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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2020

Errichtung eines Kulturzentrums "Bären-Areal" in Bad Staffelstein

Die neuen Stadtbausteine des Kulturzentrums Bären-Areal

Die neuen Stadtbausteine des Kulturzentrums Bären-Areal

1. Preis

Preisgeld: 55.000 EUR

kol-lek-tiv Architekten Hoffstadt Dzhamurov Partnerschaft mbB

Architektur

Studio Vulkan Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Bären-Plätze

Baukultur

Geprägt wird Bad Staffelstein heute durch seinen spätmittelalterlichen Gebäudebestand der nach dem großen Stadtbrand von 1684 entstanden ist. Innerhalb der Überreste der historischen Stadtmauer kreuzen sich die beiden Hauptachsen im Zentrum. Inmitten des historischen Konglomerats aus giebel- und traufständigen Häusern stehen große Volumen mit öffentlichen Nutzungen frei auf kleinen Plätzen. So zum Beispiel Kirchen und Kapellen, sowie das Rathaus auf dem Marktplatz.

Auch das Bären-Areal wird durch die historische Straßenbebauung am Marktplatz geprägt. Es erstreckt sich zwischen Marktplatz und Stadtgraben und war auf Grund seiner Topographie wohl schon immer eine Art Zäsur im Raumgefüge der Altstadt.

Das einstige Brauereiareal ist als Ort einer besonderen Nutzung bereits im kollektiven Gedächtnis der Bewohner von Bad Staffelstein vorhanden. Mit den neuen Bärenhöfen entsteht ein Areal, das sich in Körnung und Struktur selbstverständlich in den Stadtteppich der Bad Staffelsteiner Altstadt einfügt. Kleine Gassen erschließen eine neue öffentliche Mitte und verknüpfen die neuen Baukörper mit den bestehenden Strukturen. Es entsteht ein neuer freizugänglicher Ort der Begegnung, ein Ort für Kultur.

Neben dem Marktplatz entsteht ein kleiner Stadtplatz, der sich als klar gefasster öffentlicher Raum im Maßstab mehr am Menschen als an der Erschließungserfordernissen orientiert.
Das neu entstandene Ensemble richtet sich nach der ortstypischen städtebaulichen Körnung. Die Setzung der neuen Stadtbausteine für kulturelle und öffentliche Nutzungen ist aus dem Bestand und nachweislich historischen Bauten abgeleitet. Auch die Gestalt und die moderaten Höhen der Bauten werden aus dem Umfeld entwickelt. Ziel ist es ein zurückhaltendes Gleichgewicht zu erreichen, das zwischen Alt und Neu vermittelt.

„Bauen bedeutet Zerstören. Zerstöre mit Verstand und Freude.“ Luiggi Snozzi
Jedweder Eingriff ist mit einer gewissen Zerstörung verbunden. So orientiert sich unser Eingriff am Vorhandenen und den Qualitäten der historischen Bausubstanz. Wild gewachsene Gebäudestrukturen aus der Nachkriegszeit werden entfernt, schützenswerte Schichten werden sichtbar und erfahrbar gemacht und subtil in den Neubau eingebunden. Das hohe Maß der mittelalterlichen und neuzeitlichen Baukultur wird an diesem Ort vereint.

Den Auftakt ins neue Bären-Areal bildet der in Vergessenheit geratene mittelalterliche Platzraum am Kastenhof südlich der Kapelle St. Georg. Hier ist die Adresse des neuen Veranstaltungsraums und der Bücherei. Auch vom Marktplatz kommend erfährt man nun wieder den einstige Gassenraum bis zum neuen höher gelegenen Plateau am Rande der Stadtmauer. Der kleine Stadtplatz als neues Scharnier zwischen Kirche, Stadtgraben und Markplatz ist als versiegelungsoffene Aufenthalts- und Aneignungsfläche ausgelegt. Biergartenartig ist die Fläche mit einzelnen einheimischen Laubbäumen überstellt und lose bestuhlt. Das Multifunktionsgebäude mit Direktvermarkter, Bierothek, Bürgercafé und Ausstellungsflächen, ein kleines Gastronomieangebot sowie die sich zum Platz am Kastenhof hin adressierenden öffentlichen Gebäude des Veranstaltungssaals und der Bücherei aktivieren die neue Nische im Stadtteppich.

Die Natursteinpflasterbeläge, die den kleinen Platz erschließen, sind weitestgehend mit grünen Fuge ausgeführt und durch Pflanzungen unterbrochen und gegliedert. Höhenversprünge werden durch abschnittsweise begrünte Natursteinmauern aufgefangen. Der kleine Platz ist atmosphärisch beleuchtet und ein kleiner Brunnen schafft einen neuen, lebendigen Anziehungspunkt.

Frei von störenden Bauten ist auch der Auftakt entlang der alten Schießstätte. Hier erreicht man das Areal fußläufig und als Radfahrer über eine landschaftliche Rampe. Die Einfahrt in die Stadtgarage ist in dem historischen und freigelegten Verlauf der Stadtmauer integriert. Dem Wunsch der Stadt die alte Stadtmauer wieder als Park erlebbar zu machen wird nachgegangen, gleicheitig findet das neue Bären-Areal Anschluss am alten Stadtgraben.
Alt und Neu

Das Veranstaltungsgebäude steht an Stelle des namensgebenden Kastenhofes und bindet dessen Überreste der Mauern und Fundamente im Innenraum des Kleinen und Großen Veranstaltungssaales ein.
Nach dem Rückbau der Kegelbahn an der Alten Schießstätte wird die Stadtmauer freigelegt. Mit der Neuordnung des Nachbargrundstückes und dem Vorschlag für die Setzung eines Mehrfamilienhauses wird die Wehrmauer in das Bauwerk eingebunden. Der höher gelegene Platz mitsamt Rampenanlage orientiert sich am einstigen Verlauf der Stadtbefestigung.

Den Anschluss an die noch sichtbaren Überreste bildet die Südfassade der Bücherei. Wo einst Bauwerke standen wird der Mauerring wieder geschlossen und die Fundstücke sowohl innen- als auch außenräumlich erfahrbar gemacht.
Trotz zweigeschossiger Tiefgarage wird es möglich sein den tiefer gelegenen Eiskeller zu erhalten und gegebenenfalls einer Nutzung zuzuführen.

Fassade und Materialisierung

Steinerne Sockelgeschosse und vielfach geschmückte Fachwerkfassaden prägen die mittelalterlichen Bauten der Altstadt Bad Staffelsteins.
Die neuen Stadtbausteine auf dem Bären-Areal binden die steinernen Überreste der vorhandenen Stützmauern und Wände in ihren massiven Sockeln ein. Beton dient als neutrales und kontrastierendes Material und macht den Eingriff ablesbar und reversibel.
Die Obergeschosse, in Holzständerbauweise errichtet, nehmen das ortsbildprägende Element des Schmuck- und Zierfachwerks auf. Die vorgefertigten Fassadenelemente sind mit großformatigen Holzschindeln ausgefacht und geben den Fassaden eine subtile Textur. Dadurch erinnern sie an die scheunenartige Bebauung im Kontext des Areals.

Denkmalgeschützter Bestand

Der einstige Gasthof „Zum Schwarzen Bären“ und das „Ultschenhaus“ werden von Anbauten aus der Neuzeit befreit, im Inneren werden alte Schichten und räumliche Qualitäten wieder belebt.

Das Erdgeschoss, bzw. Hochparterre kann somit wieder in ursprünglichem Gestalt gastronomisch genutzt werden. Die Zwischendecke und Fassadengestaltung der 60er und 70er Jahre werden rückgebaut und denkmalpflegerisch instand gesetzt. Die beiden Gewölbekeller der Vorgängerbauten aus dem Mittelalter werden saniert beziehungsweise rekonstruiert und somit für die Eventbrauerei wieder nutzbar gemacht.

Die Obergeschosse werden mit minimalen Eingriffen der Hotelnutzung zugeführt und Historisches konserviert. Die bedeutungsvollen Dachstühle sollen durch das Einstellen spezieller raumbildender Elemente aufgewertet und für Hotelgäste erfahrbar gemacht werden.

Auch das Bettenhaus wird von innen und außen von seinem neuzeitlichen Ballast befreit und für Gastronomie und Hotel sinnvoll einbezogen. Der nördliche Bereich des Bettenhauses, die Schnittstelle zwischen Vorder- und Rückgebäude eignet sich besonders für den Einbau eines Aufzuges und ermöglicht so die barrierefreie Erschließung von Teilbereichen des Hotels.

Der Durchgang des „Ultschenhauses“ dient der Gastronomie fortan als Wintergarten. Die Fundstücke der Brauereigeschichte – Kessel, Maschinen als auch Dokumente – werden im Erdgeschoss des „Ultschenhauses“ zur Schau gestellt, wodurch die beiden bisher leerstehenden Gebäude als historische Zeugnisse künftig wieder für Besucher erlebbar werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das städtebauliche Konzept des Beitrages überzeugt durch die gelungene, maßvolle Einfügung in den städtebaulichen Kontext. Fünf neue Baukörper schaffen, in äusserst geschickter Weise zueinander gesetzt eine spannungsvolle Abfolge an Passagen und Plätzen mit dem Versprechen differenzierter und atmosphärischer Aufenthaltsqualitäten. Sternförmig werden über das neue Wegenetz die Innenstadt, der Stadtgraben und der Kastenhof miteinander verwoben. Die Herausforderung des Umganges mit den topographischen Gegebenheiten wurde überzeugend gelöst. Von der Innenstadt kommend am kleine Sitzungssaal vorbei mündet eine passagenartige Sequenz in einem neuem platzartigen Schwerpunkt, dem „Marktplatz“, orientiert zum ehemaligen Stadtgraben. Von diesem gut gefassten Freiraum werden die Bierothek und der Direktvermarkter im Multifunktionshaus, wie auch die Bibliothek erschlossen, der Veranstaltungssaal lässt über ein großes Fenster Einblicke zu. Einzig die Höhe des Multifunktionsgebäudes wird hinterfragt und sollte in Verbindung mit der Höhenlage der Tiefgarage ingesamt überprüft und möglichst reduziert werden. Eine großzügige Rampe, als Reminiszenz an die ehemalige Stadtmauer an dieser Stelle typologisch richtig, führt von dort zur Straße Alte Schießstätte. Bei der Umsetzung dieser Verbindung vom Marktplatz bis zur Alten Schießstätte sollte die barrierefreie Ausgestaltung sichergestellt werden.

Die funktionalen Anforderungen in Realisierungs- wie Ideenteil sind durchwegs überzeugend bewältigt. Der Veranstaltungssaal ist funktional gut gelöst, einzig das Foyer ist etwas zu knapp bemessen. Die Tiefgarage in der gewünschten Größe mit ihren Zu- und Eingängen zu Veranstaltungssaal, Multifunktionsgebäude und dem südlichen Freiraum funktioniert tadellos. Hinsichtlich der Funktionalität der dreigeschossig ausgestalteten Bücherei wird noch Klärungsbedarf gesehen.

Durch die Aufteilung der geforderten Programme und Funktionen entstehen keine Synergieeffekte, dies stellt aber, in Abwägung zu den genannten städtebaulichen und stadträumlichen Qualitäten keinen wesentlichen Kritikpunkt dar. Sehr angeregt wird die Materialisierung und äussere Erscheinung der neuen baulichen Setzungen diskutiert. Ein konstruktiv sehr sensibler und nachhaltiger Vorschlag vorgefertigter Fassadenelemente in Holzrahmenbauweise mit großformatigen Schindeln, aufgesetzt auf einem stabilen, dabei „reversiblen“ Betonsockel bildet die Sprache der neuen Bebauung.

Kontrovers diskutiert wird, ob beim zentralen Veranstaltungsbauwerk ein wenig mehr seine besondere Funktion im äusseren Erscheinungsbild herausgearbeitet werden sollte.
Der Umgang im Ideenteil mit den beiden Baudenkmälern und einer maßvollen Erweiterung am Bettenhaus respektiert die historischen Elemente und den Charakter der Häuser. Eine Besonderheit ist die Setzung eines eigenen Empfangsgebäudes im Hofbereich unmittelbar hinter dem Ultschenhaus und dem Bärenwirt. Dies schafft öffentlichkeitswirksam Platz für die Gastronomie, Erlebnisbrauerei und Brauereimuseum zum Marktplatz. Es werden kluge und gut integrierte Nutzungsvorschläge sowohl für die historischen Gewölbe wie auch die Dachbereiche gemacht, was aus denkmalpflegerischer Sicht beim bisherigen Kaltdach des Ultschenhaus jedoch kritisch gesehen wird.

Die Baumaßnahme kann, nach Errichtung der Tiefgarage, bauabschnittsweise erstellt werden. Die vorgeschlagenen Konstruktionen lassen auf eine wirtschaftliche Bauweise und eine hohe Dauerhaftigkeit und damit Nachhaltigkeit des neuen Quartiers schliessen. Der vorgeschlagene Einsatz von teils vorgefundenen Materialien und in der Umgebung verfügbaren Baustoffen in Verbindung mit dem angestrebten hohen energetischen Standard sind im baulichen Konzept sehr schlüssig und überzeugend nachgewiesen.

Insgesamt stellt die Arbeit einen hervorragenden Beitrag zur Wettbewerbsaufgabe dar.

Beurteilung Denkmalpflege
Aus denkmalpflegerischer Sicht orientiert sich der Entwurf im Grundsatz gut an der historischen Stadtstruktur. Im südlichen Areal findet jedoch eine zwangsläufige Verschränkung der beiden topographisch bisher scharf getrennten Ebenen statt. Aus dem Entwurf geht nicht ganz klar hervor, wie mit der Fassade von Marktplatz 7 umgegangen wird.
Denkmalpflegerisch problematisch ist die Umnutzung des bisherigen Kaltdaches des Ultschenhauses (Marktplatz 8) in Hotelzimmer bis unter den First.

Beurteilung Landschaftsarchitektur
Den Verfassern gelingt die Entwicklung einer abwechslungsreichen Abfolge an befestigten Freiräumen für urbane Funktionen.
Wichtigstes freiraumgestalterisches Element sind dabei Großbäume, die frei angeordnet sind und eine wirksame Differenzierung der Räume versprechen. Da sie überwiegend auf unterbauten Flächen stehen, werden Aussparungen in der Tiefgarage vermisst, die es den Bäumen erlauben würden, die dargestellte Größe und Langlebigkeit zu erreichen.
Lageplan Bären-Areal

Lageplan Bären-Areal

Erdgeschoss Bären-Areal

Erdgeschoss Bären-Areal

Schnitt denkmalgeschützter Bestand am Marktplatz

Schnitt denkmalgeschützter Bestand am Marktplatz

Leseraum der Bücherei auf dem Bären-Areal

Leseraum der Bücherei auf dem Bären-Areal