seite wird unter Nutzungs- und Gestaltungsgesichtspunkten kontrovers diskutiert, vermeidbare Querungsprobleme sind zu erwarten. Auch die Dimension mit drei Meter Breite ist für einen Radschnellweg bei weitem nicht ausreichend.

Stadtklimatisch ist die Arbeit sehr gut zu bewerten. Ein Linearpark wird mit einem ökologischen Konzept verbunden, was jedoch im Einzelnen zu prüfen ist. Die Bündelung des gewonnenen Freiraums an der Ostseite der B14 ist gut gewählt. Es entstehen gut erreichbare Nutzflächen jenseits der Fahrspuren und eine Impulswirkung zur Aufwertung der angrenzenden Quartiere in der Leonhardsvorstadt.

Am Österreichischen Platz wird das zweigeschossige Niveau als Monument der autogerechten Stadt erhalten und durch eine kreative Gestaltung in einen neuen Kontext gestellt. Bauliche Eingriffe werden zurückhaltend und an den richtigen Stellen gesetzt. Mit großer Sensibilität wird auf die jeweiligen Spezifika der vorhandenen Situationen und Stadträume bestandsorientiert reagiert und diese gekonnt qualifiziert. Die Leonhardskirche wird in eine Platzabfolge eingebunden und das zukünftige IBA-Quartier sehr gut in das städtebauliche Konzept integriert. Der Wilhelmsplatz wird verkehrsberuhigt, von der B14 abgekoppelt, was stadträumlich sehr begrüßt wird, jedoch verkehrstechnisch zu prüfen ist.
Die historische Blickachse zwischen Stadtpalais und Planie wird durch die veränderte Straßenführung als T-Kreuzung am Charlottenplatz wieder aufgenommen und das Gebäude somit sehr gut in den Stadtraum desintegriert. Eine weitere Qualifizierung des Verkehrsraums durch eine Veränderung des Planietunnels wäre hier perspektivisch denkbar.
Sehr gut gelingt die Verknüpfung der Stadtquartiere, die bisher durch die Verkehrsschneise getrennt wurden. Anliegerstichstraßen sind eine gute Lösung. Der Fußverkehr wird in ein Netz eingebunden und Barrieren minimiert. Es werden an den richtigen Stellen Verbindungen hergestellt und gestalterisch betont, im Bereich des Gerber- und Heusteigviertels verliert dieses Konzept jedoch etwas an Kraft.
Die weitgehend asymmetrische Führung der Fahrspuren schafft neue Qualitäten. Lediglich im Bereich der Kulturmeile zwischen Charlotten- und Gebhard-Müller-Platz stellt sich die Frage, ob hier durch die vorgeschlagene Gestaltung eine Zusammenführung und Ensemblewirkung des Kulturquartiers gelingt, ohne die B14 nach wie vor als trennende Schneise wahrzunehmen.
Bauliche Ergänzungen sind sehr gut gewählt. Am Gebhard-Müller-Platz entsteht im Anschluss an den neuen Bahnhof eine Mobilitätsdrehscheibe sowie gegenüberliegend ein neuer Bildungscampus; beides geschickte städtebauliche Setzungen. In ehemaligen Untertunnelungen werden Mobilitätsstationen eingerichtet, die Ebene -1 wird umgenutzt, was sehr begrüßt wird. Mobilitätshubs und Radgaragen sind gut platziert.

Das Konzept stellt eine sehr intelligente Antwort auf die gestellte Aufgabe dar. Es ist als zukunftsweisende Stadtreparatur zu werten, die Barrieren abbaut, gewachsene Strukturen und Bezüge Wert schätzt, in einen neuen Kontext stellt und gleichzeitig einen mutigen Blick in die Zukunft wirft.
Visualisierung

Visualisierung

Plan 01

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Plan 02

Plan 02

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Plan 03

Plan 03

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Plan 04

Plan 04

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Plan 05

Plan 05

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Plan 06

Plan 06

Plan 06

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