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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2020

Neugestaltung des Münsterplatzes in Northeim

Anerkennung

Preisgeld: 2.900 EUR

lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept |
In der städtebaulichen Genese waren Münsterplatz und Klostergärten einst eigenständige, umschlossene Terrains, um die herum sich die bürgerliche Stadt mit ihrem eigenen Leben entwickelte. Im Verlauf der Zeit hat sich dieses ursprüngliche Nebeneinander inhaltlich verschoben. Center und öffentliche Nutzung des Münsterplatzes verdeutlichen heute funktionale Mitte in der Altstadt von Northeim. Der räumliche Bruch gegenüber der umgebenden Fachwerkstadt durch Struktur und Maßstab jedoch ist weiterhin ablesbar.
An diesem geschichtlich bedingten Bruch setzt das Konzept an. Einerseits wird das Areal funktionell mit barrierefreier Durchwegung, flexibel nutzbaren Räumen, öffentlichen Institutionen. Einkaufszentrum, Balkonen und gemeinschaftsbildenden Angeboten dicht mit den umgebenden Quartieren verflochten.
Andererseits bleibt das Kirchenareal gestalterisch gegenüber der umgebenden Altstadt als eigener Bereich deutlich lesbar. Der bestehende städtebauliche Bruch, die Eigenständigkeit des ehemaligen Klosterquartiers wird durch die Freiraumplanung mit changierenden, gekammerten Höfe und Gärten, durch den Stadtboden sowie durch eine eigene nächtliche Lichtwirkung erkennbar unterstützt.

Münsterplatz |
Der Münsterplatz wird zwischen den fassenden wie prägenden Bauten als eine durchgehende, große, offene und somit flexibel bespielbare Platzfläche konzipiert. Der vorhandene Baumbestand wird weitgehend integriert und trägt dazu bei, die historischen Schichten des eigenständigen Quartiers wie auch des verlorenen Münsters räumlich nachzuvollziehen. Durch Mauern, topographische Zäsuren und kraftvolle Hecken lebt die ursprüngliche Kammerung mit eigenen Höfen und Gärten (insbesondere zur Medenheimer Strasse) wieder auf und trägt durch die fassende Räumlichkeit zur vielfältigen Belebung des Areals bei.
Auf dem Platz besetzt eine kraftvolle, lange und vielfältig besitzbare Bank – „das Kirchengestühl“ – die Lage der verlorenen Südmauer des Münsters. Mit der noch vorhandenen Nordwand und den Solitärbäumen im Osten wie Westen wird der ursprünglich Mitte bildende Kirchenbau in seiner Lage wie Dimension subtil wieder ablesbar.
Ein bodenbündiges Fontänenfeld belebt den Platz und wird zum informellen bespielbaren Anziehungspunkt für Kinder.
Der Stadtboden aus Naturstein eine lineare Struktur. Rasen und Moos siedeln sich in den im Rahmen der Barrierefreiheit machbaren leicht ausgeweiteten Fugen an und erzeugen ein sympathisch leichtes grünes Flimmer über dem Platz – ein bewusster Kontrast zu den steinernen Plätzen und Gassen der umgebenden Altstadt. Linien, die partiell changierenden Oberflächen und die abstrakten Spolienplatten spielen sowohl mit den Bildern von „Garten“ im Klosterquartier wie auch mit denen der vielschichtigen Genese zwischen Kirchhof, Abbruch, Wiederverwendung und Platz.

Zum Klostergarten |
Der gebänderte Stadtboden erstreckt sich auch in die „rückwärtigen Lagen“ des ehemaligen Klosterquartiers zwischen Verwaltung und Einkaufszentrum. Die bisherige steinerne Tristess wird durch eingelegte gebänderte „Klostergärten“ überwunden. Die auf der Tiefgarage als Hochbeete ausgeführten Beete mit farbenfrohen Stauden sollten nach Möglichkeit auch durch gemeinschaftliche Urban Gardening genutzt werden. Eingespannte Bankelemente bieten lauschige Aufenthaltsbereiche zwischen dem Blumenflor.

Am Münster |
Außerhalb des Klosterquartiers orientiert sich der Stadtboden in bewusst tradierter Weise. Ein feinkörniger wie richtungsloser Belag erstreckt sich von Fassade zu Fassade. Eingelegte seitliche Rinnenbänder gliedern in Profil und Gefälle den Straßenraum und zonieren zwischen Hauptbewegungsflächen und hausnahen Übergangszonen

Materialkonzept |
Auch in der Materialität spiegelt sich das übergeordnete Konzept wieder. Der „einfache“ Stadtboden erhält einen Belag aus Mittelstein 12x12 aus Granit in changierenden warmen Grautönen. Durch die vorgeschlagene Verlegung als Fischgrätkomposit kann der Belag weitgehend kostengünstig auf ein Format beschränkt bleiben und erzielt doch in der Perspektive einen legendigen wie bewegten Gesamteindruck.
Riemchen in wechselnden Längen aus dunklem Lavabasalt bilden die Grundstruktur im Klosterquartier. Epitaphe - Plattenbänder aus warmem Sandstein mit abstrakten Schriftschatten akzentuieren die Fläche.
Die Oberflächen sind barrierefrei gesägt und geflammt. Im Klosterquartier werden zudem teilpolierte Bänder eingelegt.

Ausstattung |
Zentraler Blickfang bildet das „Kirchengestühl“ – die lange Bank über der vergangenen Südmauer des Münsters. Aus einem Komposit aus massiven Eichenbalken entwickelt sich eine lebendige Sitzlandschaft mit unterschiedlichen Tiefen und Orientierungen.
Ergänzend finden sich schlichte Sitzroste zwischen den „Gartenbeeten und über den Platz hinweg verstreut ein große Tuff an frei verortbaren Stadtsesseln aus dunklem Stahl.
Lichtkonzept | Die Beleuchtung unterstützt den Charakter des Münsterplatzes in seinem Bestand sowie in seiner Historie. Die Fassaden des St. Blasius Komplexes, als ehemalige Nordwand und Sakristei der Münsterkirche, sowie das Heimatmuseum werden beleuchtet und beschrieben dadurch den Raum im abendlichen Stadtbild. Für die Nordwand sowie für eine Unterleuchtung der langen Bank als Südwand des Münsters wird eine dezent bernsteinfarbene Lichtfarbe verwendet, um den Namensgeber und die besondere Identität des Platzes zu würdigen.
Das gesamte Klosterquartier hebt sich ebenfalls durch eine dezente Abstufung der Lichtfarbe von der Altstadt ab: Die Straßenbeleuchtung am Münster soll mit LED in regulär warmweißer Lichtfarbe (3.000K) ausgestattet werden, während sich die Platzbeleuchtung einschließlich Klostergärten mit einer noch wärmeren Lichtfarbe (2.700K) subtil davon abhebt.
Die bestehenden Mastleuchten werden umgewandelt und durch effiziente und nachhaltige LED-Technik modernisiert: Zweiflammig für die Platzränder, Einflammig für die Platztiefe und Klostergärten.
Auch die Straßenbeleuchtung wird entsprechend angepasst. Hier wird Fassadenseitig der Leuchtenzylinder für eine leichte Lichtstreuung satiniert, um die Fachwerkfassade am Münster mit einer dezenten Aufhellung in die Raumbegrenzung mit aufzunehmen.
Die Fassadenbeleuchtungen am Platz erfolgen von zusätzlichen Strahlern am Masten sowie nach technischen Möglichkeiten aus dem Traufbereich oder aus dem Boden heraus.
Das Wasserspiel wird durch eine integrierte Beleuchtung akzentuiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Den Verfassern gelingt es, einen funktionalen Platz zu schaffen, der einen ansprechenden Stadtbo-den von Fassade zu Fassade spannt. Die platzprägende Rosskastanie wird erhalten, die weiteren Be-standsbäume werden ebenfalls weitgehend erhalten und in die Planung integriert.
Die lange, in der Mitte des Platzes angeordnete „Kirchbank“ soll ein neues platzprägendes Element schaffen. Dies gelingt aber nicht überzeugend, da die stationäre Bank einer funktionalen Bespielung des Platzes im Wege steht. Eine mögliche Öffnung des Platzes in Ost-West-Richtung nach dem Her-austreten aus dem City-Center, um die vorhandene Frequenz aufzunehmen und auf den Platz zu ver-teilen, ist zwar gelöst. Die Bank hemmt jedoch das diagonale Durchschreiten des Platzes, so dass das mögliche Potential behindert bzw. nicht ausgeschöpft wird.
Der Klostergarten ist funktional durch die Urban-Gardening-Beete angedeutet, wobei die Funktionali-tät als Park- und Anlieferzone erhalten bleibt. Obwohl die Idee des Urban-Gardening interessant er-scheinen mag, ist sie an diesem Standort weniger geeignet und trifft nicht die aktuelle örtliche Situa-tion. Die erforderlichen Rettungswege zwischen Stadthalle und City-Center in Süd-Nord-Richtung werden durch weitere Urban-Gardening-Beete kritisch unterbrochen.
Die sich ergebende Chance, das Museum und dessen historische Fassade am Westende des Platzes stärker zu fokussieren, wird durch weitere Pflanzungen leider nicht ergriffen. Eine weitere Chance, die sich aus einer Neugestaltung des unmittelbaren Raumes vor dem Museum hätte ergeben kön-nen, wurde nicht genutzt.
Die Verfasser sind in der Grundidee ihres Vorschlags positiv darauf eingegangen, dass eine Belebung des Platzes durch gastronomische Angebote erreicht werden kann. Diese Idee wurde aber durch die Beibehaltung bestehender Raumkanten nicht konsequent umgesetzt.
Positiv zu würdigen ist der Ansatz einer Fontäne, die generationsübergreifende Aufenthaltsqualität schafft. Durch die Jury kritisch hinterfragt wurde jedoch die räumliche Verortung auf dem Platz, die eine mögliche Zuordnung zur „Kirchbank“ nicht umsetzt.
Die barrierefreie Zugänglichkeit des Platzes ist im Wesentlichen gelöst. Die Stufenanlage und Rampe vor dem Museum schränken ein selbstverständliches Miteinander ein.
Die warmen Grautöne des vorgeschlagenen Granitpflasters mit einliegenden Riemchen aus dunklem Lava-Gestein überzeugt die Jury nicht. Die Wahl eines Natursteinbelags erscheint richtig, ist aber vor dem Hintergrund des gegebenen Finanzrahmens zu prüfen.