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Offener Städtebaulicher und Landschafts-Planerischer Realisierungs- und Ideenwettbewerb | 11/2020

„Breite Äcker“ - Klimaneutrales Wohnen in Erlangen Büchenbach

ein 2. Preis

Preisgeld: 16.500 EUR

stm°architekten

Architektur

Lorenz Landschaftsarchitekten Stadtplaner

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Raum- und Grünstruktur

Leitidee des neuen Wohnquartiers ist eine Raum-, Bau- und Grünstruktur, die sich schollenartig in dem Wettbewerbsgebiet einfügt und die sich mit der Natur bzw. dem Landschaftsbild, das durch weitläufige Wiesen und Teichketten geprägt ist, zu einer Einheit verbindet. Diese Leitidee bildet die Grundlage, das Thema „klimaneutrales Wohnen“ im Baugebiet Büchenbach Breite Äcker konsequent umzusetzen.
Der Begriff Klimaneutralität wird in diesem Konzept erweitert und auf ein umfassendes Siedlungsbild als Grundlage für ein anderes Wohnen bezogen.
Die gewählte Baustruktur entwickelt sich aus dem östlich angrenzenden Siedlungsraster des Entwicklungsgebietes Erlangen West II und verfolgt die Strategie einer Clusterung: es entstehen sechs klar ablesbare Nachbarschaften, die um einen zentralen Anger gruppiert sind. Grünstrukturen umgeben die Bau-Cluster und gliedern den Anger. Das längs des Adenauerrings verdichtete Grün verwebt sich mit den Baufeldern und stellt im Westen den Übergang vom Wohngebiet zum landwirtschaftlich genutzten Landschaftsraum dar.
Geschwungene Wege, weite Wiesenflächen und Baumgruppen, die in den Wohnhöfen und entlang von Wegen und Straßen als öffentliches Rahmengrün gesetzt werden, charakterisieren den Freiraum des Neubaugebiets. Durch die Anordnung der Baumgruppen und der Rasenwege in der Wiesenlandschaft ergeben sich unterschiedliche Blickachsen in die freie Landschaft, die gleichzeitig als Frischluftschneisen fungieren.
Stege, die im Norden entlang der Weiher führen, machen diese erlebbar und binden diese in den Freiraum mit ein.


Anger als soziale Mitte

Der Anger ist Mitte, übergeordneter Bewegungsraum und mit wasserdurchlässigem Belag befestigte Mischfläche für alle hier gleichberechtigten Verkehrsteilnehmer. Er erschließt und vernetzt die anliegenden Nachbarschaften. Durch seine frei entwickelte Form stellt der Anger keinen gefassten, städtischen Platz dar, sondern eine von dörflichen Strukturen abgeleitete Fläche, die von Häusern umstanden und von Baumfeldern, sowie Grünflächen gegliedert wird. Am Anger befinden sich übergeordnete Angebote wie Gewerbeflächen für Läden, Pflegedienste und Praxen, Coworking Bereiche und Ateliers.
Das Angebot für Jugendliche – Kindertageseinrichtung und Jugendtreff – liegt am südlichen Rand des Angers als Übergang zur Freifläche. Vorgelagert ist eine große Terrasse mit einem dezentralen Wasserbereich, die Richtung Süden zu den Weiherketten ausgerichtet ist.
Straßenbahn und Busverkehr können im Anger problemlos integriert werden. Im Zentrum, benachbart zur Straßenbahnhaltestelle, wird der Mobilpunkt platziert.



Das durchlüftete Quartier

Die Gliederung in sechs Cluster ermöglicht, das Quartier mit dem östlich angrenzenden Baufeld über Fuß- und Radwege zu vernetzen und in Ost-West Richtung verlaufende Frischluftschneisen, die eine Luftströmung gewährleisten und im Sommer zur Kühlung beitragen, zu integrieren.
So kann vermieden werden, dass am Anger dauerhafte Wärmeinseln entstehen. Der kühlende Effekt der Luftschneisen wird durch die Lage der Wasserflächen am Rand der Cluster unterstützt.
Eine angemessene Lufthygiene und ein angenehmes Mikroklimakönnen so im Baugebiet ganzjährig gewährleistet werden.


Clusterbildung als Strukturgrundlage

Zur bisherigen Wohnbebauung, die durch geometrisch ausgerichtete Gebäudekomplexe und geradlinig angelegten Verkehrswegen charakterisiert ist, bildet das Neubaugebiet mit seinen frei angeordneten Baukörpern und den fließenden Übergängen zur Landschaft bewusst einen Kontrast.

Jedes der sechs Cluster fungiert als eine autarke, gemeinschaftliche Einheit und bildet eine Nachbarschaft, die gemischte, unterschiedliche Wohn- und Bauformen anbietet, so dass eine alters- und einkommensgemischte Bewohnerstruktur entsteht. Die Höhenentwicklung ist heterogen, nach Osten schließen sich die Cluster, nach Westen hin öffnen sie sich zum grünen Siedlungssaum.
Die Mischung – verdichtete Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser mit Familienwohnungen und Flächen für Wohngemeinschaften, sowie Baugruppen –entsteht frei, eine Hierarchisierung ist nicht vorgesehen.
Die Erschließung der Bautypen erfolgt jeweils vom Clusterinnenraum, wobei sich alle Cluster großzügig zum Anger öffnen.
In jedem Cluster werden nahe am Zugangsbereich vom Anger ein Clusterraum mit Küche und Bad, der auch als Gästeappartement dienen kann sowie ein gemeinschaftlicher Waschraum angeboten. Pflegewohnungen werden in den Gebäuden integriert, um den Bewohnern ein möglichst langes Verweilen im nachbarschaftlichen Umfeld zu ermöglichen.


Clusterinnenräume als Nachbarschaften

Die Freiflächen innerhalb der Cluster vernetzen die Nachbarschaft, sind Bewohnertreff, Spielfläche für kleine Kinder und bieten Kleingärten zur Teilselbstversorgung, sowie Urban Gardening.
Die Wohnhöfe westlich der Erschließungsachse öffnen sich zur freien Landschaft.
Punktuell eingestreut sind Bauminseln mit unterschiedlichen Funktionen. Hier werden Aktivitätszonen mit Kletter- und Spielmöglichkeiten für Groß und Klein genauso wie Ruheräume angeboten, die als Treffpunkt und Kommunikationsort dienen.
Private Freiflächen an den Gebäuden werden zusätzlich, aber ohne separierende Abgrenzung angeboten. So entsteht zusammen mit den gemeinschaftlichen Clustergärten auf den Dachflächen eine neue, pandemiegerechte Definition der privaten Freifläche als Raum für alle Anwohner.


Untergeschosse als Energie- und Serviceflächen

Die Untergeschosse der Wohnbauten werden innerhalb jedes Clusters vernetzt und mit Abstell-, Technik- und Parkierungsflächen belegt. So können bei sich ändernden gesellschaftlichen Bedingungen die Flächen des ruhenden Verkehrs nach und nach reduziert und die nicht mehr erforderlichen Flächen zu Lagerräumen umgewidmet werden.
Im Technikbereich werden Flächen für Batteriespeicher der über Photovoltaik gewonnenen Energie, für Warmwasserspeicher der Solarthermie, für Grauwasseraufbereitung und für Bioreaktoren, sowie für Wärmepumpen, kalte Nahwärme oder Brennstoffzellen angeboten.


Parkierungskonzept bei unverändertem Mobilitätsverhalten

Der individuelle Zielverkehr benutzt den Anger als oberirdische Verteilung und verkehrsberuhigte Erschließung. Vorrangig sind der Fußgänger- und Fahrradverkehr sowie über die Fläche verteilte Fahrrad- und E-Bike Stellplätze. Für PKW werden vorallem im Bereich der nördlichen Zufahrt versetzte Parkstände angeordnet, die von Besuchern oder für Kurzzeitparken benutzt werden.
Der ruhende Verkehr ist in Tiefgaragen dezentral für jedes Cluster untergebracht, die jeweils über eine eigene Erschließungs-Rampe verfügen. Mit Hilfe von begrünten Dächern, die sich aus der Grünstruktur der Zwischenräume entwickeln, werden die Rampen im System integriert. Die Clusterinnenräume sind komplett verkehrsfrei, lediglich Rettungsverkehr ist möglich.


Hochbau ist Holzbau

Für die Baufelder soll ein Holzbaugebot ausgesprochen werden. Alle Systeme des konstruktiven Holzbaus können auf einem massiven Sockel, der das UG und die Bodenplatten bilden, aufgesetzt werden. Unterstützt wird dieses Konzept durch den Einsatz von umweltfreundlichen, naturnahen und nachhaltigen Materialien, wie bzw. wasserdurchlässige Beläge bzw. Beläge mit Rasenfugen.
Die Dächer werden begrünt, zusätzlich werden Solarpaneele und gemeinschaftlichen Dachterrassen eingefügt. Eine gestufte Höhenausbildung der Baukörper gewährleistet die Zugänglichkeit.
Bei geeigneter Ausrichtung der Fassaden werden biologische, mit Mikroalgen bestückte Solarzellen integraler Teil des Baukonzeptes, hofseitig ergänzen Spalierobst und Fassadenbegrünungen die Gestaltungspalette. Die Haustiefen ermöglichen eine weitgehende Ausrichtung der Innenräume nach Süden, so dass die Nutzung passiver Solarenergie vor dem massiven Überdämmen der Außenflächen steht.


Schwammstadt-Siedlung

Das Wassermanagement des Siedlungskörpers beruht auf dem „Schwammstadt“-Prinzip. Befestigte und versiegelte Fläche wird minimiert, Versickerungsfläche maximiert. Wo möglich, wird wasserdurchlässiger Belag zur Befestigung der Erschließungen verwendet. Die Flachdächer und Teile der Clusterinnenflächen dienen zur Regenwassersammlung, die Zwischenspeicherung erfolgt in den Untergeschossen.
Zur Aufnahme von Starkregenfällen wird das System mit dem Talgrund der Bimbach und den westlichen Freiflächen vernetzt. Südlich der Bebauung werden Flächen angelegt, die bei Trockenheit als Spielflächen, bei Überlauf der den Clustern zugeordneten Speicher ebenfalls Als Speicher genutzt werden.


Abwassermanagement

Das im Baugebiet anfallende Abwasser wird in drei Gruppen getrennt.
Das Grauwasser aus den Waschbecken und Duschen der privaten Bäder und den Waschmaschinen der Wohneinheiten wird gesondert in die Aufbereitungseinheit im UG geleitet und dort in einer Zisterne gespeichert und kann im Baugebiet verbleiben.
Gelbwasser und Schwarzwasser sollen so weit wie möglich getrennt erfasst und dezentral behandelt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das städtebauliche Konzept nimmt die Grundzüge der östlich angrenzenden Bebauungsstruktur auf und entwickelt diese in offener Clusterstruktur erfreulich eigenständig weiter. Es schafft so einen harmonischen und weichen Übergang in die umgebende Landschaft und verbindet die Bebauung mit dem Freiraum. Dabei entstehen gut proportionierte Hofräume, die sich um einen amorphen, nicht zu städtisch wirkenden Anger gruppieren, der von den Verfassern treffend als soziale Mitte bezeichnet wird. In der Ausarbeitung bleibt es leider vage, wie sich dieser Anger mit der StUB zu einem attraktiven öffentlichen Raum entwickeln kann. Gleichwohl ist er auch ohne StUB gut vorstellbar. Das Kinder- und Jugendhaus ist im Übergang zum Landschaftsraum schön positioniert und bildet einen adäquaten Endpunkt für den Anger. Die Zufahrt vom Adenauerring ist durch die räumliche Grunddisposition und den gesetzten Hochpunkt auf geschickte Weise akzentuiert. Die insgesamt maßvolle Geschossigkeit und die Mischung der Wohntypologien werden begrüßt, doch ist die geforderte verdichtete Einfamilienhausbebauung anhand der vorgeschlagenen, durchwegs polygonalgebrochenen Baukörper nicht ablesbar. In der Gesamtschau prägt die konsequent eigenständige Baustruktur die Herausbildung einer besonderen, durchaus zukunftsweisenden Identität dieses Quartiers. Freiraumqualität und Grünvernetzung Es entstehen hohe Freiraumqualitäten im privaten wie öffentlichen Bereich, wobei deren genaue Definition bzw. Abgrenzung mancherorts unscharf bleibt. Eine Einschränkung der Freiraumnutzung stellt die doppelte Führung der STUB-Trasse durch den Landschaftsraum dar. Die Zuordnung der intensiven Freiraumnutzungen zur Wohnbebauung im Norden und der extensiven Freiraumnutzungen mit Retentionsflächen im Süden wirkt schlüssig. Durch die großzügigen Freiräume zwischen den Clustern entsteht eine sehr gute Vernetzung mit dem Landschaftsraum, dabei werden auch die Durchlüftung des Quartiers und das Regenwassermanagement befördert. Positiv zu betrachten ist die große öffentliche Grünfläche westlich und südlich der bebauten Bereiche. Leider wird diese Qualität und Funktionalität durch die Führung der StUB-Trasse mittig durch die Grünfläche deutlich beeinträchtigt, da hier eine Barrierewirkung innerhalb des öffentlichen Grüns auch zum Talraum der Bimbach entsteht. Erschließung Das Erschließungskonzept überzeugt durch seine klare Struktur und den geringen Flächenbedarf. Allerdings wird der Anger - als soziale Quartiersmitte - in seiner Aufenthaltsqualität beeinträchtigt. Die Führung der StUB in teilweise nicht differenzierten Shared-Space-Bereichen erfordert geringe Fahrgeschwindigkeiten und verlängert damit die Reisezeit für durchfahrende Fahrgäste. Die Haltestelle auf dem Quartiersanger ist richtig verortet. Die Weiterführung der Bahnachse nach Herzogenaurach ermöglicht eine direkte und zügige Fahrt. Realisierbarkeit, Wirtschaftlichkeit Die Clusterausbildung verspricht eine unkomplizierte Realisierung in Bauabschnitten. Die vorgeschlagene polygonale Ausformung der Baukörper stellt jedoch in allen Teilen hohe Ansprüche an die architektonische Umsetzung, wobei die robuste städtebauliche Grundstruktur durchaus auch punktuelle Vereinfachungen zulassen würde. Die geringen Erschließungsflächen sind vergleichsweise wirtschaftlich herzustellen. Klimaanpassung und Nachhaltigkeit Die Vorschläge zur Klimaanpassung und nachhaltigen Entwicklung des Quartiers sind durchdacht und mit der vorgeschlagenen Bebauungsstruktur sehr gut umsetzbar. Vorgeschlagen wird die Errichtung der Häuser in Holzbauweise. Dies setzt die Forderung nach Nachhaltigkeit und Zukunftsgerechtigkeit ebenso konsequent um wie die Vorschläge zur späteren Nachnutzung von Untergeschossen und Tiefgaragen. Der Nachweis, dass diese Gebäude auch kostengünstig und den EOF-Anforderungen entsprechend errichtet werden können, steht allerdings noch aus.