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Nichtoffener stÀdtebaulicher Planungswettbewerb | 09/2020

Umgestaltung des Stadtraums der B14 in Stuttgart

4. Preis

LAUX ARCHITEKTEN GMBH

Architektur

GlĂŒck Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Inovaplan GmbH

Verkehrsplanung

CCC – Creative Climate Cities

Stadtforschung

ErlÀuterungstext

B14

’Road Diet’ - Stuttgart

mit GlĂŒck Landschaftsarchitektur Stuttgart
Inovaplan Verkehrsplanung Karlsruhe
Creative Climate Cities, Berlin

6,4 km Stadtstrasse /
500.000 mÂČ GF /
1000 extra BĂ€ume /
5 neue StadtplÀtze /
100% urbaner Stadtraum / ...

Das stĂ€dtebauliche Leitbild der Nachkriegszeit einer autogerechten Stadt Stuttgart ist lĂ€ngst passĂ©. Wie ein Relikt aus vergangener Zeit zerteilt die bis zu zwölfspurige, autobahnĂ€hnlich ausgebaute B14 die Landeshauptstadt mit einer unĂŒberwindlichen Barriere.
Der Straßenraum wirkt monoton, öde und lang. Seine MonofunktionalitĂ€t und vornehmliche MIV Orientierung lassen ihn nicht als impulsgebenden sondern als staureichen Verkehrsraum erfahrbar werden. Wir verordnen der B14 eine DiĂ€t und entwickeln den neuen Stadtraum als eine Abfolge von Sequenzen, als ‚Serial Vision‘. Die neue B14 kann so sukzessive zu einer zentralen, pulsierenden und urbanen Stadtstraße entwickelt werden, einem prachtvollen stĂ€dtischen Raum.

AdaptivitĂ€t und Resilienz sind die fĂŒnf Prinzipien, die den neuen Stadtraum formulieren:

VERSCHLANKEN » RAUMGEWINN
Road Diet — Verschlankung des Raumanteils MIV — less is more!
Neue Raumressourcen erzeugen Nutzungen und AufenthaltsqualitÀten
StÀrkung von Raumkanten und QuartiersidentitÀten
Schaffung von Begegnungs- und AufenthaltsrÀumen
Charakteristische Erdgeschossnutzungen und differenzierte Freiraumgestaltung

OBEN BLEIBEN » ROBUSTHEIT
RĂŒckbau aller UnterfĂŒhrungen erzeugt MobilitĂ€t ohne Hierarchien
Überwindung der rĂ€umlichen und gesellschaftlichen Trennungen
Erzeugung multi-funktionaler RÀume mit AufenthaltsqualitÀten
Zukunftsorientierte und multiple MobilitÀtsformen
Priorisierung klimafreundlicher Versorgungsinfrastruktur

VERNETZEN » INTEGRATION
Verbindungen entstehen durch neu geschaffene Querungen
AbgehÀngte Stadtteile kontextuell integriert und reaktiviert
Erhöhung der DurchlÀssigkeit durch Aufhebung der Trennwirkung
StÀrkung tÀglicher Wegestrecken und AlltagsablÀufe
AusprĂ€gung und StĂ€rkung der StraßenrĂ€nder
PlatzrÀume werden Knotenpunkte im Stadtraum

RAUM BILDEN » IDENTITÄT
Sequenzierung durch eigenstÀndige Orte, PlÀtze und Quartiere
Taktung der Nachbarschaften durch StÀrkung vorhandener IdentitÀten
Reparatur der Raumkanten und Formulierung von Treffpunkten
Anwohner und Nutzer ‚erobern‘ ihre StadtrĂ€ume und prĂ€gen den Charakter
Co-kreative Planungsverfahren sorgen fĂŒr Akzeptanz und Teilhabe

FLEXIBEL SEIN » PROGRAMME
Sukzessive Transformation ermöglicht eine schrittweise Stadtraumanpassung
Reallabore dienen der Visualisierung des Strukturwandels
Erprobungsphasen durch temporÀre oder flexible Nutzung
Integration von PionieraktivitĂ€ten in formelle Planungsprozesse (Ö‑Platz)
Möglichkeiten fĂŒr Interims‑, saisonale oder tageszeitliche Programmierung

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit der Entscheidung, den Verkehr ebenerdig durch den Stadtraum zu fĂŒhren - bis auf die
VerlÀngerung des Schwanenplatztunnels - gelingt dem Entwurf mit einigen wenigen Mitteln,
VerkehrsflÀche drastisch zu reduzieren und nutzbaren und gestaltbare StadtrÀume zu erzeugen.

Dort wo notwendig oder sinnvoll werden RÀume durch stÀdtebauliche und architektonische
Setzungen erzeugt oder verbessert. Es entstehen Raumsequenzen mit eigener IdentitÀt,
vom Charakter der angrenzenden Quartiere bestimmt und durch die Abfolge der fĂŒnf PlĂ€tze
gegliedert.
Die multifunktionale Nutzung und Querung des Straßenraumes der B14 wird zu
einem alles bestimmenden Thema, die Lage der Fahrspuren reagiert je Sequenz geschickt
auf rĂ€umliche Möglichkeiten. Im Bereich zwischen Marienplatz und Österreichischem Platz
sind z.B. die Spuren abgerĂŒckt von der Bebauung, nutzbare FlĂ€chen sind vor den Erdgeschossen konzentriert. In der Kulturmeile ist eine Allee mittig positioniert – der entstehende Kulturboulevard erleichtert als öffentlicher Ausstellungsort eine Querung und versetzte Wegebeziehungen.
Der Aspekt, Verkehr durch Geschwindigkeitsregulierungen im Stadtraum zu steuern wird in
den Straßenraum ĂŒbertragen: nicht verschiedene Verkehrsmittel, sondern verschiedene Geschwindigkeiten definieren die Nutzung der Spuren. Ehemalige Tunnelbauwerke werden mit der abstrakt formulierten Nachnutzung als „Speicher“ integriert, der Vorschlag ist nachvollziehbar und bietet je Standort Chancen fĂŒr die Zukunft.

Signfikanz entsteht durch die VerstĂ€rkung der Eigenart der PlĂ€tze: der Österreichische Platz
stellt sich auch zukĂŒnftig als aneigenbares Straßenbaumonument dar, nun rĂ€umlich angebunden durch eine bepflanzte Rampe. Der Charlottenplatz bleibt wesentliches Gelenk in der Abfolge der Raumsequenzen, wird aber durch die Schließung des Planie-Tunnels vom Querungsverkehr befreit. Der Entwurf unterscheidet sich damit von den allen anderen durch eine Änderung der Verkehrsnetzgestaltung.

Das Projekt macht ebenso aufmerksam auf die stadtrĂ€umlichen Chancen, die aus dieser Schließung entstehen. Die attraktive Sichtverbindung zwischen Stadtpalais und Stadtmuseum mit allen begleitenden auch historisch hervorgehobenen Stadtbausteinen und -rĂ€umen wird wahrgenommen und auch gestĂŒtzt durch Arkaden, die den Akademiegarten fassen. Weitere öffentliche RĂ€ume stehen damit zur Nutzung und Gestaltung offen.

Die Schließung des Tunnels ist logisch und nachvollziehbar, zugleich aber gewagt. Wie sich diese NetzĂ€nderung auf die Verkehrsnachfrage auswirkt, erfordert Untersuchungen,
ebenso werden die stÀdtebaulichen Setzungen und gestalterischen VorschlÀge kritisiert.
Im Bereich der Kulturmeile sind trotz sinnfĂ€lliger Gestaltung des Kulturboulevards die baulichen ErgĂ€nzungen im Bereich des Theaters typologisch falsch und ĂŒberzogen.
Auch im Bereich des Gebhard-MĂŒller-Platzes erscheinen die baulichen Setzungen beliebig, es fehlen Aussagen zur Nutzung.

Die VerlĂ€ngerung des nördlichen Schwanenplatztunnels und die damit mögliche Öffnung des
Stöckach-Quartiers, des Stadtteils Stuttgart Ost zum Schlosspark und die VerknĂŒpfung zur
neuen Stadtentwicklung Rosenstein wird positiv gewertet. Die vorgeschlagene stĂ€dtebauliche Struktur, die in der eigenen Zielsetzung kleinteilig und geeignet fĂŒr verschiedene Akteure sein soll, erscheint dagegen in der seriellen Reihung wenig differenziert und rĂ€umlich, auch die Baukörperdimension des MĂ€anders wird kritisiert.
Die vorgeschlagenen Vegetationselemente sind die richtigen und angemessen: HochstÀmme
an oder auf breiten Trottoirs und nutzbare Wiesen- und GrasflÀchen, dort wo es der
Platz hergibt wie am Österreichischen Platz und der Parklane beim Stöckach-Quartier. Die
angedachte Baumart entspricht den Erkenntnissen aus den Klimaanpassungsstrategien.
Eine Toolbox erlĂ€utert glaubhaft eine fachlich kompetente Steuerung einer kooperativen, kreativen prozesshaften Entwicklung und Aneignung dieses RaumgerĂŒstes.

Das Fassen der Stadtkanten und die Freihaltung der umgenutzten VerkehrsflÀchen der B14
zeigt sich mit diesem Entwurf als qualitĂ€tsvolles stabiles RaumgerĂŒst fĂŒr eine zukĂŒnftige Entwicklung eines multifunktionalen, begrĂŒnten Stadtraumes, der sich auch flexibel mit der Zeit den BedĂŒrfnissen der Umwelt, der Stadtgesellschaft und auch der zukĂŒnftigen MobilitĂ€t entsprechend verwandeln kann.
Strategien aus StĂ€dtebau, Freiraum und MobilitĂ€t werden hier zu einem angemessenen, robusten und entwicklungsfĂ€higen Konzept verknĂŒpft, bauliche Setzungen vor allem in historischen Kontexten sind dagegen weniger ĂŒberzeugend gelöst.