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Mehrfachbeauftragung | 09/2020

Städtebauliches Konzept für Seelze Süd / 4. BA

Teilnahme

Nehse & Gerstein Architekten BDA

Architektur

kerck + partner landschaftsarchitekten mbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

„Ein Grünes Quartier für alle“ + „Wohnen am Hof“


die LEITIDEE
Der 4. Bauabschnitt soll die Entwicklung Seelze-Süd komplettieren und, im Vergleich zu den vorherigen Bauabschnitten, in angemessenem Umfang einen urbanen Raum schaffen. Die städtebauliche Leitidee setzt sich mit den Stärken des Ortes auseinander. Der nahe Bezug zu den landschaftlichen Feldern und Wäldern steht dabei besonders im Fokus. Der Bedarf an naturnahem Wohnraum wird immer größer. Familien ziehen wieder verstärkt in die Peripherie der Städte. In dem 4. Bauabschnitt von Seelze Süd soll qualitativer Grünraum in das Wohngebiet integriert werden. Als grüne Finger ziehen sich Wiesenflächen in das Baugebiet, die es ermöglichen Nachbarschaften auszubilden. Des Weiteren spannt sich zwischen der im nordöstlichen Baugebiet geforderten Schallschutzbebauung und den südlichen genannten kleineren Nachbarschaften ein Zwischenraum auf, der als öffentliche Parkfläche für die Bewohner des 4. Bauabschnittes dient und vielfach bespielt werden kann. Er nimmt die Ausformulierung der Ausgleichsfläche zwischen dem 1. und 3. Bauabschnitt auf und schreibt diese weiter. Zwischen diesen beiden großen Grünflächen von Seelze Süd positioniert sich die neue Mitte, der Quartiersplatz. Er bildet den Auftakt in das Gebiet. Der Quartiersplatz wird nördlich gerahmt von dem Nahversorger, der für alle Bauabschnitte gut erreichbar direkt an der Kreuzung B441 und Kirschbuschweg gelegen ist.

das WOHNEN
Die städtebaulich Struktur bildet verschiedene Typologien aus, die unterschiedliche Wohnformen und eine Höhenentwicklung im Quartier zulässt. Das „Wohnen in Gemeinschaft“: im nordöstlichen Baugebiet bildet der schallschützende 4-geschossige doppelte Riegel als Geschosswohnungsbau eine Art Blockstruktur zusammen mit einer höher gelegten Erdgeschosszone. Das Erdgeschoss bietet wenig qualitativ wertigen Wohnraum und kann daher dem ruhenden Verkehr gewidmet werden. Das Auto als Verkehrsmittel soll weniger prägnant im Straßenraum wahrgenommen werden. Dadurch generiert das 1.OG als eine Art aufgeständerte Erdgeschosszone eine terrassenartige Gemeinschaftsfläche, die sich zum Quartierspark ausrichtet und durch großräumige Rampen und Treppensituationen viel Aufenthaltsqualität verspricht. Das „Wohnen am Hof“+ „Wohnen im Grünen“: die Nachbarschaften, die sich angrenzend zum Quartierspark ausbilden werden geprägt durch eine gemeinsame Mitte, die Erschließung als auch Gemeinschaftsraum darstellt. Diese Höfe der einzelnen Nachbarschaften sind jeweils miteinander durch fußläufige Stichwege durchs Grün vernetzt. So entstehen Mikroquartiere, welche durch ihre Dichte Kommunikation, Austausch und Gemeinschaft fördern. Als halböffentlich bzw. halbprivate Zone bietet es die Möglichkeit einer geschützten Atmosphäre. Der Bodenbelag in diesem Bereich unterteilt bewusst nicht in übliche Straßenmuster, sondern sieht den Hof als einen shared space - die Erschließung wird zum Raum. Die Mittelzone wird geprägt durch Townhouses. Dem Park geben die gereihten Flachdachhäuser ihr Gesicht und das Gegenüber zu den Riegeln der Geschosswohnungen. Jedes Townhouse hat zudem einen nach Süden ausgerichteten Garten. Um den Gemeinschaftshof gruppieren sich eine Mischung aus Townhouses und Reihenhäuser bzw. Doppelhaushälften. Weiter südlich werden die Nachbarschaften deutlich tiefer, hier finden sich vermehrt Einfamilienhäuser mit größeren Grundstücken und mit dem Blick in die freie Natur. „Wohnen am Hof“ generiert durch die unterschiedlichsten Typologien und Wohngrößen eine Vielfalt, welche gerade junge Familien und Studenten aber auch Senioren einlädt Gemeinschaft zu erleben. Die heterogenen Nutzerprofile machen ein buntes und belebtes Quartier aus und lassen Raum für neue Wohn- und Gemeinschaftsformen in Seelze Süd.

der FREIRAUM
Seelze Süd bietet den großen Standortvorteil, dass Naherholungsgebiete in fußläufiger Entfernung erreichbar sind. Dieses Merkmal wird genutzt, indem eine fußläufige Verbindungen in die angrenzenden Felder hergestellt wird. Es entstehen Fußwege, die den angrenzenden Wohngebieten als Spielachsen dienen und gleichzeitig die Vernetzung der einzelnen Nachbarschaften untereinander stärken. Der Grünraum wird als Wiesenmulde definiert, welche mit Pfaden bespielt wird. Diese Mulden können bei Starkregenereignissen das überschüssige Wasser aufnehmen und dem Gefälle des Gebietes folgend in die Regenrückhaltebecken abführen. An den Stichkanal anschließend werden, in Anlehnung an die Leitideen des 1. BA, zwei künstliche Grachten angelegt. Auftakt einer jeden Gracht ist die urbane Terrasse, eine gestaltete Pflasterfläche, die den BewohnerInnen Raum für Gemeinschaft am Wasser gibt. Über die angelegten Grachten werden die grünen Achsen des Gebietes weiter differenziert. Der zentrale Quartierspark bildet das Klammerglied und den Vermittler zwischen dem blockhaften Geschosswohnungsbau und der aufgelockerten Bebauungsstruktur der kleinmaßstäblichen Nachbarschaften. Der Quartiersplatz wird größtenteils strukturiert über die fortlaufenden grünen Achsen und die beiden Regenrückhaltebecken.

die NEUE MITTE
Anknüpfungs- und Eingangspunkt für den 4. Bauabschnitt von Seelze Süd ist der gemeinsame Quartiersplatz, welcher mit dem geplanten Nahversorger eine öffentliche Spange bildet. Die teilweise transparente Bebauungsstruktur ist drei- bis viergeschossig, gibt viele Ein- und Ausblicke frei und fasst die sich längsstreckende gepflasterte Fläche zu einem Platz zusammen, der neuen Mitte. In den Erdgeschossen überwiegt der Einzelhandel, Gastronomie und kleinteilige Dienstleister. Obere Geschosse bieten die Möglichkeit für weiteres Wohnen, aber auch für Dienstleistungen wie eine mögliches Ärztehaus.
Die bewusste Platzierung in der Mitte von Seelze Süd soll ein Zusammenwachsen der verschiedene Bauabschnitte und dessen BewohnerInnen fördern.

die NACHHALTIGKEIT
Die Versiegelung des Bodens wird so gering wie möglich gehalten, um die versiegelte Fläche Pro Kopf zu minimieren. Die Verkehrsflächen werden auf ein Minimum reduziert. Asphaltierte Straßen sollen nach Möglichkeit in den Mikroquartieren vermieden werden und als Schotterfläche ausgeführt werden. Dadurch lässt sich ebenfalls die Fahrgeschwindigkeit steuern. Die grünen Achsen, der Quartierspark und das Abstandsgrün sind großzügige Ausgleichsflächen, die der Retention dienen. Die versiegelte Flächen fürs Parken (Nahversorger) werden als Ausgleich mit einem großzügigen Baumbestand bestückt. Das aufgeständerte Erdgeschoss fürs Parken lässt auf der terrassenartigen Gemeinschaftsfläche Hochbeete und flächendeckende Bodendecker zu. Dachflächen werden mit Solaranlagen belegt oder als extensive Dachbegrünung ausgeführt.

die MOBILITÄT
Infrastrukturell werden Straßenquerschnitte generiert, in denen Auto und Fahrrad eine gleichberechtigte Rolle zugesprochen wird und so BewohnernInnen die Chance gibt, nachhaltige Mobilität in ihren Alltag zu etablieren. Mit dem Fahrrad zum Bahnhof und mit dem Zug zur Arbeit.
Darüber hinaus bietet der Quartiersplatz BikesharingSpots, einzelne Parkbuchten an der „Quartiersstraße“ werden für Carsharing genutzt. Auch die gemeinschaftliche Hofstruktur ermöglicht die Bildung von Fahrgemeinschaften. Die bereits vorhandene Busroute 572 wird um drei Busstops erweitert, sodass das Quartier radial abgedeckt ist.
Die größte zu erwartende Ansammlung an PKWs ist im Bereich des Geschosswohnungsbaus zu erwarten. Dort wird das Parken in der EG-Zone realisiert, die Townhouses bzw. Reihenhäuser verfügen über jeweils einen Stellplatz auf ihrem Grundstück. Zusätzlicher Besucherverkehr kann in den Parkbuchten der „Quartiersstraße“ unterkommen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag entwickelt sein Grundkonzept aus dem bestehenden Kontext der ersten 3 Bauabschnitte und schafft ein gemeinsames Ganzes für Seelze Süd. Sowohl die Struktur, als auch die Körnung und die Freiräume sind konsequent aus dem Bestand entwickelt. Im Norden und Osten ist der Geschosswohnungsbau konsequent als Lärmschutz ausgebildet, wobei die nördliche Bebauung als Doppelreihe mit einer erdgeschossig, untergeschobenen Stellplatzanlage ausgebildet ist, die eine Bewegungsfläche auf der plus1 Ebene erhält. Die Verbindung dieser kompakten Bebauung zu dem südlich angrenzenden, großzügigen Grünzug, wird durch die Lage der Straße erschwert und erfährt überdies mit den großen Freitreppen eine dem Ort unangemessene Inszenierung. Eine mittlere Zone ist nur für Reihenhäuser reserviert und in der südlichen Zone sind Einfamilien- und Doppelhäuser geplant. Die Nachbarschaftsbildung um jeweils einen Shared Space erscheint gut gelungen. Die strikte sozialräumliche Trennung von Geschosswohnungsbau im Norden, Reihenhäusern in der Mitte und Einfamilienhäusern im Süden ist nicht wünschenswert. Der Quartiersplatz zwischen 4 gewerblichen Baukörpern erscheint zu groß, eine Anbindung an die vorhandenen Bauabschnitte nicht gegeben, die Abgrenzung zum südlichen Landschaftsraum unverständlich. Die ringförmige Haupterschließung unterstreicht die nicht gewünschte sozialräumliche Trennung. Das gewählte Straßenprofil erscheint für den Nutzungsanspruch überdimensioniert. Schotterstraßen in den Nachbarschaftsquartieren finden als Idee Würdigung, werden in der Realität den Nutzungserwartungen aber nicht gerecht. Die 6 Grünfinger nach Süden strukturieren den Bauabschnitt gleichmäßig, sind in ihrer räumlichen Wirkung aber zu schwach und erlauben keine Nutzungsspielräume. Das Nettobauland liegt unter einem wirtschaftlich tragbaren Grenzwert.