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Einladungswettbewerb | 11/2020

Wohnquartier „Altes Theisen-Kabelwerk“ in Duisburg

3. Preis

Preisgeld: 8.000 EUR

BRS architectes ingénieurs

Architektur

Agence Ter

Landschaftsarchitektur

Transitec

Verkehrsplanung

Transsolar Energietechnik GmbH

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Das Areal des ehemaligen Theisen Kabelwerks befindet sich an einer bedeutenden Nahtstelle zwischen den sozial unterschiedlichen Vierteln Hochfeld und Dell Viertel. Die Transformation in ein attraktives städtisches Quartier ist bereichernd für bereits ansässige und neue Anwohner, wertet den Stadtraum auf, und setzt das industrielle Erbe in Szene. Bei der Umstrukturierung des Viertels verfolgen wir im Interesse der kurz, mittel und langfristigen Stadtentwicklung die folgenden Leitideen:

1. STÄRKEN DES GRÜNGÜRTELS DURCH RENATURIERUNG
Die Internationale Gartenschau 2027 ist eine einmalige Chance für Duisburg dank des industriellen Rückbaus nachhaltig Grünräume in der Innenstadt zu fördern und sie zu einem zusammenhängenden ökologischen Gesamtsystem zu verbinden. Das heute noch stark versiegelte Areal des Theisen Kabelwerkes wird umfassend renaturiert und verbindet den Grüngürtel mit dem nördlichen Ausläufer des Böninger Parks als biotopes Netzwerk. Die entstehenden Frischlufttrassen steigern nicht nur die Aufenthaltsqualität, sondern erhöhen auch die Kühlkapazität im Sommer. Damit rückt das Alte Kabelwerk ins Zentrum zusammenfließender Grünräume.

Vier stark begrünte Stadtbausteine und zwei öffentliche Parks umgeben den zentralen Werkhof des ehemaligen Theissen Werkes als Stadtteilzentrum und sorgen somit für das Zusammenfließen der Grünräume welche das lebendige und informelle Durchwegen des Quartiers stärken. Neben einer parkähnlichen Ausformulierung des öffentlichen Raumes unterstreichen privat genutzte Gärten, Dachgärten und bepflanzte Fassaden den grünen Charakter des Quartiers. Auch Wasserretentionsbecken, Wasserspiele und Versickerungsgräben werden zu einem festen Bestandteil des Quartiersbildes und tragen zur nachhaltigen Beeinflussung von Stadtbild und Mikroklima bei.

Räumlich kann das Quartier bei Bedarf mit dem im Norden liegenden ‚Grünem Ring‘ über eine Fußgängerbrücke verbunden werden.

2. NUTZUNGSÜBERFÜHRUNG DER ERHALTENSWERTEN INDUSTRIEARCHITEKTUR
Die Alte Feuerwache wird dank des stark dynamisierten Quartiers Ihre Rolle als Kultur-und Stadtteilzentrums mit Restaurantbetrieb wieder vollständig wahrnehmen können. Die geographisch günstige Lage am südlichen Rand der städtischen Gemeinschaftsgrundschule lässt weiterhin schulische Teilnutzungen zu. Der gesamte zentrale Freibereich, bis hin zur Friedenstrasse, wird als nichtbefahrene öffentliche Parkanlage dem Stadtteilzentrum zugeordnet. Quartiersbezogenen Spielplatzflächen werden ebenfalls diesem Ensemble zugeschrieben, um klassische Nutzungsüberlagerungen zu generieren.

Die Direktorenvilla wird in ihren ehemaligen stadtbildprägenden Kontext zurückgeführt. Eine der Historie entsprechende, repräsentative Gartenanlage umgibt die alleingestellte Villa und generiert einen bis hin zur Menzel Straße einsehbaren öffentlichen Parkähnlichen Ort.

Die ehemaligen Schlachthallen stellen jenseits des Denkmalschutzes eine wichtige, identitätsstiftende Kraft und ein flexibles und nachnutzungsfreundliches Raumpotential dar. Die erdgeschossige Grundtypologie der Hallen mit ihrer regelmäßiger Tragstruktur und hohen Räumen eignen sich hervorragend die bestehende Ausbildungswerkstätte an dieser Stelle zu erhalten, bzw. mit weiteren Nutzungen auszubauen. Neben der Nutzungsflexibilität, welche dem Projektfluss entgegenstehenden Mieterengpässen helfen, können mittel bis langfristig kleineren Start-up und Handwerksbetriebe an dieser wichtigen Nahtstelle zu Hochfeld angesiedelt werden, um der Wirtschaftlichkeit der Immobilie und einer konstruktiven Beschäftigungspolitik beizutragen.

Die ausschließliche Erdgeschossigkeit ist im Sinne der Barrierefreiheit und der feuerpolizeilichen Reglementierungen für Ausbildungs- und Arbeitsstätten und als äußerst positiv zu bewerten. Die historischen Hallenbauwerke können, dank der in NRW vertretenen Stiftungen (Industrie Denkmal Stiftung) teilweise mit Fördergeldern renoviert, und ihren neuen Nutzungen zugeführt werden.

3 QUARTIERSGARAGE ALS BAUSTEIN EINES INNOVATIVEN UND NACHHALTIGEN MOBILITÄTSKONZEPTES
Die Attraktivität des zentralen Standortes mit guter ÖNPV-Verbindung wird durch ein innovatives und nachhaltiges Mobilitätskonzept ergänzt. Neben heute etablierten Angeboten wie Bike- und Car-Sharing wird im Sinne von Nachhaltigkeit, zukünftiger Flexibilität und Wirtschaftlichkeit eine überirdische phasenweise realisierbare Quartiersgarage am nördlichen Grundstücksrand vorgesehen.

Dieser akustische Puffer, welcher sich zweigeschossig zwischen die Bahnlinie und das neue Quartier schiebt, schützt das gesamte Quartier vor Lärmbelästigung und verhindert durch seine Einfahrt am nördlichen Bereich des Mussfeldplatzes das neue Stadtviertel mit unnötigem Stellplatzverkehr zu belasten. Die Einfahrt beherbergt in ihrer direkten Nachbarschaft ebenfalls die nötigen Stellplätze der Feuerwehr. Ein Quartierinternes Wegesystem verbindet die zentral liegenden Stellplätze auf kürzestem Weg mit den Wohnungen, dem Einzelhandel und Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Dabei wird der zentrale verkehrsberuhigte Bereich zu einer belebten gemeinschaftlichen Eingangssituation des gesamten neuen Stadtquartiers. Die Stellplätze der städtischen Gemeinschaftsgrundschule liegen im westlichen Teil der Garage und bieten somit einen direkten Zugang zum Schulhof.

Der zweigeschossige Parksockel ermöglicht ebenfalls hoch über seinen Dächern hochqualifizierten Wohnraum mit bepflanzten Dachgärten anzusiedeln. Diese besondere Wohnform wirkt ergänzend mit hoher Sichtbarkeit bis zum Grüngürtel.

Zur Quartiersmitte hin bestimmt eine bepflanzte Rampenanlage die belebte Fassade der Parkgarage. Diese „hängenden Gärten“ erschließen nicht nur Parkdeck und Wohnungen, sondern bieten ebenfalls langfristig die Möglichkeit über die Bahntrasse hinweg einen natürlichen Brückenschlag anbieten zu können.

Sollte sich im Laufe der Zeit die gesellschaftlichen Anforderungen an individuelle, motorisierte Mobilität ändern, können die 3.5 Meter hohen Parkgeschosse problemlos in Büro- und Arbeitsflächen umgenutzt werden. Um diese Entwicklungen gut begleiten zu können raten wir an dieser Stelle der Stadt Duisburg Besitzer der Parkgarage zu sein. Die Stellplätze können über Pachtverträge an die verschiedenen Grundbesitzer und deren Mieter veräußert werden und jeh nach Entwicklung juristisch angepasst werden. Dies entspricht einem effizienten Werkzeug die städtische Mobilität nachzujustieren und nachhaltig beeinflussen zu können.

4. FÖRDERUNG EINER TYPOLOGISCHEN UND SOZIALEN DURCHMISCHUNG
Eine der Hauptaufgaben des neuen Quartiers ist es, durch unterschiedlichste Wohntypologien eine sozial verträgliche und gute Durchmischung von gefördertem und freiem Wohnbau für das neue Quartier zu schaffen.

Wir schlagen hierfür vier unterschiedliche Wohntypologien vor:
5.1 Über dem Parkdeck: Auf dem Sockel der Quartiersgarage entsteht eine Reihenhaussiedlung aus hochqualifizierten Wohnungsgrundrissen in Ost-West-Ausrichtung mit großen bepflanzten Dachgärten. Die Gesamtstruktur profitiert, hoch über der Straßenbahn, von einem fantastischen Blick, der weit über den Bockbartspark hinausgeht. Fahrräder könne problemlos über die Rampenanlage bis zur Haustüre mitgenommen werden.

5.2 Die „typische Hochfelder Blockstruktur“: Im Süden und Osten des Quartiers wird die bestehende Blockstruktur am Musfeldplatz und entlang der Friedenstraße als „städtebauliche Reparaturmaßnahme“ zu zwei kleinmaßstäblicheren Wohnblocks geschlossen. Die 4 Vollgeschosse und vereinzelten Staffelgeschosse bieten qualitativen Wohnraum mit Terrassen und Loggias die nach Süden oder zu einem lärmgeschützten, grünen Innenhof orientiert sind. Dabei wirken sich die Blockschließungen positiv auf die Bestandshäuser aus. Für die Anwohner stellt der Innenhof einen halb-öffentlichen, aneignebaren Begegnungsraum in unmittelbarer Wohnungsnähe dar. Informelle Durchwegungen bieten ebenfalls die nötigen Fahrradstellplätze.

5.3 Punkthaus Schlachthof: Ein 7 geschossiger, städtebaulich markantes Punkthaus fügt sich in die bestehende und erhaltenswerte Situation des ehemaligen Schlachthofes ein und stellt damit das Herzstück der Anlage dar.
Mit dem „Fuß“ im Start-up und Ausbildungszentrum und fernab von Straßenlärm entwickeln sich große Wohneinheiten in die Höhe und vernetzen das neue Wohnquartier visuell mit dem Rest der Stadt.

5.4 Wohnen im Kollektiv: Zur Steigerung der sozialen Mischung und um auch den Ausbildungsstätten angemessenen Wohnraum zuzuschreiben beherbergt das L-förmiges Ensemble im Osten mit privatem, geschütztem Innenhof ein Studenten- und Azubiwohnheim. Im Erdgeschoss befinden sich die zugehörigen Gemeinschaftsflächen und eine Tagespflege für Senioren. Diese Typologie kleinster Wohneinheiten mit gemeinsamen Flurbereich kann auch nach Bedarf als Senioren WG ausgelegt werden.

5. DIE STUFENWEISE REALISIERUNG
Die Gliederung des Areals in einzelne Baufelder ist Grundvoraussetzung für die stückweise Realisierbarkeit des neuen Stadtquartiers. In der ersten Realisierungsphase werden abgesehen von Stellplätzen der neuen Bewohner ebenfalls Parkplätze für den Schulbetrieb und die Kindertagesstätte bereitgestellt. In der zweiten Phase wächst die Anzahl an Parkplätzen mit der Vervollständigung der Quartiersgarage für die weiteren Wohnungen, Einzelhandelsflächen, Start-ups und den Ausbildungsbetrieben.

Die hängenden Gärten des Parkdecks, die typischen Quartiersblockwohnungen sowie die über der Stadt „schwebenden“ Wohnungen im zentralen Punkthaus können gemeinsame oder auch unabhängig voneinander durch unterschiedliche Bauträger durchgeführt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf betont eine klare West-Ost Differenzierung. Im Westen die freigestellten Solitäre KiTa, Alte Feuerwache und Schule mit den zugeordneten, großzügigen Freiflächen. Im Osten ein kompakter Städtebau. Dieser ist in unterschiedliche Strukturen und Typologien differenziert. Dominiert von einem VII-geschossigen Hochpunkt als Ergänzung der denkmalgeschützten Hallen finden sich an der Friedenstraße eine klassische Blockstruktur, im Osten Blockergänzungen und im Norden eine auf einer 2-geschossigen Parkgarage aufgesetzte Nord-Süd orientierte Zeilenbebauung. Der denkmalgeschützte Bereich ist freigestellt und in Ost-West Richtung zu durchlaufen. Die funktionalen Zuordnungen sind klar und nachvollziehbar. Die FW wird an der Musfeldstraße neben der Zufahrt zu den Stellplätzen lokalisiert.
Der IV wird somit konsequent aus dem Quartier herausgehalten. Das KiTa -Gebäude wird
dabei als zurückgesetzter Solitär nicht konsequent nutzungsorientiert gesetzt und öffnet seinen Außenraum zur dicht bebauten und befahrenen Friedensstraße. Der Süd-westliche Eckpunkt des Baublocks an der Friedensstraße wird durch den Altbau gebildet. Die Chance auf eine positive, attraktive Quartiersprägung wird hierdurch nicht genutzt. Die Nord-Süd verlaufende Zeilenbebauung öffnet sich auch zur lärmbelasten Stadtbahntrasse. Die Terrassen des VII-Geschossers sind im kleineren Teil nach Westen und überwiegend nach Norden orientiert und somit nicht sinnvoll nutzbar. Die Mischung der verschiedenen Bautypologien überzeugt insgesamt nicht, sondern schafft eher Unruhe statt Attraktivität. Die Zeilenbebauung steht konträr zu dem erforderlichen Lärmschutz entlang der Straßenbahntrasse. Die Planung betont eine Durchwegung in Ost-West Richtung, durch den denkmalgeschützten Bereich hindurch, ohne dabei im Westen einen klaren Zielpunkt zu setzen.