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2. Rang 3 / 3

Einladungswettbewerb | 11/2020

Bürogebäude „V12 Building Region Stuttgart“ auf dem Flugfeld in Böblingen / Sindelfingen

3. Rang / 2. Anerkennung

Preisgeld: 10.000 EUR

Behnisch Architekten

Architektur

knippershelbig GmbH

Tragwerksplanung

Béla Berec Architektur-Modellbau-Gestaltung

Modellbau

Erläuterungstext

Entwurfskonzept:

Auf dem ehemaligen Flughafengelände Böblingen/Sindelfingen entsteht ein neues Stadtquartier mit vielfältigen Nutzungen. Die Konversion des Geländes soll unter Berücksichtigung von nachhaltig ökologischen Aspekten einen attraktiven Siedlungskörper schaffen, der für Gewerbe- und Dienstleistungen, aber auch für Wohn-, Freizeit- und Bildungseinrichtungen zukünftig vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten zulässt.

Der städtebauliche Rahmenplan gliedert das ehemalige Flugfeld in unterschiedliche Stadtquartiere mit verschiedenen Nutzungsschwerpunkten. Die denkmalgeschützten Gebäude des ehemaligen Landesflughafens Württemberg sind Teil der neuen baulichen Entwicklung und werden das Gesamtquartier mit der historisch einzigartigen Bausubstanz prägen und charakterisieren. Heimisch gewordene Nutzungen wie die MOTORWORLD Region Stuttgart und eine Vielzahl unterschiedlicher Gastronomieangebote beleben bereits heute das Areal.

Das Zentrum des Flugfeld-Geländes bildet die "Grüne Mitte" mit Spiel- und Sportanlagen sowie einem langestreckten See mit einer angrenzenden Seepromenade am nördlichen Ufer. Sämtliche benachbarten Stadtquartiere sollen von der besonderen Qualität der Wasserfläche und den umliegenden Freianlagen nachhaltig profitieren, sodass die gewünschte Urbanität im Wechselspiel mit den landschaftlich hochwertigen und fein bearbeiteten Freibereichen einen ganz besonderen Ort hervorbringt.

Unmittelbar im Norden an den See angrenzend befindet sich das Baufeld 37. Es bildet den östlichen Abschluss der nördlich verlaufenden Flugfeld-Allee. Hier soll das Gebäude "V12 Building Region Stuttgart" entstehen, mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Nutzungen. Neben einem Showroom mit gläserner Werkstatt soll erdgeschossnah ein attraktives Angebot an Gastronomie die Seepromenade beleben. In den oberen Etagen werden hochwertige Büronutzungen angeboten, die für einen flexiblen und vielfältigen Mix an Grundrissvarianten zur Verfügung stehen können. Die notwendigen Flächen für den ruhenden Verkehr sollen in einer unterirdischen Tiefgarage untergebracht werden.

Eine komplexe und spannende Aufgabe, die eine facettenreiche und einzigartige Lösung hervorbringen müsste.

Auf der Suche nach dieser maßgeschneiderten Lösung wäre es nunmehr angemessen, die so unterschiedlichen und vielfältigen Nutzungen nicht unabhängig zu betrachten und funktional separiert zu bewerten. Vielmehr müsste sich deren reichhaltiges Spektrum in einem spannungsreichen Dialog gegenseitig positiv beeinflussen. Ein Wechselspiel der Funktionen im Inneren und eine Interaktion von Gebautem und Freiraum wären somit erstrebenswert, um eine gegenseitige Wechselwirkung entdecken und stärken zu können. Auch wenn die Rahmenbedingungen und baulichen Vorgaben des Rahmenplans scheinbar wenig Raum zur Interpretation und Entfaltung lassen, wäre es gerade deswegen mehr als notwendig, die qualitativ wertvollen und das Baufeld umgebenden Einflussfaktoren in der konzeptionellen Grundüberlegung angemessen zu berücksichtigen. Erste konzeptionelle Gedanken sind daher zunächst qualitativ zu bewerten, sodass diese dann nachfolgend in einer nachvollziehbar prägenden Weise im Entwurf berücksichtigt werden können.

Ein spannender Prozess der Ideen- und Konzeptfindung. Ein sicherlich lohnender Schritt auf dem Weg hin zu einer individuellen und nachhaltig prägenden Entwurfsidee.

Das neue Gebäude bezieht zunächst seine inhaltliche Qualität von der einzigartigen Lage am See und dem unverbauten Blick nach Süden zu den schön gestalteten Freibereichen der "Grünen Mitte". Der Sockel des Hauses soll Vermittler zwischen Öffentlichkeit und Privatem sein, auch zwischen Innenraum und Freiflächen. Er kann betrachtet, bewundert, aber auch aktiv begangen werden. Das Gebäude ist hier transparent, offen und lebendig. Nutzungen sollen erlebbar gemacht und ganz unterschiedlich wahrgenommen werden. Ein angenehmer Ort soll entstehen, keineswegs abweisend, vielmehr einladend und vielfältig anregend, für Gäste und Besucher, aber auch für flüchtige Passanten.

Das Leitbild eines "lebendigen Schaukastens" wäre sicherlich eine schöne Beschreibung für diese ersten Gedanken.

Zur Flugfeld-Allee hin orientieren sich, gut gelegen und eindeutig auffindbar, die Haupteingänge zu den unterschiedlichen Nutzungseinheiten im Erdgeschoss sowie zu den Obergeschossen. Ein Ladengeschäft im Westen, in guter Nachbarschaft zur Wohnbebauung, belebt den öffentlichen Raum. Der Showroom bildet im Osten den baulichen Abschluss des Schaukastens zum Freiraum. Ein Durchgang verbindet den Stadtraum mit der Seepromenade und vermeidet somit eine durchgängige bauliche Barriere zum See.

Zur Seepromenade hin wird der Gedanke eines lebendigen Stadtmöbels zelebriert. Eine große Freitreppe mit großzügigen Sitzstufen zum Verweilen und für einen Plausch führt die Gäste in das erste Obergeschoss des Cafés. Die nach Süden orientierte Terrasse, der "Bistrobalkon", ist großzügig gestaltet und ermöglicht etwas erhaben, befreit vom Trubel und Treiben auf der Seepromenade, einen unverbauten, einzigartigen Blick nach Süden zum See. Barrierefrei ist das Café über einen Aufzug von der Flugfeld-Allee angebunden.

Über die Vielfältigkeit der Aktivierung der unterschiedlichen Ebenen des Sockels und über eingehängte Galerieebenen wird die gläserne Werkstatt, ausgestattet mit den einzigartigen Raritäten der Automobilgeschichte, von verschiedenen Niveaus einsehbar. Die Geschäftigkeit der Monteure der Werkstatt und die Eleganz der Fahrzeuge werden so aus ganz unterschiedlichen Perspektiven gekonnt in Szene gesetzt.

Der Baukörper der Obergeschosse ergänzt den lebendigen Schaukasten harmonisch und in der Höhenentwicklung elegant spielerisch. Die Ausformulierung der Grundrissgeometrie folgt dem Wunsch nach einem größtmöglichen Angebot an hochwertigen, modernen und zukunftweisenden Arbeitsbereichen. Die beiden vertikalen Erschließungsbereiche im Norden gliedern das Erscheinungsbild des Hauses und ermöglichen durch die sinnvolle Anordnung eine größtmögliche Flexibilität in der Zuordnung der Nutzungseinheiten zueinander. Über die Positionierung der notwendigen Fluchttreppen ist das Zusammenschalten kleiner Einheiten problemlos möglich. Das Haus kann dadurch individuell belegt und vielfältig belebt werden. Die Etagen sind nicht nur horizontal zusammenschaltbar, sondern können über die zentrale, einläufige Treppe ebenfalls etagenübergreifend zu einer Funktionseinheit zusammengefasst werden.

Offenheit und Transparenz der Grundrisse nach Süden ermöglichen eine flexible Zonierung vom offenen Werkstattraum bis hin zu einem Layout mit traditionellen Einzelbüros. Durch die harmonische und elegante Bewegung und die vorgelagerten Balkone kann der so angedachte Außenraum in das Büroleben miteinbezogen werden. In der Übergangszeit kann durchaus an ein Arbeiten im Freien gedacht werden. Üppige Bepflanzungen der Balkone und Terrassen der darunterliegenden Ebenen erzeugen ein angenehm umgebendes Mikroklima und ermutigen den Weg nach draußen durch ein wohltuendes Umfeld.

Nach Norden folgt das Haus zunächst der vorgegebenen Baulinie, wobei die vertikalen Erschließungselemente den Baukörper angenehm gliedern und der Gesamtanlage eine angemessene Maßstäblichkeit verleihen. Hier werden die Obergeschosse im Zusammenspiel mit dem Schaukasten zur gläsernen Arbeitswelt. Hier bereichert die Bewegung der vertikalen Erschließungselemente, das Beschreiten der Treppen und die Fahrt der Aufzüge das Erscheinungsbild der Fassade. Die hinter der Fassade angeordneten Besprechungsräume ergänzen die Lebendigkeit als Schaufenster der Büroetagen. Das Haus und die transparente Erscheinung wir hier von innen heraus angeregt, sodass der agile Charakterzug des Hauses nicht nur über den öffentlichen Raum im Erdgeschoss gefördert wird.

Zur Wohnbebauung im Westen und im Bereich der Freitreppe des Cafés hat der Baukörper eine angenehme Fünf-Geschossigkeit und lässt so viel Freiraum für die Nachbarschaft und die hier angesiedelten Nutzungen. Terrassenartig staffelt sich der Baukörper nach Osten und bildet somit markant und charakterstark den Endpunkt der Bebauung der Flugfeld-Allee. Die so entstehenden, vielfältigen und großzügigen Terrassen können stimmungsvoll genutzt werden. Am Hochpunkt des Baukörpers ist die Skybar angeordnet, welche den Gästen mit der schönen Terrasse nach Süden einzigartige Momente während des Besuchs bietet. Die Zufahrt der Tiefgarage erfolgt über die Flugfeld-Allee und ermöglicht in drei Untergeschossen die nötige Stellplatzfläche.

Die vorgeschlagenen Materialien folgen der Idee der Authentizität, angemessen an die funktionalen Anforderungen. Die Materialwahl im Inneren sollte sich am Charakter einer Loft-ähnlichen Arbeitswelt orientieren und dessen Grundcharakter im Werkstatt-, aber auch in den öffentlichen Gastronomiebereichen sowie den Bürozonen zur Ausführung kommen. Die integrierte Installation der notwendigen, jedoch reduzierten Haustechnik ergänzt die Materialwahl von strapazierfähigen Bodenbelägen. Geschliffene Estrichböden in den Werkstätten werden durch textile Bodenbeläge in den Büros ergänzt. In den Bürobereichen sind die nötigen akustischen Elemente elegant in die Decken integriert. Einfache Stahlgeländer im Inneren sowie entlang der Balkone und Terrassen unterstützen den Ansatz einer lebendigen Transparenz.

In den Bürobereichen nach Süden wird die thermische Hülle der Gebäude als tragende Holz-Elementfassade mit hocheffizientem Sonnenschutz als Raffstore-Lamellen mit Lichtlenkung vorgeschlagen. Opake Brüstungen mit warmen und haptisch angenehmen Holzverschalungen verkleidet verleihen dem Haus nach Süden eine angenehme, horizontal geprägte Leichtigkeit. Öffenbare Fenster versorgen die Arbeitsplätze das ganze Jahr über mit Frischluft und ermöglichen darüber hinaus eine kontrollierte Nachtspülung, um den Kühlbedarf am darauffolgenden Tag zu reduzieren. Eine Kanalführung an Decke oder im Boden ist somit nicht notwendig.

Nach Norden und im Bereich der Sockelbereiche des Schaukastens wird das Haus transparenter und offener. Hier werden die Fassaden raumhoch transparent ausgeführt. Ein innenliegender Sonnenschutz mit Lichtlenkfunktion gewährleistet die notwendige Verschattung und vermindert so den geringen Hitzeeintrag während der Sommermonate. Durch ein Minimum an Installationen im Bürobereich wird das nachträgliche Umbauen von Trennwänden erheblich erleichtert und dem Wunsch Rechnung getragen, stets neue Raumsituationen schaffen zu können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurfsvorschlag interpretiert die Prinzipien des städtebaulichen Entwurfs über eine differenzierte Baustruktur, die das zweigeschossige Sockelthema aufnimmt und darüber eine wellenförmige Anlage spielerisch aufsetzt. Die starken Auskragungen, die Vor- und Rücksprünge und die schichtenförmigen Gliederungen führen in der Baukörperabfolge aber auch zu großer Vielfalt und wirken eher unruhig.

Zur Ostseite, dem Baukörperende bzw. dem Entree mit der Platzausbildung könnte die Antwort prägnanter ausfallen. Die eher profane Ausbildung der Rückseite reagiert wenig freundlich im Bereich der Büro-Zugänge.

Demgegenüber präsentiert sich das Gebäude auf der Seeseite offen und transparent, die Treppenanlage in den Freiflächen stellt ein gutes Angebot und eine Bereicherung im öffentlichen Raum dar und wird sehr begrüßt. Allerdings ist die relativ steile und ca. 4,40 m hohe Anlage für Personen mit Beeinträchtigungen und für Familien mit Kindern in der Benutzung eingeschränkt.

Das Café auf der Ebene Galerie liegt mit Blick in die Werkhalle prominent und begleitet in der Außenbestuhlung die Treppenanlage. Weniger gut platziert ist die Ladenfläche auf der West-Nordseite. Die Zufahrtsmöglichkeit zum südlichen Showroom ist nur über die Promenade möglich.

Die Tiefgarage überzeugt in ihrer Struktur wenig, die nicht übereinanderliegenden Rampen und die Sackgassen führen zu wenig Übersichtlichkeit. Die notwendigen Stellplätze konnten mit dieser TG nicht erreicht werden, es fehlen sowohl 33 PKW- als auch 19 Fahrrad-Stellplätze.

Die Bürogeschoße weisen grundsätzlich qualitätsvolle, gut belichtete Flächen auf, der Großteil der Arbeitsplätze profitiert von der See-Sicht und die vorgelagerten Terrassen tragen zu einem guten Mikroklima bei. Die Nutzung ist jedoch auf offene Bürostrukturen festgelegt.

Die äußere Gestalt wird geprägt durch die horizontale Gliederung, auf dem gläsernen Sockel wird eine Holzbauweise errichtet, die das Erscheinungsbild positiv prägt. Leider werden die Grundzüge des Tragwerks, ganz besonders die aufsitzenden Geschosse auf dem meist stützenfreien Sockel nicht erläutert und nicht nachvollziehbar dargestellt.

Die wirtschaftlichen Kenndaten zeigen im Vergleich aller Arbeiten die geringste Geschoßfläche auf, die Büroflächen werden um ca. 800 m2 kleiner ausgebildet, obwohl die Bruttogeschossfläche und der Bruttorauminhalt im Mittelfeld liegen.

Zusammenfassend liegt eine Arbeit vor, die städtebaulich mit einer kleinteiligeren Körnung arbeitet und mit der wellenförmigen Baustruktur eine eigene Interpretation mit qualitätsvollen Büro-Arbeitsplätzen findet.

Der Entwurf lässt jedoch leider in der Durcharbeitung einige wichtige Fragen unbeantwortet.
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