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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2020

Neues "ErlebnisZentrumPerlmutter" für das Perlmutter- und Heimatmuseum in Adorf/Vogtl.

Visualisierung

Visualisierung

2. Preis

Preisgeld: 4.350 EUR

NEUMANN ARCHITEKTEN

Architektur

Erläuterungstext

LEITIDEE - STÄDTBAU - DENKMALSCHUTZ

Wie schließt man baulich eine im Mittel 10m-breite Lücke zwischen zwei eigenständigen, denkmalgeschützten Gebäuden und einer Stadtmauer im Rücken? Eine klassisch geschlossene Bebauung schlossen wir von Anfang an - aus Respekt vor dem historischen Bestand - aus. Somit kam nur noch die eigenständig, lastabtragende Setzung eines solitär gebauten Volumens in Frage.

Das Erdgeschoss zeigt sich dem Besucher komplett gläsern. Der Eindruck der städtebaulichen Lücke, mit den aufstrebenden historischen Außenwänden, zwischen Freiberger Tor und Graben 2, bleibt somit erhalten.

Für die vertikale Erschließung wird quer zum Kassenbereich eine geradläufige Treppe mit einem angeschlossenen Aufzug angeordnet. Die Treppe wird auf den jeweiligen Höhenkoten zur Erschließung des Freiberger Tores durch Podeste unterbrochen und erlaubt somit die Erreichbarkeit des Heimatmuseums sowie der Perlmutterausstellung vom zentralen Eingangsfoyer aus. Eine behindertengerechte Anbindung lässt sich durch die durchgesteckte Fahrstuhlvariante mit halbgeschossig versetzten Ausstiegen realisieren.

Da das Ausstellungskonzept im Dachgeschoss von Graben 2 mit seinem ersten Themenschwerpunkt beginnt, muss die Erschließung mittels Aufzug und Treppe bis auf die Dachgeschossebene geführt werden. Aus der geometrisch notwendigen Länge der Treppe entwickelt sich somit eine in ihrer Breite eher schmale, markante, dreigeschossige Kubatur, welche den zentralen Eingangsbereich im EG markiert und gleichzeitig mit ihrem Überstand als Schutzbereich für Besucher fungiert.

Es gibt weder Ecken noch Kanten. Die weichen Übergänge und die schillernde, geschlossene Haut nehmen sich zum einen im Denkmalkontext zurück, signalisieren aber gleichzeitig: „Hier ist ein besonderer Ort“. Das Fassadenmotiv spielt surreal in seiner Erscheinung und Materialität mit den Museumsinhalten der Perlen und des Perlmutts.

Die derzeit im Erdgeschoss massiv gemauerte und im Obergeschoss nur als offenes Fachwerk vorhandene Giebelwand vom Graben 2 hatte ursprünglich eine sehr regelmäßige Lochfassade, mit fassadenbündigen Kastenfenstern in den Obergeschossen und Öffnungen mit Granitgewänden im Erdgeschoss.

Das Gestaltungskonzept für das EZP geht nunmehr davon aus, den denkmalgeschützten Bestand im EG zu bewahren, die verlorengegangene Giebelwand in Ihrer historischen Gliederung nachzuempfinden, aber nicht originalgetreu nachzubauen. Die Öffnungen erhalten putzbündige, auf thermisch getrennten Stahlprofilen geklebte transluzente Scheiben. Da die Gebäudenutzung keine natürliche Belüftung benötigt, lässt sich diese reduzierte Konstruktion als „Kasten-“ Konstruktion im Innenraum fortsetzen. Der natürliche Lichteinfall wird nutzungsabhängig deutlich gesenkt, kann über Folien oder Rollos im Zwischenscheibenbereich komplett vermieden werden. Schatten und Lichtstimmungen können nach außen inszeniert werden (Weihnachtsschmuck, Deko).


FUNKTIONALITÄT

Das EZP empfängt seine Besucher in einem gläsernen Foyer, welches die gesamte Breite der vorhandenen Lücke zwischen Graben 2 und Freiberger Tor ausfüllt. In den seitlichen Bereichen an den Bestandsfassaden überhöht sich die Foyerhalle auf die zweite Geschossebene, unterstreicht den großzügigen Raumeindruck und erlaubt Ein- und Ausblicke.

Ein schlichter, sieben Meter langer Empfangstresen wird im Regelfall von einer Museumsmitarbeiterin bedient und vereint die Kassen-, Touristinfo- und Shopfunktion. Von hier aus löst man den Eintritt zur Perlmutter, als auch zum künftigen Heimatmuseum im Freiberger Tor. Ein seitlicher und rückwärtiger Bereich an der erlebbaren alten Stadtmauer dient als Auslage und SB-Shopbereich.

Dem Wunsch nach einem inszenierten Flusslauf würden wir gern mittels eines Lichtbodens aus Feinbetonplatten mit transluzenten Lichtleitern und hinterlegten LED-Boards entsprechen. Diese relativ simple und robuste Form einer animierten Bildwiedergabe im Fußbodenbereich lässt sich partiell in eine Fußbodengestaltung einbinden und wird als "begehbarer, flimmernder und fließender Fluß" Jung und Alt bereits im Eingangsbereich atmosphärisch in seinen Bann ziehen. Konzeptionell wäre auch vorstellbar, in den Übergangsbereichen der Ausstellungsgeschosse dieses Thema wiederkehren zu lassen. Aus unserer praktischen Erfahrung ist der Lichtboden äußerst wartungsarm und durch seine variable Bespielbarkeit flexibel auf sich änderte Anforderungen anpassbar.

Der vorliegende Entwurf weicht in zwei Punkten von den Vorgaben des Raumprogramms ab. Der Entwurf der Lückenüberbauung hat, typologisch bedingt, eine geringere Nutzfläche als in den Raumprogrammvorgaben ausgewiesen, dafür aber ein 3.Obergeschoss. Wir schlagen aus diesem Grund vor, die Museumspädagogik aus Belichtungsgründen nach oben zu verlegen.

Die Verwaltung, Museumsleitung und Personalräume sehen wir idealerweise im Erdgeschoss des Graben 2. Die Anordnung im EG erlaubt einen eigenständigen Nebeneingang für die Mitarbeiter, welcher speziell an den Schließtagen oder außerhalb der Öffnungszeiten, unabhängig vom Sicherheits-/Alarmkonzept, benutzbar ist. Eventuell wäre von hier aus auch eine Anbindung einer optionalen Nutzung für das dahinterstehende Abrissgrundstück denkbar.

Das Ausstellungskonzept kann somit wie gewünscht im Dachgeschoss von Graben 2 mit dem ersten und zweiten Grundbaustein beginnen und hangelt sich ohne Unterbrechung oder Nebennutzung bis zum Finale des Kleinen Blauen Wunders mit Filmvorführung im 1.Obergeschoss des Neubaus. Über die Brüstung der Erschließungsbrücke hat der Besucher wieder Blickkontakt in die Foyerhalle.

Diese logische Abfolge ist unseres Erachtens im Sinne der Orientierbarkeit und Szenografie pragmatisch, aber auch nachhaltig, weil Sie für die Zukunft auf Änderungen oder Ergänzungen flexibel reagieren kann. Der Wechsel, aus atmosphärischen Eindrücken des Altbaus, Ruhebereichen mit Ausblicken in die Landschaft sowie größtmögliche Gestaltungs- und Flächenausnutzung des Neubauteils (Lasteintragung u.a.), bieten ein breites Potential für die Fortschreibung des Ausstellungskonzeptes.

Wieder im Foyer angekommen bleibt Zeit für Kaffee und Snacks im SB-Verpflegungsbereich. Im darunter liegenden Untergeschoss befinden sich die WCs, ein Garderobenbereich und die Technikzentrale.


MATERIALITÄT

Die primäre Tragkonstruktion des Neubaus, bestehend aus lastabtragenden Wänden, Stützen und auskragenden Decken wird als monolithische, Stahlbetonkonstruktion ausgeführt. Die weich anmutende amorphe Fassadenoberfläche wird als geschlossener, aus der Distanz fugenlos erscheinender, Glasmosaikfliesenbelag hergestellt. Die wollfarbene irisierende Haut spiegelt und reflektiert Licht und Umgebung und baut bewusst Assoziationen zum Thema der Perlen und des Perlmutts auf.

Das massive, erhabene Sockelgeschoss des Altbaus wird nach historischem Vorbild mit einem glatten, naturfarbenen Kalkputz behandelt, während die dezent zurücktretenden Obergeschosse einen vierlagigen Sumpfkalk-Glattputz mit geseifter Oberfläche, für eine schimmernde, leicht wasserabweisende Oberfläche, erhalten.

Die nachträglich wieder aufgebaute Lochfassade der Obergeschosse des Giebels, als derzeit nicht erhaltenes, bauzeitliches Element, interpretieren wir zeitgenössisch. Es gelingt eine Transformation der alten Proportion, für eine erkennbar neue Nutzung.

Im baulichen Ensemble von Stadtmauer und Freiberger Tor entsteht somit, bei allem gebotenen Respekt vor erhaltenswerter historischer Substanz, auch etwas „Neues“.

Der Anspruch des Bauherren nach einer Image bildenden Adresse mit einem hohen Alleinstellungsfaktor tritt als Genius loci, als "Geist des Ortes" in Erscheinung, an welchen man sich als Gast gern und lang erinnern wird.


HAUSTECHNIK - ENERGIEEFFIZIENZ

Der Vorgabe der Auslobung folgend, wird das gesamte Ensemble ausschließlich kontrolliert be- und entlüftet. Eine Ausnahme hiervon macht die Verwaltung im EG Altbau sowie die Museumspädagogik im 3.OG Neubau. Während sich die Verwaltung über normale Fenster belüften lässt, gibt es im 3.OG Neubau zusätzliche Oberlichtkonstruktionen, welche sich bei Bedarf mit Lüftungsfunktion koppeln ließen. Die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sowie weitere Haus- und Steuertechnik befindet sich im Kellergeschoss des Neubaus.

Für die geplante Heizungsanlage außerhalb des Wettbewerbsgebietes schlagen wir eine Wasser-Wasser Wärmepumpe, zur Abdeckung der Grundlasten, vor. Dieses Prinzip ließe sich im Sommerbetrieb auch zum Kühlen der geschlossenen Räume nutzen. Als Heiz- bzw. Kühlflächen können im Altbau Lehm-Systembauplatten mit wassergeführten Rohrsystemen für einen Deckeneinbau bzw. die Stahlbetondecken des Neubaus für eine Bauteilaktivierung genutzt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Verbindungsbau ist eine städtebaulich dominante Geste, die dem Genius Loci gerecht wird. Die Besonderheit des Gebäudeensembles ist erkennbar und man wird bereits
visuell hingeleitet. Der Eingangsbereich wird durch den „schwebenden“ geschlossenen Baukörper betont. Die große Freitreppe bergabwärts und die Mauer bergaufwärts unterstreicht
die Eingangssituation und geht mit der Topographie geschickt um.
Die gerundete Form des „schwebenden“ Baukörpers kommt den Themen der Erlebniswelt Perlmutter nah. Die besondere Form ist innen und außen erlebbar und wird somit seiner Aufgabe gerecht. Gleichzeitig werden die beiden benachbarten Gebäude, Graben 2 und Freiberger Straße durch die Glasfugen respektiert.
Der moderne Umgang mit der Fachwerkfassade des Gebäudes 2, die nicht mehr ursprünglich ist, wird von Jury und Denkmalpflege gewürdigt. Die Stadtmauer ist im Neubau
leider nicht erlebbar.
Das Raumprogramm ist vollständig, in leicht veränderter Art erfüllt. Die Anbindung der Geschosse der einzelnen Baukörper sind funktional gelöst und erfüllen den Anforderungen
des Erlebniszentrums.
Die baurechtlichen Anforderungen sind umsetzbar.
Die technische Realisierbarkeit der Entwurfsidee wird als schwierig eingeschätzt. Es bestehen Zweifel an der Umsetzung der „Leichtigkeit“ (stützenfreier Eingangsbereich) und der
transparenten Gebäudefugen, die der Entwurf suggeriert, und damit verbundenen Verlust der sehr positiv bewerteten Idee.
Die Jury würdigt die besondere Form des Verbindungsbaus, die Erlebbarkeit innen und außen sowie den Umgang mit der benachbarten Bebauung.
Denkmalschutz
Der Neubau tritt als konsequent eigenständiger neuer Baukörper zwischen den Kulturdenkmalen Freiberger Tor und Graben 2 auf. Trotz seiner kontrastreichen hellen Fassadenfarbigkeit
fügt sich der Neubau harmonisch ein. Es entstehen drei unterschiedliche, aber gleichberechtig erscheinende Baukörper.
Die Anschlüsse an den historischen Bestand erfolgen über transparente Glasfassaden. Dadurch bleiben die Seitenfassaden der Kulturdenkmale sichtbar.
Die Stadtmauer bleibt erhalten.
Qualität für das Kulturdenkmal Graben 2:
Die historische Innenraumstruktur des Kulturdenkmals wird erhalten und in die Konzeption übernommen.
Die Fassade erscheint als geputzte Fassade an Oberstock und Giebel sowie mit geputztem Erdgeschoss. Die Fenster des Erdgeschosses weisen eine Teilung nach historischem
Vorbild auf. Im Gegensatz dazu sind die Oberstock- und Giebelfenster mit einer transluzenten Verglasung ohne Teilung versehen.
Die Fassadengestalt ist im Detail abzustimmen.
Dem Wettbewerbsbeitrag 11 wird denkmalfachlich zugestimmt.
Lageplan

Lageplan