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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2020

Neubau einer Verbindungsbrücke am Städtischen Klinikum Karlsruhe

2. Preis

Preisgeld: 9.000 EUR

Emch+Berger Gruppe

Bauingenieurwesen

WIENSTROER ARCHITEKTEN STADTPLANER PartGmbB

Architektur

Erläuterungstext

Städtebauliche Einbindung

Das städtebauliche Umfeld wird geprägt einerseits von der durchgängig vorhandenen und prächtigen Platanenallee und den sehr heterogenen baulichen Elementen des Krankenhauscampus. Die Nutzgebäude bilden keinen direkten architektonischen Zusammenhang und stehen teilweise auch eher unvermittelt nebeneinander. Die neue Hubschrauberplattform wird dann ein weiteres starkes Element sein, welche für zusätzliche visuelle Unruhe sorgen wird. Der Nutzaspekt steht hier eindeutig im Vordergrund.
Die neue Brückenverbindung muss ihren Nutzaspekt erfüllen. Zusätzlich soll die Brücke nicht noch für zusätzliche Unruhe sorgen und die Baumallee wenig stören. Das weitere Element „Brücke“ im Kontext dieser vielen unterschiedlichen Strukturen sollte deren visuelle Präsenz und Auffälligkeit stark zurücknehmen. Dieses erreichen wir mit der geometrisch einfachen und im Grundriss gerundeten und perfekte eingepassten Form, welche dem vorhandenen städtischen Raum folgt.

Architektonische Gestaltung

Die Idee, eine möglichst gradlinige Verbindung zwischen Heliosklinik und Treppenturm herzustellen haben wir mit einer geschwungenen Form aus zwei Bogensegmenten umgesetzt. Im Vordergrund der Überlegungen steht, mit wenigen Richtungswechseln den Laufweg möglichst übersichtlich und gut orientierbar zu realisieren. Die meist in Notfällen genutzte Wegeverbindung soll ein Höchstmaß an Einfachheit und Sicherheit bieten und schon beim Betreten das Gefühl einer rettenden Geborgenheit vermitteln. Der gekurvte Grundriss erlaubt, schon am Beginn der Struktur sein Ende und den Übergang in das feste Gebäude zu erkennen.
Die gewählte Fassade schützt den Innenraum vor Einblicken und zeigt tagsüber eine gleichmäßig helle Lichtstimmung im Brückeninnenraum ohne Schattenbildung auf dem Boden der Brücke. Die Konstruktion ist sehr einfach und zurückhaltend. Sie ordnet sich ein in die vertikal gegliederte Fassadenstruktur der Polycarbonatplatten und zeigt einen dynamisch gegliederten Verlauf der Stützenreihen.
Die Fassade wird sich mit seiner weiß-gräulichen Farbanmutung und leichten Reflexion in die Farbspiele der Wolkenbilder des Himmels einordnen. In der freien Sicht der Blickachse der Platanenallee wird die Präsenz des neuen Körpers mit seinem nicht unerheblichen Volumen reduziert.

Aufenthaltsqualität

Die halbtransparente Polycarbonat-Verkleidung sorgt für viel Licht im Durchgang, schützt jedoch vor direkter Sonneneinstrahlung und Blendung. Die Wärmedämmungseigenschaften des Polycarbonat-Mehrkammerprofils verhindert eine starke Aufheizung bzw. Abkühlung, wie sie charakteristisch für Glas ist. Das einfallende Licht ist angenehm diffus und man erkennt doch noch schemenhaft die Umgebung. Die Raumakustik wird durch Schallabsorptions-Paneele, die auch als abgehängte Decke dienen, verbessert. Mit einer im Estrich verlegten Fußbodenheizung wird der Raum angenehm temperiert. Der Estrich sorgt auch dafür, dass die Gehgeräusche auf dem Stahl- Bodenblech gedämpft werden. Beleuchtungskörper in der abgehängten Decke und in den beidseitigen Rammschutzprofilen sorgen für eine indirekte Lichtführung. In der Unterseite des Rammschutzes befinden sich auch die Steckdosen. Ferngesteuerte Dachkuppeln sorgen für eine ausreichende Entlüftung.

Baukosten

Für die Stahlkonstruktion werden ausschließlich Standard-Profile verwendet. Im Innenausbau werden die im Hochbau üblichen Materialien verwendet. Die Hülle aus Polycarbonat ist kostengünstiger als eine Glasfassade.

Bauzustand

Die Montage erfolgt schussweise mit selbstragenden Teilstücken, die auf den endgültigen Stützen und auf Hilfsstützen abgesetzt werden. Ein Lehrgerüst ist damit nicht notwendig. Die Hilfsstützen sind so angeordnet, dass jedes Teilstück auf zwei Lagerachsen ruht, damit mittels Absenkkeilen die gewünschte Werkstattform eingestellt werden kann. Die Teilstücke werden nachts auf Tieflader angefahren und mittels Mobilkran versetzt, wobei die betroffene Fahrspur der Franz-Lust-Straße gesperrt wird. Bei der Montage über den Straßenbahngleisen muss der Fahrbetrieb nachts stundenweise eingestellt werden. Der Ausbau erfolgt von der Plattformseite her, wobei der fertiggestellte Steg als Transportweg dient. Der Straßen- und Straßenbahnverkehr wird durch ein abgehängtes Gerüst geschützt. Im Bereich der Fundamente müssen die Versorgungsleitungen lediglich beim Fundamentaushub gesichert werden.

Nachhaltigkeit und Wartung

Die primär eingesetzten Materialien Stahl und Polycarbonat sind zu 100% recyclebar, es können wieder neue Stahlteile und neue Polycarbonat-Produkte hergestellt werden. Die Stahlkonstruktion ist durch die Außenhülle dauerhaft vor Korrosion geschützt. Die nicht sichtbaren Stahlteile werden mit Eisenglimmer- High-Solid-Beschichtung versehen, die sichtbaren Teile werden weiß beschichtet. In Verbindung mit der Wärmedämmung entsteht auch kein Kondenswasser. Die eingehauste Stahlkonstruktion benötigt während der Lebensdauer keinen weiteren Korrosionsschutzanstrich. Die Unterseite des Fahrbahnbleches ist ebenfalls vor Bewitterung geschützt, die Beschichtung dort hat eine lange Lebensdauer. Das gilt auch für die Stützen, die einen konstruktiven Korrosionsschutz in Form von glatten Oberflächen aufweisen. Bei der Lagerung des Überbaus auf den Stützen wurde bewusst auf wartungsintensive Lager verzichtet; Überbau und Stützen sind mittels wartungsfreien Schraubverbindungen verbunden. Die Polycarbonat-Außenhülle hat wie Glas einen Selbstreinigungseffekt, weil sie flächig dem Regen ausgesetzt ist. Die im Laufe der Zeit auftretenden leichten Verschmutzungen fallen wegen der halbtransparenten Lichtdurchlässigkeit nicht auf. Im Bedarfsfalle lässt sich die Außenhülle jedoch auch mit milden Reinigungsmitteln säubern. Wegen der geringen Breite des Steges kann das Regenwasser vom Dach über die Traufbleche flächig abgeleitet werden. Wartungsintensive Rohrleitungen entfallen.

Statisches System

Die Tragkonstruktion besteht aus einem Vierendeelträger mit variablem Pfostenabstand. Im Bereich der größten Querkraft sind die Pfosten enger gestellt (analog zur Bügelbewehrung beim Stahlbetonträger). Der Vierendeelträger hat keine schrägen Diagonalen, es ist ein reines orthogonales System. Dadurch kann er problemlos mit gekrümmtem Grundriss hergestellt werden, wie es hier die Aufgabenstellung erfordert. Dank der rechteckigen Öffnungen im Vierendeelträger ist der seitliche Austritt auf den Steg unter der Plattform ohne Probleme möglich. Die Stützen und der Überbau sind biegesteif miteinander verschraubt und die Stützenfüße sind mittels in den Fundamenten eingelegten Ankerkörben biegesteif verschraubt. Durch diese Maßnahmen wird die Knicklänge der Stützen verringert und die Längsverformungen an den Überbauenden werden halbiert, weil der Festpunkt in der Brückenmitte zu liegen kommt. Bei der Fertigung im Werk werden die Teilstücke so hergestellt, dass eine Werkstattform entsteht, die die Verformungen unter ständiger Last durch Überhöhung kompensiert. Nach der Verlegung und dem Ausbau weist der Überbau in sich keine planmäßigen Verformungen auf. Verformungen entstehen im Betriebszustand nur aus der Nutzlast und der Temperatur. Dadurch werden große Vertikaldilatationen an den Andockstellen Heliosklinik und Plattform vermieden. Dort werden die Längs-, Quer- und Vertikalverformungen mittels Übergangskonstruktionen in der Fahrbahn und durch Faltenbalgen in der Außenhülle aufgenommen. Zur Sicherung des Überbaus in Längsrichtung bei Erdbeben wird an der Seite der Helios-Klinik ein horizontales Zug- und Drucklager installiert, das nach Überschreiten einer kritischen Längsbewegung weitere Horizontalbewegungen verhindert.

Schwingungsanfälligkeit

Die vertikale Eigenfrequenz der Gesamtkonstruktion liegt bei 2,1 Hz. Damit liegt sie im Bereich von 1,25 Hz bis 2,3 Hz, dem Bereich, wo fußängerinduzierte Schwingungen eine Brücke anregen können. Die vertikale Beschleunigung bei dem in der Praxis auftretenden Verkehrsaufkommen liegt unter 0,5 m/s², weist also nach dem Leitfaden für die Bemessung von Fußgängerbrücken (Human induced Vibrations of Steel Structures) ein Maximum an Komfort auf.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen mit der Arbeit 1001 für die neue Brücke einen Einfeldträger mit beidseitigen Kragarmen vor, der auf Portalrahmen aufsteht. Die Brücke führt mit leichtem Schwung über Straße und Straßenbahntrasse und reagiert auf elegante und einfache Weise auf die Anforderungen, die aus dem Baumbestand und der Zufahrt resultieren. Der Gegenschwung im Anschluss an die Heliosklinik ist zu überprüfen. Die Stahlkonstruktion ist aus Standardhohlprofilen gefügt. Die Stützenrahmen bestehen aus zusammengesetzten Rechteckhohlprofilen, die ihre Auflagerlasten auf vertiefte Flachgründung abgeben. Der Träger selbst ist als Vierendeelträger mit variablem Pfostenabstand konzipiert. Auf subtile Weise wird so der Kräfteverlauf erlebbar und der Innenraum spannungsvoll rhythmisiert. Die Anbindung an die vertikale Erschließung der Helikopterplattform ist problemlos möglich. Nach außen hin zeigt sich die Brücke als einfaches, geschlossenes Volumen mit halbtransparenter einschaliger Polycarbonatfassade. Tragwerk und Nutzer bleiben damit schemenhaft sichtbar und zeigen die Logik und Funktion, ohne dabei zu viel Preis zu geben. Die Untersicht der Brücke wurde als zu profan empfunden. Ein sorgsamerer Umgang mit dem öffentlichen Bereich unter der Brücke wäre hier wünschenswert. Der sommerliche Wärmeschutz erscheint noch nicht überprüft. Die für die natürliche Belüftung vorgesehenen Dachöffnungen sind hierfür sicherlich nicht ausreichend. Andererseits sind die Beheizung und Dämmung der Baukörperhülle nicht erforderlich. Die Arbeit liegt im wirtschaftlichen Bereich. Der vorgeschlagene Montageablauf, bei dem selbsttragende Teilstücke auf Stützen und Hilfsstützen abgesetzt werden, ist machbar und kann innerhalb verfügbarer Sperrzeiten umgesetzt werden. Die Lösung ist auch in dieser Hinsicht bereits weit entwickelt und kann ohne wesentliche Änderungen umgesetzt werden. Insgesamt eine Arbeit, die mit angemessenem Aufwand in der Konstruktion und elegantem Gestus eine zurückhaltende und dennoch eigenständige Gestalt entwickelt, die sich auf selbstverständliche Weise in den Stadtraum einfügt.
Skizze

Skizze

Skizze

Skizze

Skizze

Skizze

Grundriss

Grundriss

Ansicht

Ansicht

Längsschnitt

Längsschnitt

Detailausschnitt

Detailausschnitt

Statisches System

Statisches System

Lageplan

Lageplan