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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2021

Landmarke „Zincoli-Kamin" in Stolberg

2. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

caspar.

Architektur

DJAO-RAKITINE - Landscape Architecture

Landschaftsarchitektur

Berger&Berger

Architektur, Design

Erläuterungstext

DER MASTERPLAN
Dem Bebauungsplan liegen vier Hauptaspekte zu Grunde: 1) Eine starke städtebauliche Verbindung zur Nachbarschaft mit einer klaren Ost-West-Achse, an die sich der Kamin gliedert und die das neue Gewerbegebiet auch mit dem Zinkhütter Hof verbindet. So entsteht ein aktives Gewerbe- und Kulturviertel, das Teil des Stadtlebens wird und ein starkes Gefühl von Urbanität und Gemeinschaft vermittelt. 2) Eine Synergie zwischen den neuen wirtschaftlichen Aktivitäten des Gewerbeparks und des Kulturquartiers, durch die, auf der Grundlage der lokalen Identität und Industriegeschichte Stolbergs, ein innovatives und spezifisches Projekt für die Stadt und das umliegende Gebiet entsteht. 3) Ein starker Verweis auf die historischen Stolberger Kupferhöfe mit der Ausgestaltung eines zentralen Platzes im Masterplan, gleich einem Werkhof. Der Platz schafft Fokus im Quartier, für Arbeiter, Besucher und Bewohner. Ein Ort für Veranstaltungen, ein Ort zum Kennenlernen und Austauschen. Ein Stadtplatz, verankert mit dem ikonischen Zincoli-Kamin, dessen Präsenz und Identität durch die Kunstinstallation maßgeblich verstärkt wird. 4) Eine Bebauung, die die Kanten der Hauptachse und des zentralen Platzes stärkt, mit Vorderseiten zum städtischen Leben hin und Hinterhöfen für die Gewerbe. In Anlehnung an die ehemaligen Fabrikgebäude wäre ein modulares Gerüst vorstellbar, in das Hallen und Büros eingesetzt oder Lücken gelassen werden können. Einheiten wären flexibel zusammenfassbar und könnten dem individuellem Flächenbedarf schnell und einfach angepasst werden.

DIE LANDSCHAFT
Eine Reihe von bepflanzten Terrassen im Osten schaffen eine häusliche Umgebung, einen Garten für die historische Villa und fassen so auch räumlich den Stadtplatz und den Museumshof zusammen. Parallel dazu im Süden, verläuft eine Rampe als sanfte und barrierefreie Fußgängerverbindung zwischen den zwei Destinationen. Der Platz selbst ist ein großer, Gemeinschaftsbereich für Fußgänger, Radfahrer sowie Anlieferungsverkehr der Gewerbehallen. Gepflastert wird die Fläche mit großen Platten aus recyceltem Beton mit Grasfugen. Entlang der Gebäudekanten am Rand des Platzes verläuft ein Netzwerk von bepflanzten Mulden, in welche die versiegelten Flächen entwässern und die so zur Regenwasserrückhaltung beitragen. Der zentrale Rasen ist Bühne für den Schornstein mit Kunstinstallation und die Aussichtsplattform „Stairway to Heaven“. Hügel und Einschnitte erlauben es, das Kunstwerk von verschiedenen Blickpunkten zu erleben, können aber auch als Spielflächen genutzt werden oder zum Ausruhen und Sitzen. Neben dem Rasen befindet sich die „Island of Wilderness“, ein isoliertes Stück der jetzt bestehenden Natur, einschließlich seiner spezifischen Galmei-Vegetation und Pionierbäumen wie Birken und Erlen. Ein weiteres Stück Bestandslandschaft könnte auch ins östliche Gelände umgesiedelt werden, wo sich die geplante Rampe zwischen dem neuen Platz und dem Zinkhütter Hof aufspannt. Am westlichen Ende der Achse durch das Gewerbegebiet wird durch einen kleinen Platz mit geordneten Baumreihen und Parkplätzen eine Eingangssituation geschaffen, ein Antritt zum neuen Quartier und Gegenpol zum Eingang am Zinkhütter Hof.

DER KAMIN
Unsere Installation zelebriert, enthüllt und verschärft die Geschichte und außerordentliche Typologie dieses industriellen Baudenkmals nicht durch Addition oder Verkleidung, sondern durch Offenbarung seiner selbst. Der Zincoli-Kamin ist nicht Leinwand, sondern Kunstwerk in sich selbst. In diesem Licht wollen wir ihn begreifbar und erfahrbar machen. Die Krone des Schornsteins wird tagsüber, statt Rauchschwaden auszuwerfen, Licht in den Kamin bringen. Die aufgesetzte Konstruktion aus dünnen Stahlträgern greift die Tektonik von Industriebauten des zwanzigsten Jahrhunderts auf, darin integriert sind Reflektoren und optische Linsen, die das Sonnenlicht mit moderner Technologie über Röhren ins Untere und Innere leiten. Der untere Zufluss des Schornsteins, wo sonst nur drückende Hitze, chemische Dämpfe, Dunkelheit und Strömung dominierten, wird am Tag vom Takt der Sonnenstrahlen animiert, dem Wetter gleich erleuchtet, belebt durch ein Spiel von Sonne und Wasser - Eine kleine Fontaine in der innersten Kammer des Kamins übernimmt die gebündelten Strahlen; Reflektion und Brechung tauchen den bisher obskuren Raum in neues Licht. Nachts wird dieselbe Konstruktion, umgekehrt zum Mittelpunkt des neuen Viertels. Mit Hilfe von Leuchtmitteln wird die Fontäne weiter bespielt und über die gleichen Spiegel auf der Spitze, wirft die Installation auch einen neue Leuchtpunkt in die Region. Die trichterförmige Böschung in der Landschaft, um den Sockel des Kamins, lädt zum Verweilen ein und bildet, gleich einem Amphitheater, einen markanten Erlebnisraum um die Installation. Die Geometrie der teilweise enthüllten Fundamente, wird zum Orchestergraben der Inszenierung

Beurteilung durch das Preisgericht

Qualität und Strahlkraft der architektonisch-künstlerischen Gesamtidee
Die architektonisch-künstlerische Gesamtidee ist insgesamt gelungen, insbesondere der Umgang mit dem Kamin. Der zurzeit funktionslose Kamin wird neu in Funktion gesetzt und wird lebendig. Dies ist Sinnbild für den Strukturwandel. Durch den vorgesehenen Umgang mit dem Licht wird „Strahlkraft“ wörtlich umgesetzt. Das aufgesetzte Objekt besteht v.a. aus technischen Anlagen und sollte im Sinne der optischen Tagwirkung weiter ausgearbeitet werden. Generell ist die Tagwirkung in die Ferne begrenzt, was aber auch nicht unbedingt wichtig ist. Positiv ist vor allem die Begehbarkeit des Kamins, in dessen Inneren den Besucher eine kleine Attraktion erwartet. Demgegenüber erscheint die beigestellte Treppe unmotiviert und schwach. Kamin und Treppe stehen nur nebeneinander, treten aber nicht in einen Dialog. Für einen Ausblick in die Region ist sie zu niedrig. Mit dem Entwurfsverfasser muss im Falle einer Realisierung über Alternativen diskutiert werden.

Bezug der Gesamtidee zur lokalhistorischen Geschichte
Der Bezug zur lokalhistorischen Geschichte ist nur bedingt vorhanden und wird vor allem durch die Inszenierung des Kamins selbst deutlich. Es gibt ein Kreisbeet mit Galmeiflora, das auf den vorherigen Zustand als Industriebrache verweist, was positiv zu vermerken ist. Demgegenüber ist die Idee des Werkhofes, der an die typisch Stolberger Kupferhöfe erinnern soll, in der Realität nicht nachvollziehbar.

Qualität der Freiräume
Die Gestaltung, der Charakter und die vermittelte Atmosphäre der Freiräume werden sehr positiv bewertet. Die topografisch bewegte und multifunktional nutzbare Wiese ist einladend für unterschiedliche Zwecke. Positiv sind auch die Birkenreihen, die den Freiraum säumen und die ggfs. nicht vermeidbare architektonische Schwächen der Randbebauung kaschieren.

Qualität der Einbindung in die Umgebung
Die städtebauliche Integration in das Umfeld ist gegeben. Alle wichtigen Bezüge, vor allem zum Museum Zinkhütter Hof und zur Mauerstraße sind vorhanden und es besteht eine gute Durchwegung. Insbesondere die Verbindung mit dem Museumsgelände in Form einer barrierefreien Rampe und einer Rasentreppe ist gelungen. Die Verschwenkung bzw. Verengung des Raumes in Richtung Mauerstraße ist städtebaulich ansprechend.

Funktionalität und Realisierungsfähigkeit
Die Bautiefen der Gewerbegrundstücke und –gebäude sind in der Realität so kaum nutzbar bzw. die Nutzbarkeit und Flexibilität sind sehr eingeschränkt. Dies wäre bei einer Entwurfsüberarbeitung auch kaum heilbar, da dies nur zulasten des Freiraums möglich wäre, dessen Funktionalität und Wirkung dadurch stark verlieren würde. Die technische Realisierbarkeit des Kunstobjektes, d.h. die Lichtbündelung und –leitung, scheint machbar zu sein, zumindest gibt es Referenzprojekte. Ein Vorbehalt der Umsetzbarkeit stellt die Statik dar in Bezug auf die erforderlichen technischen Anlagen auf der Kaminspitze.

Wirtschaftlichkeit
Die Wirtschaftlichkeit hängt mit der Funktionalität der angebotenen Gewerbeflächen zusammen (s.o.). Eine Vermarktung der wenig tiefen und unflexibel nutzbaren
Grundstücke oder Gebäude dürfte sehr schwierig sein. Die für eine gelungene Umsetzung erforderlichen strengen Bauvorschriften erschweren eine Vermarktung zusätzlich. Der Anteil an vermarktbaren Flächen ist augenscheinlich gering, demgegenüber sind die öffentlichen Flächen großzügig mit den entsprechenden Kosten. Die Kostenschätzung ist fraglich, denn diese beziffert nur die Kosten für die eigentliche eng begrenzte Freifläche im Umfeld des Kamins. Die freistehende Treppe ist den Kosten für die künstlerische Gestaltung des Kamins zugeordnet.

ÜBERARBEITUNGSEMPFEHLUNGEN:
Überarbeitung des städtebaulichen Konzepts im Hinblick auf realistische Grundstückstiefen für die Gewerbegrundstücke.