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Einladungswettbewerb | 11/2020

Wohnquartier „Altes Theisen-Kabelwerk“ in Duisburg

ein 4. Preis

Preisgeld: 4.000 EUR

HGMB Architekten GmbH

Architektur

VERHAS Architektur u. Landschaft

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebau. Miteinander und Füreinander - gemeinsam leben in der Stadt
Das neue Quartier bindet sich als wichtiges Element zwischen Duisburger Innenstadt und Naherholungsgebiet RheinPark in Maßstab und städtebaulicher Körnigkeit harmonisch in den umliegenden Stadtraum ein. Gleichzeitig ergänzt es Hochfeld um neue, spannende Nachbarschaftseinheiten, welche die Umgebung mit verschiedenen Arbeits-, Kultur- und Freizeitangeboten sowie einem spannungsreichen Wechselspiel zwischen denkmalgeschützter und moderner Architektur bereichern. Diese historische Komponente gibt den Quartiersbewohnern ein unverwechselbares Identitätsgefühl und ermöglicht die Transformation der gewerblich-industriellen Geschichte in die erlebbare Zukunft der Quartiersbewohner.

Die Blockrandbebauung der benachbarten, gewachsenen Gründerzeitstruktur wird, insbesondere in Richtung des öffentlichen Straßenraums, fortgeführt. So können Lärmemissionen aus dem Quartier herausgehalten und gleichzeitig der Straßenraum der südlich gelegenen Friedenstraße gefasst werden.

Im Quartiersinneren werden, unter Einbeziehung der Bestandsbauten, offene Blöcke gebildet, die übersichtliche, urbane Nachbarschaften und ein reizvolles Wechselspiel zwischen engen und weiten Räumen entstehen lassen. Private, öffentliche und halböffentliche Bereiche werden sichtbar unterschieden und definiert. Mittelpunkt des Quartiers bildet der Quartiersmarktplatz mit der offenen Quartiershalle.

Die „blühende“ Quartiersachse, Erschließungswege und Spielstraßen schaffen ein Netz aus Zu- und Durchwegungen und verbinden das Quartier mit seiner Umgebung. Die Hierarchie dieses Wegenetzes wird durch den Einsatz der unterschiedlichen Pflasterungen und der Wegebreiten klar zoniert. Plätze und Aufweitungen in verschiedenen Qualitäten bilden geschützte Räume für Zusammenkunft, Kommunikation und nachbarschaftliche Begegnung.

Erschließung und Verkehr. Mehr als nur Auto
Das Quartier ist überwiegend frei von Autoverkehr. Die Stellplätze werden in dem neuen Quartiersparkhaus im Nordosten untergebracht, was gleichzeitig als Lärmschutz fungiert. Die freifinanzierten Gebäude verfügen über erdgeschossige Parkdecks, die von der Stichstraße im Südosten erschlossen werden und je nach Notwendigkeit erweiterbar sind. Sämtliche Besucherstellplätze sind nah an den Quartierseingängen platziert, so dass die Straßen im Quartiersinneren für die Fußgänger und Radfahrer ungestört nutzbar sind. Durch ein Mobilitätskonzept wird die Verringerung der notwendigen Stellplätze um ca. 30% möglich.

Bei einer städtebaulichen Erweiterung kann der in Leichtbauweise erstellter Quartiersparkhaus abmontiert und im Nordosten an der Grenze zu den Bahngleisen wiederaufgebaut werden. An seiner ursprünglichen Stelle kann bei dieser Entwicklung ein weiteres Wohngebäude erstellt werden.

Die begrünte Fahrradhäuschen zusammen mit den Leihstationen für Fahrräder und Lastenfahrräder, die sowohl im Freiraum als auch in der Erdgeschosszone des Parkhauses untergebracht sind, werden durch Ladestationen für Elektroautos und E-Bikes ergänzt. Eine Quartier-App bietet Car-Sharing für die Bewohner an.

Gebäudekonzept Wohnen. Robuster Mix - flexibel und vielfältig
Die klassische Spänner-Erschließung der barrierefrei nach DIN 18040-2 geplanten und damit förderfähigen Geschosswohnungen ermöglicht eine wirtschaftliche Grundrissorganisation, die eine hohe Wohnqualität bietet.

Alle Wohnungen verfügen über großzügige Balkone, Terrassen oder Dachterrassen, die zum lärmabgewandten Quartiersinneren ausgerichtet sind. Die Erdgeschosswohnungen sind mit Privatgärten ausgestattet. Die Privatsphäre der Erdgeschosswohnungen wird dank blühenden Vorgartenzone und Hochparterre verstärkt. Der barrierefreie Zugang wird durch den Durchladeraufzug sichergestellt. Die Treppenhäuser sind direkt mit dem jeweiligen Innenhof erdgeschossig verbunden, so dass die Bewohner die Innenhöfe mit den Kleinkinderspielflächen ohne die Straße zu betreten erreichen.

Mithilfe eines Baukastenprinzips können große 4- und 5-Raumwohnungen mit kleineren Wohneinheiten flexibel kombiniert werden und somit die größtmögliche Durchmischung aller Bewohnergruppen mit optimaler sozialer Kontrolle schaffen.

Aufgrund der Lärmemissionen des direkten Umfeldes sind Aufenthaltsräume, wo möglich, direkt zu den ruhigen Innenhöfen gewandt. Nordlagen werden mithilfe von Durchwohngrundrissen oder Gebäudeversprüngen, die mit bodentiefen Fenstern Licht aus Westen und Osten einfangen, kompensiert. Darüber hinaus gewährleistet eine kontrollierte Wohnraumlüftung den Luftaustausch auch bei geschlossenem Fenstern.

Die oberirdische Unterbringung des ruhenden Verkehrs in den Parkdecks in der Erdgeschosszone an der Friedenstraße im Süden ermöglicht eine Verstärkung der Privatsphäre in den auf den Parkdecks angeordneten Privatgärten. Die im Erd- und 1.Obergeschoss geplanten Maisonette-Wohnungen bilden einen weiteren Baustein für den vielfältigen Wohnungsmix und beleben die Erdgeschosszone gleichzeitig.

Um die Freianlagen der Innenhöfe zugunsten einer hochwertigen Gestaltung von Feuerwehraufstellflächen freizuhalten, sind ausschließlich zur Hofseite orientierte Wohnungen nur bis zum 2. Obergeschoss vorgesehen. Bis zu dieser Höhe ist die Erreichbarkeit über eine tragbare Leiter gewährleistet. Ab dem dritten OG werden Zweispänner-Typen, direkt anleiterbar durch Drehleiterfahrzeuge vom öffentlichen Straßenraum aus, vorgeschlagen. Durch sorgfältig abgestimmte, vertikale Grundrisskonfiguration können Versorgungsschächte trotzdem ohne horizontale Verzüge durch das Gebäude geführt werden.

Gebäude- und Freiraumkonzept. Arbeiten, Kultur und Freizeit.
Die beiden Eingangsgebäude am Musfeldplatz und der Pförtnerpavillion bleiben erhalten und dienen weiterhin als Entree zum Quartier. Auch die historische Direktorenvilla soll ihre Nahversorgungsfunktion als kleiner urbaner Supermarkt behalten. Die Eingangsgebäude bieten eine hervorragende Adresse mit reichlich Altbau-Charme – sie können als Coworking-Space für Freiberufler oder Startups fungieren. Die alte Feuerwache bietet Raum für Veranstaltungen und Seminarräume für die benachbarte Schule im Bereich Friedenstraße. Durch die 6-gruppige Kita, untergebracht im neuen Eckgebäude, wird hier eine markante Entreesituation geschaffen.

Um dem „jungen Standort Hochfeld“ gerecht zu werden, liegt ein starker Focus auf unterschiedlichen Kinder- und Jugendaktivitäten. Am Kopf der alten Schlachthofhalle ist ein kleiner Kletterpark geplant, der in den westlichen Teil der Halle hineingeführt wird, und somit sowohl Indoor – als auch Outdoor-Nutzung erlaubt. Ein im Gebäude neu errichteter Kern für Nass- und Funktionsräume versorgt abtrennbare Multifunktionsflächen, die an unterschiedliche Nutzer vermietet werden können. Eine Galerieebene ermöglicht vielfältige Nutzungen dank des hohen Raumvolumens wie z.B. Nachhilfe für Schüler, Workshops oder Sport- und Sprachkurse für die Bewohner.

Die Öffnungsbrüstungen in den Wänden des östlichen Teils der Halle werden entfernt, so, dass eine offene Quartiershalle entsteht, die durch ihre Stützenstruktur als überdachter Außenbereich fungiert und Platz für Veranstaltungen wie Kinderflohmärkte oder Quartiersfeste bietet - auch bei schlechtem Wetter.

Die benachbarte, kleinere Großviehhalle beherbergt vermietbare Gewerbeeinheiten. Hier kann auch eine Kreativwerkstatt fürs Basteln, Malen und Werkeln ihren Raum finden.

Im Erdgeschoss des neu geplanten Wohngruppenhauses zum „Quartiersmarktplatz“ ist das GEBAG-Mieterbüro zusammen mit dem Gemeinschaftsraum für die Quartiersbewohner geplant.

Quartiers-Gardening, ergänzt durch Bienenstöcke („Stadtbienen“), bringen Grün und einen Hauch von Kleingartengefühl ins Quartier, erweitern im Norden liegenden grünen Spielbereich „Abenteuer Spielinseln“, bilden gemeinsam einen Freiraumpuffer und binden das Quartier an Bockbartspark als Teil des „Grünen Ringes“. Die Vernetzung der Freiräume des Quartiers mit der städtischen Grünräumen zusammen mit der Grünfassade des Quartiersparkhauses und den Kletterpflanzen an der offenen Quartiershalle stärken die Verbindung des Quartiers für IGA im Jahr 2027.

Ein Trimm-Dich-Deck, angeordnet auf dem Dach der Quartiersgarage, bietet Flächen für Streetball mit Aussicht. Darüber hinaus tragen die hier montierten Bewegungs- und Sportgeräte zu einem gesunden Lebensstil bei.

Freiraum
Durch eine gezielte Anpflanzung verschiedenster Gehölze und vielfältiger Pflanzenarten wird die Artenvielfalt gestärkt. Eine möglichst großflächige Entsiegelung verbessert das Mikroklima und reduziert den Hitzeinseleffekt. Es entsteht ein ökologisch vielfältiges Netzwerk, welches sowohl die Biodiversität im Quartier fördert als auch das Wohlbefinden der Anwohner stärkt.

Die artenreiche Wildblümenwiese der Vorgärten trennt privaten erdnahen Wohnbereiche vom öffentlichen Raum. Auch in den Innenhöfen wird eine starke Durchgrünung angestrebt. Die Formsprache der geschützten Innenhöfe wird aus der Umgebung abgeleitet. Sie bieten Raum für grüne Aufenthaltsbereiche in geschützter Atmosphäre, Privatgärten, sowie für Kleinkinderbereiche.

Materialien, Fassaden. Vielfalt und Kontrast
Der spannungsreiche Kontrast zwischen Bestands- und Neubauten entspricht in seiner Lebendigkeit der Vielfalt der geplanten Nutzungen. Die Maßstäblichkeit und Heterogenität der Umgebung wird durch eine abwechslungsreiche und kleinteilig gestaltete Fassadengliederung aufgenommen.

Die verwendeten Materialien suggerieren den Charakter eines gewachsenen Quartiers: In Anlehnung an den Bestand wurden für das Gebiet typische Kombinationen aus Klinkerriemchen und Putz gewählt, die den Gebäuden eine wertige Optik verleihen.
Der Einsatz der Klinkerriemchen in der Erdgeschosszone wirkt auch schützend und langlebig für die Gebäude.

Energiekonzept und Regenwasserhaushalt
Sämtliche Gebäude lassen sich günstig in nahezu jedem gewünschten Energiestandard erstellen, da die Geometrie sehr kompakt geplant ist. Das auf den Flachdächern der Gebäude anfallende Regenwasser soll hier gesammelt werden. Das Wasseranstau von max. 150 l/m² zusammen mit der extensiven Dachbegrünung und Photovoltaik bedeuten Verdunstung, geringere Wärmeabgabe, Luftschadstoffreduzierung, Sauerstoffproduktion, Wärmedämmung, Schallabsorbtion. Die Dachbegrünung begünstigt durch die geringere Wärmereflektion ebenso die Effektivität von Photovoltaikelementen. Das Anstauwasser soll für eine Grauwassernutzung im Haus genutzt werden, etwa für WC-Spülung, den Betrieb der Waschmaschienen und Gartenbewässerung. In Kombination mit einer bedarfsgesteuerten Frischwasserzufuhr und einem Überlauf in eine Versickerungseinheit ist eine dauerhafte Nutzung gesichert.

Das Überschusswasser der öffentlichen Bereiche wird in mittig angeordneten Linienentwässerungseinheiten mit Filterfunktion gesammelt und kann so gereinigt in Rigolen kontrolliert zur Versickerung gebracht. Die Rigolen können entsprechend den
Bodenverhältnissen positioniert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen eine weitgehende Arrondierung des Quartiers durch Blockrandschließungen und Neubildungen vor. Eine weitere Differenzierung in einzelne Baublöcke integriert den Bestand und schafft ein übergeordnetes Erschließungsnetz, welches zu einer guten Vernetzung des neuen Quartiers in die angrenzende Friedenstraße und den Musfeldplatz führt.
Durch die Auflösung der Blöcke entstehen für den Wohnungsbau gut nutzbare Baukörper,
die weitgehend richtig orientiert sind. Auch die im Binnenraum entstehenden öffentlichen
Plätze werden in ihrer Lage erst einmal positiv bewertet. Problematisch dagegen wird die Bearbeitung der Außenanlagen gesehen: Die Hinweise des Preisgerichtes aus der 1. Phase hierzu wurden nicht konsequent aufgenommen, nach wie vor ist eine Hierarchisierung der Freianlagen schlecht erkennbar. Das vorgeschlagene kleinteilige Netz aus Durchwegungen verhindert die notwendige Differenzierung in öffentliche, gemeinschaftliche und private Flächen. Gleichzeitig werden die öffentlichen Plätze “übermöbliert“, hier wünscht sich das Preisgericht mehr Großzügigkeit. Eine Qualität der im Norden zur Bahntrasse orientierte Freifläche wird nicht erkannt. In der näheren Betrachtung des Entwurfes wird die Zuordnung der nördlichen denkmalgeschützten Halle zum nördlichen Wohnblock und damit eine unklare Haltung zum Umgang mit der zentralen Mitte kritisch diskutiert. Insgesamt wird die Qualität der Bebauungsvorschläge gewürdigt, die gewünschte stadträumliche Klarheit und Zuordnung wird aber bei der Durcharbeitung des Entwurfes vermisst.