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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2020

Gedenk- und Lernort KZ-Außenlager Laagberg in Wolfsburg

1. Preis

Hoskins Architects (Berlin)

Architektur

guba + sgard LANDSCHAFTSARCHITEKTEN

Landschaftsarchitektur

Ralph Appelbaum Associates, Inc.

Szenographie

Erläuterungstext

Erläuterungstext Architektur

Entwurfsleitende Idee

In Laagberg soll ein würdiger Gedenkort und ein Ort der Kommunikation entstehen. Die Spuren des KZ-Außenlagers sind nahezu verschwunden. In Laagberg dominiert das heutige Leben. „Wie können wir mit den Relikten der NS-Gewaltherrschaft umgehen und dabei gleichzeitig auf die Menschen des heutigen Wohngebiets Rücksicht nehmen?“

Unser Ansatz: Wir bleiben am Rand und nehmen eine betrachtende Position ein. Die Ambivalenzen zwischen Stille und Lebendigkeit (Wald und Wohngebiet), Verarbeiten und Vergessen, Fremdbestimmung und Eigenverantwortlichkeit bestimmen den Entwurf. Mit der historischen und räumlichen Distanz fragen wir uns, wie wir uns verhalten hätten – in der Zeit des Nichthinschauens, in der Zeit des Vergessen – und wie wir zum gegenwärtigen und zukünftigen Umgang mit Erinnerungskultur stehen.

Zwischen Lidl und Tankstelle stellen wir den neuen Gedenk- und Lernort als „Stolperstein“ und Zeichen seiner Zeit. Am Ort, wo einst der elektrische Zaun das Lager begrenzte und mit Bezug auf den „Ort der Verbundenheit“ in Neuengamme erzählt hier das Regal der Erinnerungen die Geschichten der einzelnen Häftlinge.

Und dann öffnen und erweitern wir den Betrachtungsraum über einen Steg. Wie im Orthogonalverfahren vermisst er das einstige Lager und macht seine Dimensionen über eine Quer- und eine Längsachse erfahrbar.

Vom Längssteg aus, der an der ehem. Waldkante und parallel zum historischen Lager verläuft, blicken wir auf die Fläche. Auf Plattformen, deren Breite denen der ehemaligen Baracken entspricht, eröffnen wir die Möglichkeit, den Ortes mit all seinen zeitlichen Schichten darzustellen.

Am historischen Ort, an dem die Fundamentreste der Baracke 4 geborgen wurden, schließt sich der Kreis. Wir verlassen die schützende Distanz des Waldes und begegnen uns und der Gegenwart. Wir kommen miteinander ins Gespräch. Hier erfahren wir etwas über den Prozess und starten den lokalen Diskurs: Wie soll im Wohngebiet mit dem historischen Erbe umgegangen werden?

Gestalterische Angemessenheit und Qualität

Am Gedenk- und Lernort entsteht ein architektonisches Ensemble aus einem städtebaulich vermittelnden Baukörper (Wand), einem identitätsstiftenden Baukörper (Kubus) und einem Steg entlang der Waldkante, der als verbindendes Element dient. Der ruhige, kubische Baukörper strahlt bedeutungsschwere Ambivalenz aus. Der offene Vorplatz, die sichtbaren Ausstellungselemente und der Steg laden zum Erkunden des Ortes ein. Die verwendeten Materialien (Ziegel, Holz) spiegeln in ihrer Art und Verarbeitung die Nähe zum Menschen und den historischen Bezug wider.

Funktionalität und Nutzungsqualität

Wand und Kubus formen auf dem Grundstück den Gedenk- und Lernort. Die Wand ist dem Gedenken und der Kubus dem Lernen zugeordnet.

Für das Gedenken nehmen wir eine würdevolle Distanz ein. Außerhalb der ehemaligen Lagergrenzen werden hier die Ausstellungselemente verortet. Für das Lernen gehen wir direkt in das Lager. Der Vermittlungsraum sitzt exakt über den Fundamentresten der Baracke 1. Sein Innenraum bildet als Negativform die Gestalt der Baracke 1 nach. Auf einer Grundfläche von zwei Barackenstuben, in denen 48 Menschen leben mussten, entsteht ein Raum mit großer Symbolkraft. So wird sichtbar gemacht was nicht mehr sichtbar ist.

Wirtschaftlichkeit

Der Gedenk- und Lernort ist unabhängig von Öffnungszeiten erfahrbar. Ausstellungselemente sind, wann immer möglich, im offenen Raum ausgestellt. Klimasensible Exponate werden in warmen Räumen präsentiert. Der umbaute Raum ist nur so groß wie notwendig. Der Bau ist kompakt und wirtschaftlich konzipiert. Langlebige und natürliche Materialien wirken nachhaltig und sich positiv auf die Unterhaltskosten aus.

Erläuterungstext Freiraumplanung

Grundidee des freiraumplanerischen Konzepts

Durch einen Holzsteg entlang der Waldgrenze werden Gebäude, Landschaft und Ausstellung miteinander in Beziehung gesetzt (vgl. Entwurfsleitende Idee).

Qualität der Einbindung in den freiraumplanerischen Kontext des Quartiers

Der heutige Wald ist Naherholungsfläche, 1944/45 war er der Horizont, den die Häftlinge vor Augen hatten. Der Steg markiert die ehemalige Waldgrenze und ist in das Wegesystem des Waldes und an den Schlehenweg im Norden angebunden. Die Barrierewirkung der Breslauer Straße (Temporeduzierung) wird durch zwei Zebrastreifen gemildert.

Gestaltung, Nutzungsqualität und Funktionalität des Außenraums

Der Vorplatz nimmt die ehem. Lagergrenze auf und ist somit abgerückt vom Straßenraum. Durch die Gebäude geschützt, bietet die Schotterfläche mit Linde und Sitzmöglichkeiten Raum für Besuchergruppen. Die Querachse des Steges leitet über in das rückwärtige Grundstücksteil mit den freigelegten Trafofundamenten und den geborgenen Fundamenten. Eine Stützmauer in Sitzhöhe bietet Raum für Vermittlungsarbeit im Freien. Der Steg entlang der Waldkante ist barrierefreie 2,20 m breit und folgt ca. 30 cm aufgeständert der Topographie (ca. 2-4%). Im Bereich der Plattformen entsteht eine Gesamtbreite von 4,20 m, so dass sich hier auch Gruppen sammeln können.

Wirtschaftlichkeit

Die Schotterflächen im Bearbeitungsgebiet sind robust und kostengünstig in der Herstellung. Der Steg wird waldbaumäßig auf angespitzten kesseldruckimprägnierten Rundhölzern gegründet. Unterzüge, Latten und Geländer (nur abschnittsweise) bestehen aus verwitterungsbeständigen Hölzern wie Lärche.

Erläuterungstext Ausstellungsgestaltung

Grundidee des Ausstellungskonzepts

Parallele Erzählschichten vermitteln Fakten und lösen Empfindungen aus: Der objektiven Vermessung des Lagers (Erläuterung der Elemente und ihres Verschwindens durch Überbauung) wird die Notwendigkeit des Erinnerns empathisch gegenübergestellt. Jedes einzelne Häftlingsschicksal zählt.

Die Ausstellung ist zu jeder Zeit besuchbar: Nur Originalobjekte und das Kunstwerk ”Konzern” befinden sich in geschützten Innenräumen.

Innen- und Außenraum verbinden sich im Rundgang: Regal der Erinnerung, Information zu Laagberg im Kontext der Lagerstadt Wolfsburg (umbauter Außenraum); Originalobjekte und „Konzern“ mit Sichtbezug zum Wald (Innenraum); Trafofundamente und Fundamente Baracke 4 (Freifläche); Lagergeschichte, Überformung des Ortes, Biographien (Steg im Wald); Umgang mit dem Ort heute und zukünftig (Fundort Baracke 4).

Qualität der Einbindung in die Erinnerungslandschaft der Stadt Wolfsburg

Die Ausstellung ist dezidiert der Geschichte des KZ-Außenlagers und der Erinnerung an die Häftlinge gewidmet, mit der notwendigen Einordnung in das Lagersystem Wolfsburgs. Der Ort erweitert die Erinnerungslandschaft ohne sich zu ihrem Zentrum zu machen – die Ausstellung in der Schlossremise bleibt zentraler Ort der Erzählung aller Lager mit den dazugehörenden Exponaten. Im Dialog mit Anwohner*innen wird entschieden, welche Ausstellungselemente übernommen werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Architektur
Der in zwei Teile gegliederte Baukörper bildet eine Rückwand zum benachbarten Nahversorger und öffnet sich zum Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers hin. Dabei überzeugt das vorgeschlagene Regal, das den Besucher*innen die Möglichkeit eröffnet, eine interaktive Auseinandersetzung mit dem ehemaligen KZ-Außenlager vorzunehmen. Die Aufbewahrung der translozierten Fundamentreste ist gut in die Grundkonzeption integriert. Durch den Holzsteg mit den Lernstationen gelingt es gut, die Ausmaße des ehemaligen KZ-Außenlagers wiederzugeben und dadurch die Dimension aufzuzeigen. Die Fensteröffnung des Seminarraums nimmt die Form des Barackengiebels der ehemaligen Gefangenenbaracke 1 auf, und die Grundmaße des Seminarraums bilden einen Teil des Grundrisses der Baracke ab. Dabei überzeugt insbesondere das Fenster durch die Blickbeziehungen in das ehemalige KZ-Außenlager. Die Nutzbarkeit des geteilten Seminarraumes, der den Grundriss der ehemaligen Gefangenenbracke widerspiegeln soll, wird aufgrund der geringen Raumbreite in Frage gestellt. Die Arbeit zeigt ihre große Stärke in der Grundkonzeption der freien Zugänglichkeit der Ausstellung im Außenraum und der im Inneren des Gebäudes angesiedelten Seminarräume.

Freiraum
Die Stärke dieser Arbeit liegt in der qualitätsvollen Verknüpfung von Freiflächengestaltung und Aus - stellungsbauwerk. Die Hauptinszenierung der frei - räumlichen Ausstellungs- und Lerninhalte verläuft geschickt und behutsam entlang einer flexiblen Steganlage im Bereich der historischen Waldkante. So kann auf den wertvollen Eichen-Buchenbestand besonders gut Rücksicht genommen werden. Über dem „schwebenden“ Waldweg begibt man sich auf eine kontemplative Reise zur Geschichte des Ortes und erfasst wie beiläufig die Dimensionen des ehemaligen KZ-Außenlagers und der Baracken. Der Verzicht auf kleinteilige Interventionen innerhalb des heterogenen städtebaulichen Umfeldes wird positiv bewertet. Alle Lernstationen stehen in einem unmit - telbaren räumlichen Zusammenhang und verlieren sich nicht in den bestehenden Quartiersstrukturen. Die Arbeit stellt einen sehr guten Beitrag zum Umgang mit Gedenkorten dar, der mit wenigen aber starken Mitteln die wichtigen Themen zu transportie - ren vermag.

Ausstellungsgestaltung
Überzeugt hat die Jury, dass große Teile der Aus - stellung im Außenbereich liegen und so jederzeit zu - gänglich sind. Dies vermittelt eine gewisse Offenheit, birgt aber auch Nachteile bei schlechtem Wetter. Einige der Innenräume sind Durchgangsräume und für Ausstellungsinhalte zu klein gehalten. In dem für die Frottagen vorgesehenen Raum fehlt leider die Möglichkeit, die künstlerische Arbeit mit einem gewissen Betrachtungsabstand auf sich wirken zu lassen. Die zu geringen Ausstellungsflächen erlauben zudem nur wenig Flexibilität in der Raumgestaltung. Der Bereich der Erinnerung mit den Häftlingspor - traits ist sehr partizipativ. Diese einladende Geste ist ein Gewinn für die Besucher*innen.
Wettbewerb Blatt 1

Wettbewerb Blatt 1

Wettbewerb Blatt 2

Wettbewerb Blatt 2

Schwarzplan

Schwarzplan

Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Ansicht Westen

Ansicht Westen

Ansicht Norden

Ansicht Norden

Ansicht Osten

Ansicht Osten

Ansicht Süden

Ansicht Süden

Schnitt Süden

Schnitt Süden

Schnitt Westen

Schnitt Westen

Ausstellung Steg

Ausstellung Steg

Ausstellung Steg

Ausstellung Steg