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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2021

Bürgercampus der Stadt Ahlen – Neubau des Stadthauses

Anerkennung

Preisgeld: 7.100 EUR

Günter Hermann Architekten

Architektur

w+p Landschaften

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebau
Die Stadt Ahlen beabsichtigt den Neubau eines Stadthauses und eines Bürgerforums sowie den Abriss des bestehenden Rathauses. Das Grundstück für das neue Stadthaus liegt am Rand der Altstadt direkt an der Werse nördlich des ehemaligen Rathauses und soll aufgrund der reizvollen Lage am Fluss zu einem innerstädtischen Grüngürtel aufgewertet werden.

Zielsetzung des Entwurfs ist durch eine differenzierte Reaktion auf die heterogene Umgebungsbebauung ein markantes Gebäude als neuen Standort der Stadtverwaltung Ahlen zu schaffen. Der Baukörper des Stadthauses wird als gegliederte Bebauung in Anlehnung an die kleinteilige, meist zweigeschossige Gebäudestruktur der Altstadt entwickelt. Das großformatige Volumen des Stadthauses wird durch Gebäudevor- und Rücksprünge maßstäblich. Der Baukörper entwickelt sich von Norden entlang des Altstadtkerns und der Werse in den neuen Bürgerpark. Zusammen mit dem Kunstmuseum bildet der nördliche, niedrigere Gebäudeteil das neue Tor zur Altstadt und die Verbindung zum Stadtpark.
Der Haupteingang des Stadthauses liegt im Park dem Bürgerforum zugewandt und an die Wegeverbindungen aus der Altstadt angebunden. Der neue Stadthausplatz schafft eine Verbindung der Altstadt an die Werse und mit einer Fußgängerbrücke einen Kurzschluss auf die andere Flussseite zum Grünzug am Bruno-Wagler-Weg.

Gebäude
Mit dem neuen Gebäude für die Stadt Ahlen soll ein zukunftsweisendes Verwaltungsgebäude mit hoher Aufenthaltsqualität für die Mitarbeiter entstehen. Der Neubau bietet die Möglichkeit optimale Bedingungen für die internen Abläufe zu konzipieren, um die Stadtverwaltung Ahlen für die Zukunft gut aufzustellen. Das Gebäudekonzept basiert auf einer einfachen und klaren Grundrisskonzeption. Die Erschließung erfolgt über einen zentralen Eingangsbereich vom neuen Stadthausplatz aus in das zweigeschossige Foyer. Hier befinden sich auch der Bürgerservice und der Empfangsbereich. Über eine großzügige Freitreppe ist das erste Obergeschoss mit dem Standesamt und Trauzimmer angebunden. Die weiteren Geschosse werden über zentrale Kaskadentreppen, die an durchgesteckten Lichthöfen liegen, erschlossen. Diese sorgen auch für eine angenehme Belichtung der Innenzonen. Die Anlieferung erfolgt im nördlichen Gebäudeteil von der Westenmauer aus. Hier befindet sich auch ein weiterer Zugang für Mitarbeiter.

Die innere Organisation der Büros erfolgt fachbereichsweise zusammengefasst mit kurzen internen Wegen innerhalb der Bereiche. Zusammen mit dem gewählten Ausbauraster von 1,25 m lassen sich bei einer Bürotiefe von 4 Metern die vorgegebenen Bürogrößen optimal umsetzen. In den Mittelzonen liegen Sonderflächen, Lager und Besprechungsräume. Durch Kommunikationszonen in den Flurbereichen wird der informelle Austausch der Mitarbeiter untereinander gefördert. Die Gliederung des Gebäudes und die entsprechende Positionierung der Erschließungs- und Sanitärkerne ermöglicht eine flexible Nutzung und spätere Aufteilung in unterschiedlichen Nutzungseinheiten zur Fremdvermietung und Umnutzung ganzer Abschnitte bzw. Geschosse. Das ganze Gebäude ist barrierefrei geplant. Über die zentral positionierten Aufzüge werden alle Ebenen behindertengerecht erreicht.



Freianlagen
Die gesamten Freiflächen erhalten eine Neuordnung durch ein mit dem Stadtgrundriss verbundenes Wegenetz. Aus der Altstadt kommend wird der Bürgercampus durch den „Innenstadtteppich“ und dann die barrierefreie Rampe übersichtlich und einladend angebunden. Der neu angelegte Stadthausplatz formuliert in Verbindung mit dem Stadthaus eine großzügige Geste als Forum der Mitte für alle Generationen. Das Entreé zum Stadthaus und die Brücke zur gegenüberliegenden Seite der Werse eröffnen neue Anknüpfungspunkte, die Sitzstufen zum Wasser formulieren qualitätvolle Aufenthaltsmöglichkeiten – ein Treffpunkt mit ganz neuen Perspektiven.
Die Wegeverbindungen zur Parkierungsterrasse, der Stadtbücherei und entlang der Werse zum zukünftigen Bürgerforum sind allesamt barrierefrei angelegt. Die bestehenden, vitalen Bäume bleiben, wenn möglich, erhalten und werden durch die naturnahe Neupflanzung entlang der Werse als Habitat für eine vielfältige Fauna ergänzt. In der Mitte der Stadt Ahlen entsteht ein qualitätsvoller Freiraum, der einen verbindenden Impuls für eine zukunftsorientierte Innenstadtentwicklung auf den Weg bringen kann.

Parkterrasse
Die gewünschten (170 +12) PKW-Stellplätze werden unter Ausnutzung der Topographie flächenschonend in einem zweigeschossigen, oberirdischen Parkdeck untergebracht.
Die obere Parkebene liegt auf dem Niveau des Vorplatzes der Stadtbibliothek und kann bei größeren Festen als Fläche mitgenutzt werden. Die Parkterrasse wird als offene Holz/Betonhybridkonstruktion vorgeschlagen und auf allen Seiten begrünt, so dass sie in die Parklandschaft unauffällig eingebunden wird. Sollte sich das Mobilitätskonzept der Stadt Ahlen zukünftig ändern, kann das Parkdeck anderweitig genutzt werden oder durch die einfache Konstruktion wieder rückgebaut werden.

Brandschutz
Das Stadthaus ist von allen Seiten für Feuerwehrfahrzeuge gut anfahrbar – Aufstellflächen sind entsprechend vorhanden. Das Gebäude wird in unterschiedliche Nutzungseinheiten unterteilt mit je zwei voneinander unabhängigen Rettungswegen unterstützt durch eine Brandmeldeanlage.

Konstruktion und Materialität
Das Gebäude ist als Massivbau aus Recyclingbeton konzipiert. Zusammen mit der Verwendung von dauerhaften und wartungsarmen Materialien in der Fassade (Holz-Alufenster und Recyclingklinker) und im Innenraum (Sichbetonwände und hochwertige Wandverkleidungen) entsteht ein langlebiges und robustes Gebäude.

Ökologie und Nachhaltigkeit
Die kompakte Anordnung der Baukörper ermöglicht einen flächenschonenden Umgang mit den Bodenressourcen. Die versiegelte Fläche wird so gering wie möglich gehalten. Die Außenbereiche erhalten versickerungsfähige Beläge aus Rasen‐ bzw. Sickerpflaster oder als wassergebundene Decke. Für die Gebäude wird eine Realisierung aus mineralischen Baustoffen, sowie recycelten Materialien angestrebt.

Energiekonzept
Ziel der Energiekonzeption ist eine nachhaltige Gesamtlösung, die auf den Bausteinen des energieeffizienten Bauens basiert und ein Optimum in Hinblick auf Umweltwirkung, Wirtschaftlichkeit und Nutzerkomfort darstellt. Es wird eine energieeffiziente Konzeption gemäß Passivhausstandard vorgeschlagen.

Wärme erhalten
Die Grundlage der Passivbauweise bildet eine kompakte Bauweise mit geringen A/V‐Verhältnis sowie eine sehr gute thermische Hülle, die Wärmeverluste des Gebäudes maßgeblich reduziert. Die Luftversorgung in den kühleren Jahreszeiten erfolgt über dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung.

Wärme effizient gewinnen
Eine Heizungsanlage ist beim Passivhaus nicht notwendig. Eventuell auftretende Verluste können durch die Abwärme des Rechenzentrums und den zusätzlichen Anschluss an das Fernwärmenetz kompensiert werden.

Überhitzung vermeiden
Der optimierte Verglasungsanteil stellt einen guten baulichen Sonnenschutz dar, der durch effektive außenliegende Sonnenschutzsysteme mit Einzelraumregulierung in den Fensterflächen ergänzt wird. Die hohe Speichermasse der Betonanteile in der Konstruktion ermöglicht eine zeitliche Pufferung der internen Wärmelasten.

Natürlich lüften
Sämtliche Aufenthaltsräume sind mit direktem Fassadenanschluss konzipiert können individuell durch die Nutzer natürlich belüftet werden. Mit den innenliegenden Lichträumen kann ein optimales System zur natürlichen Belüftung in den warmen Jahreszeiten und zur Nachtauskühlung des Gebäudes aufgebaut werden.

Effizient maschinell Lüften
Alle Aufenthaltsräume werden zur dauerhaften Sicherstellung einer guten Luftqualität über dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung mit Frischluft versorgt. Die Lüftungsgeräte werden in Aussparungen in den Außenwänden untergebracht. Die dezentralen Lüftungsgeräte sind sowohl individuell regelbar und können übergeordnet über Präsenz‐ und CO2‐Melder gesteuert werden.

Tageslicht nutzen
Die Fassaden besitzen eine der Nutzung angepassten und in Format und Größe optimierten Verglasungsanteil. Der Lamellensonnenschutz erhält separat einstellbare Lichtlenklamellen im oberen Bereich. Durch verglaste Oberlichtbänder kann auch das Gebäudeinnere gut natürlich belichtet werden.

Kunstlicht optimieren
Das gesamte Gebäude wird mit effizienter Beleuchtungstechnik auf LED‐Basis ausgestattet, die mit tageslicht- und präsenzabhängiger Steuerung ergänzt wird. Helle Materialoberflächen geben eine gute Lichtreflexion.


Strom dezentral gewinnen
Die großen Flachdächer bilden eine optimale Grundlage für die Installation eines Photovoltaiksystems zur solaren Stromerzeugung. Ein Teil der Dachfläche wird daher dachparallel mit entsprechenden Modulen belegt. Der erzeugte Solarstrom wird primär im Gebäude verbraucht und bei Überschuss in das öffentliche Netz eingespeist. Das Stromkonzept kann zur Erhöhung des Eigennutzungsanteils durch einen dezentralen Stromspeicher (Akku) ergänzt werden.

Regenwassernutzung
Es ist eine Zisterne als Pufferspeicher für Regenwasser, das für die Toilettenspülung genutzt werden soll, geplant. Das restliche Regenwasser wird über eine Rigole versickert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau / Architektur
Die Verfasser schlagen einen gegliederten Baukörper vor, der sich aus vier Einzelbaukörpern mit unterschiedlichen Höhen zusammensetzt. Die Kleinteiligkeit und Maßstäblichkeit, die sich auf die Altstadt Ahlens beziehen, wird vom Preisgericht gewürdigt, wenn gleich die teilweise Zweigeschossigkeit für die gestellte Aufgabe städtebaulich nicht angemessen erscheint. Die Gebäudekubatur suggeriert durch die ausformulierte Kleinteiligkeit nicht unbedingt die Typologie eines Stadthauses - so könnte es sich beispielsweise durchaus auch um einen Schulkomplex handeln. Die im äußeren Erscheinungsbild sehr starke Differenziertheit ergibt im Inneren allerdings eine klare, zusammenhängende Grundrissstruktur. Die Proportionen der Büros und die Rasterung der Fassade sind überzeugend. Durch die Höhenstaffelung und das leichte Versetzen der Baukörper im Grundriss entstehen interessante Aus- und Einblicke und hohe innenräumliche Qualitäten. Die vertikale Erschließung mit den offenen Treppen und Lichthöfen ist hinsichtlich des Brandschutzes jedoch kritisch zu hinterfragen. Die teilweise recht breiten Flure und die doppelten Erschließungen führen zu hohen Verkehrsflächen. Das durchgesteckte Eingangsfoyer am südlichen Kopfende mit seinem dreigeschossigen Luftraum und der großen Treppenanlage wirkt einladend und ist für die Nutzung angemessen. Der Eingang ist jedoch in der Baukörpergeometrie nicht eindeutig ablesbar, er könnte sich durchaus auch in dem angrenzenden 4-geschossigen zurück gestaffelten Gebäudeteil vermuten lassen. Die Anordnung des Bürgerbüros im Erdgeschoss zum Bürgerplatz orientiert ist richtig. Die Wahl des Fassadenmaterials aus rotem recyceltem Klinker ist vorstellbar, der Gesamteindruck der Fassadengestaltung vermag für die Typologie des Stadthauses jedoch nicht ganz zu überzeugen. Insgesamt ein interessanter Entwurfsansatz, der versucht, sich mit dem Neubau an die Maßstäblichkeit Ahlens anzulehnen, der jedoch für ein zukunftsfähiges Stadthaus zu wenig selbstbewusst und eigenständig daherkommt.

Freiraum
Die Verfasser*innen gestalten den Freiraum neu durch ein mit dem Stadtgrundriss verbundenes Wegenetz. Aus der Altstadt kommend wird der Bürgercampus durch einen ´Innenstadtteppich´ einfach angebunden. Am Südende des Stadthauses ist als Mitte und Forumsplatz für alle Generationen ein neuer Stadthausplatz geplant. Von diesem aus erfolgt ein Brückenschlag über die Werse, Sitzstufen am Wasserlauf laden zum Verweilen ein. Dass vitale Bestandsbäume erhalten und durch Nachpflanzungen ergänzt werden sollen, wird positiv bewertet. Eine Besonderheit bildet die geplante Parkterrasse, die auf zwei Ebenen Platz für 170 + 12 Autos bieten soll. Sie wird sinnhaft in die Topographie eingebettet. Kritisch bewertet wird der Vorschlag, Teile der Beläge aus wassergebundenen Wegedecken auszubilden, da diese einen hohen Pflegaufwand erfordern. Den Verfasser*innen gelingt mit diesem Entwurf eine einfache, gut durchdachte und für den Ort angemessene Freiraumplanung.