modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Mehrfachbeauftragung | 09/2020

Freiraumplanerische Gestaltung des Hochbau-Projektes "Moringa" in Hamburg

2. Rang

Lützow 7 Müller Wehberg Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Hofgarten als kuratierte Wildheit
Das Quartier Baakenhafen in der Hafencity Hamburg wird durch die Elemente Wasser, Himmel und Topographie thematisiert. Dieses lässt einen differenzierten und abwechslungsreichen Städtebau in der architektonischen Umsetzung für jede neue individuelle Adressbildung mit identitätsstiftenden Konzeptansatz zu.
Für das Baufeld 105 an der Lucy-Borchardt-Straße wird deshalb unter dem Aspekt des „Cradle to Cradle“ Prinzips ein ganzheitliches Konzept von der Dach- bis zur Innenhofnutzung für jeden Bewohner und Anrainer mit Anbindung in den städtebaulichen Kontext aufgezeigt. Es verbindet als erstes geplantes Wohnhochhaus in Deutschland „Moringa“ Gemeinschaft und vielfältige Nutzungen mit einer ökologischen nachhaltigen Bauweise mit hohem Nutzen für den Menschen.
Vor dem Hintergrund der Auswirkungen des Klimawandels, demografischer Veränderungen, steigender Umweltbelastungen gilt es weiterhin gute Lebens- und Arbeitsbedingungen im städtischen Kontext zu sichern.
Das Thema Waldgarten vermittelt ganzheitlich gleichzeitig den ökologisch nachhaltigen und zukunftsweisenden Ansatz zur Klimaresilienz und Nachhaltigkeit.
Der Waldgarten in diesem Ensemble bietet zukunftsorientiert multifunktionale Synergien. Nutzungsdruck und Flächenansprüche bieten neue Gestaltungs- und Nutzungsangebote für Jung und Alt sowie für Arbeitnehmer und -geber.
Ein Waldgarten besteht aus mehreren Schichten, vorwiegend naturnahen Pflanzen, die sich ähnlich der Struktur von Wäldern, teilweise überlappen. Die Biodiversität wird durch nachhaltige Nutzung gewährleistet. Der Respekt vor jedem Baum sollte zelebriert werden.
Das Prinzip der Biodiversität wird hier als prozesshaft und im Sinne des Naturschutzes als ein zukünftiges Essential des Freiraums in der Planung allgemeingültig gesehen.
Es wird eine mehrschichtige Bepflanzung aus einer Baum- und Strauchschicht sowie Stauden und Gräser vorgeschlagen. Die Pflanzung besteht aus sommer- und immergrünen Pflanzen. Die jahreszeitlichen Aspekte in Blüte- und Fruchtbildung sowie in Herbstfärbung und Habitus der Gehölze finden ebenso Berücksichtigung wie die Vielfältigkeit aus heimischen und nichtheimischen Arten zur Steigerung der Resilienz und Biodiversität im neuen städtebaulichen Quartier, was gleichzeitig eine klimaresistentes und pflegearmes Handling im Sinne des Facility Management bedeutet. Hierbei findet die dynamische Entwicklung der Pflanzengesellschaft eine gewünschte Berücksichtigung.
Die Entwicklung der Solitärgehölze führt mit den Jahren zu einer Verschattung der Flächen, wodurch der Heat-Island-Effect gemindert wird.
Das anfallende Regenwasser soll sinnvoll für die Bewässerung der Bäume zur Verfügung stehen, in dem es in Retentionsboxen (Retention-Spacer) gehalten und über ein Kapillarvlies wieder an das Pflanzsubstrat abgegeben werden kann.
Die geplante Pflanzengesellschaft aus Stauden- und Gräsern als Unterpflanzung wird aus zahlreichen Futter- und Trachtpflanzen gebildet. Es entstehen Refugien für eine vielfältige Flora und Fauna und durch die höhengestaffelte Bepflanzung für die Zonierung des Kita- und dem Privatgeländes werden zusätzlich jahreszeitliche Aspekte in Blüte, Frucht und Herbstfärbung in abwechslungsreichen Bildern erzeugt. Eine bewegte Topographie stärkt hier den landschaftlichen Charakter und fördert den kreativen und selbstbestimmten Bewegungsablauf der Nutzer.
Der konzeptionelle Ansatz des mehrschichtigen Waldgartens findet durch eine intensive Begrünung der Dachflächen aus einer resilienten Pflanzengesellschaft eine adäquate Fortführung. Im Duktus der Spiel- und Aufenthaltsangebote erweitern die Dachflächen ebenfalls das gemeinschaftliche Grünen Zimmer in der Vielfalt als Ganzes.
Mit den gestaltprägenden Freiräumen findet eine enge Vernetzung von Mietwohnungsbau, Co-Working und Co-Living, Gastronomie sowie der Kindertagesstätte und der Begrünung und Nutzung der Dachlandschaft zur Kontemplation, Regeneration und urban /ornamental farming statt.
Die gewünschte Programmierung des öffentlichen Raumes im fließenden Übergang zu den privaten Höfen und Passagen lässt eine vielschichtige, funktionelle und differenzierte Nutzungsorientierung sowie ein generationenübergreifendes Miteinander für Alt und Jung, zu.
Die differenzierten nach Alter thematisierten Spielangebote sprechen die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder in jeder Altersgruppe an. Die Spielbereiche verweben sich ineinander und regen die Sinneswahrnehmungen der Kinder an. Die Funktionalität der Kita ist hierbei berücksichtigt. Eine mäandrierende Einfriedung aus Stahlrundrohren wahrt die Eigenständigkeit der Kita-Außenspielflächen. Ein gemeinschaftlicher Bereich ist über Toranlagen erschlossen und erweitert somit die Spielabläufe. Eine weitere Vernetzung der Spielbereiche ist durch weitere Zugänge jederzeit möglich. Das Spielkonzept zeugt von einer hohen nutzungsorientierten Flexibilität, dass dem phantasievollen Spiel in einem Waldgarten gerecht wird. Es entstehen ebenfalls Orte der Ruhe, der Kontemplation, Regeneration, Kommunikation, Konzentration im privaten Bereich mit dem freien Spiel sowie der Entfaltung der Sinne.
Für die befestigten Flächen werden natürliche Materialien aus hochwertigen Werksteinen und zertifiziertem Holz vorgeschlagen. Für die Quartierspassage und dem gebäudeangrenzenden Bereich der Kita sind großformatigen Einzelplatten vorgesehen. Im Übergang zu den halböffentlichen Flächen verweben sich die Platten mit dem angrenzenden Stadtboden. Zur Verminderung der Abflussbeiwerte wird eine ungebundene Bauweise empfohlen.
Für die Freiflächen des Co-Living Bereiches ist eine großzügige Terrasse aus zertifiziertem Accoya-Holz vorgesehen. Das Sitzmobiliar bildet sich in der Formatigkeit des Holzbelages heraus. Eine durch üppiges Grün mäandrierende Rampe, ebenfalls aus Accoya-Holz, verbindet die tieferliegende Quartierspassage. Das gesamte Hofensemble ist barrierefrei erschlossen.
Des Weiteren werden die Höhenunterschiede teilweise geböscht und vegetativ ausgebildet, an anderen Stellen finden sich gestufte Sitz- und weitere Spielangebote, die die vielfältigen Nutzungsebenen des Hofgartens ergänzen und ein weiteres Raumerlebnis erzeugen.
Die Quartierspassage wird als Membran zwischen den privaten und halböffentlichen Bereichen verstanden. Hier bieten Sitzmöglichkeiten und kleinere Spielzitate weitere Aufenthaltsmöglichkeiten, rhythmisiert durch Solitärpflanzungen in Töpfen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf besticht vor allem durch eine klare Entwurfsidee, welche das Thema eines Stadtwaldes vorstellt. Dieses Waldthema wird als sehr attraktiv aufgegriffen und bietet ein tolles Bild für den In- nenhof. Die grüne Erscheinung des Innenhofs wird durch die Unterholzbepflanzung verstärkt und als passender Kontrast zum Hochbau aufgefasst. Die Thematik des Cradle to Cradle ist als grüne Lunge in der Stadt sinnfällig aufgegriffen.

Dennoch wird der Wald in der Stadt in Kombination mit der Fassadenbegrünung als überladen so-wie aufwändig in der Pflege und Instandhaltung angesehen. Ebenso stellt die Verschattung aufgrund der intensiven Bepflanzung hinsichtlich der Aufenthaltsqualität eine Herausforderung dar.
Die Spielgeräte sind für alle Altersgruppen ausgelegt und weisen z. T. innovative Ansätze auf. Eine Notwendigkeit für Parcoursflächen ist in direkter Nähe zum Gebäude jedoch nicht gegeben.

Insgesamt wird positiv gewertet, dass der Entwurf vom Landschaftsraum ausgehend gedacht ist, allerdings wirkt er dadurch zu sehr als gesamte Fläche organisiert und fixiert. Dadurch wird eine flexible Aneignung und die Erfüllung mehrschichtiger Funktionsansprüche als schwierig bewertet.