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Einladungswettbewerb | 03/2021

Wohnen auf dem Branntweinareal in Nürnberg

Blick vom Thumenberger Weg

Blick vom Thumenberger Weg

1. Preis

Preisgeld: 31.000 EUR

Auer Weber

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner partnerschaft mbb

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

merz kley partner

Tragwerksplanung

Kersken + Kirchner GmbH

Brandschutzplanung

Grüne Modellbau

Modellbau

Erläuterungstext

Städtebaulich architektonischer Ansatz

Die Grundstruktur, Setzungen und Vorgaben des über mehrere Phasen intensiv abgestimmten Rahmenplans werden grundsätzlich beibehalten. Wir verstehen das neu entstehende Quartier im Süden entlang der Bahntrasse in seiner offenen Bauweise als eigenständigen Teilbereich des Gesamtareals, der sich in seiner Kontur, offenen Struktur und architektonischen Sprache deutlich vom durch überwiegend linear gerichtete Baukörper gerahmten Teilquartier im Norden entlang der Äußeren Sulzbacher Straße unterscheidet. Zu dieser Differenzierung trägt auch der markante Höhensprung in der Topografie von Nord nach Süd bei.
Die im Masterplan vorgeschlagene Ausrichtung und öffnende Geste der lärmgeschützten Binnenräume zwischen den Wohnbausteinen ausschließlich nach Norden hinterfragen wir, da wir in der Weite des Gleisfeldes und der Südorientierung eine hohe Qualität sowohl für die Wohnungen und ihre Bewohner als auch für die begrünten Binnenräume selbst sehen, die wir stärken wollen.
Aus diesem Grund schlagen wir eine deutlichere Konturierung der Bausteine auf ihren West- und Ostseiten vor, wodurch die mit zunehmender Tiefe ebenfalls zunehmende Enge der Hofräume aufgehoben wird. Die polygonalen Gebäude ermöglichen eine höhere Anzahl an Wohnungen mit besserer Ausrichtung in Richtung Osten und Südwesten, was bei der angestrebten Dichte und Höhenentwicklung der Bebauung von Vorteil ist.
Die Konzeption zum Quartier Branntweinareal hat den Anspruch und bietet die Chance, in Hinblick auf einen ressourcenschonenden Umgang mit Energien, Konstruktionen und Materialien ein zukunftsfähiges Modellprojekt zu werden. Um diesen Anspruch zu unterstreichen, haben wir die Gebäude im Rahmen des Realisierungsteils des Wettbewerbs als Holz- Hybridkonstruktionen konzipiert. Material und Konstruktion werden in der Struktur und Fügung der tragenden Fassaden sichtbar und nachvollziehbar. Auch in den Wohnungen prägen die Präzision der Vorfertigung und das sichtbare Holz der Deckenuntersichten und der tragenden Wand- und Stützenelemente die Atmosphäre. Decken Wände und Böden der Eingangsfoyers, der tragenden und aussteifenden Erschließungskerne und der Flurzonen werden dagegen in Sichtbeton und geschliffenem Betonestrich konzipiert.


Nutzungsverteilung und Wohnungsschlüssel

Wohnhochhaus:
- Das Erdgeschoss des Hauses beherbergt nach Norden, prominent und gut auffindbar zum Quartierseingang gelegen, die Gewerbeflächen und das zentral angeordnete Eingangsfoyer mit Empfangsbereich für die Wohnungen
- Der Eingangsbereich für die Kita und die Räume der Kinderkrippe liegen im Süden und Osten, mit direkter Orientierung und Zugang zu den vorgelagerten Freibereichen
- Im 1. Obergeschoss sind nach Süden orientiert die Gruppenräume der Kita situiert. Eine interne Treppe gewährleistet die separate Entfluchtung dieser Räume und den Zugang zu den Freiflächen
- Im 1. bis 5. OG sind überwiegend die geforderten 3- und 4- Zimmer- Wohnungen situiert
- in den Turmgeschossen (6. bis 16. OG) sind die kleineren Wohneinheiten der 1- und 2- Zimmer-Wohnungen organisiert

Wohnbaustein:
- Der Wohnbaustein ist über alle Geschosse hinweg überwiegend mit den größeren Wohnungen (3- bis 5- Zimmer- Wohnungen) belegt


Verkehr und Mobilität

Kfz- Verkehr
Die Zu- und Ausfahrt zur ein- und (optional) in Teilen zweigeschossigen Tiefgarage mit den nach Auslobung erforderlichen 300 Stellplätzen erfolgt von Norden entlang der Westseite des Angers in den dort situierten Wohnbaustein.

Mobilitätskonzept
Mobilitätsstationen mit Car- und Bike- Sharing- Stellplätzen incl. Ladesäulen und weiteren Mobilitätsbausteinen sind dezentral am Eingang ins Quartier im Bereich der Einmündung des Thumenberger Weges, am zentral gelegenen Anger und am westlichen Ende der Anliegerwohnstraße angeordnet


Freiraumkonzept

Durch das Freihalten der Höfe von Feuerwehrzufahrt- und Aufstellflächen können diese uneingeschränkt als gemeinschaftlich nutzbare Frei- und Spielflächen den Bewohnern zur Verfügung gestellt werden.
Ein grüner Rahmen aus Strauch- und Staudenmischpflanzungen schützt die Privatheit der Wohnungen im Hochparterre, trennt die Höfe vom Verkehrsraum und charakterisiert und zoniert die Gemeinschaftshöfe. Der Hof zwischen Wohnbaustein und Wohnhochhaus wird mit einer großzügigen Terrasse als städtischer Raum multifunktional bespielbar gestaltet. Fußwege verknüpfen die Höfe im Norden und vernetzen diese auch mit dem übergeordneten Fußweg im Süden.
Auch die Kita- Freifläche ordnet sich diesem einfachen Grundkonzept unter und erhält einen Strauch- und Heckenrahmen. Die lockere Baumsetzung aus standortgerechten Bäumen I. und II. Wuchsordnung rhythmisiert die Raumabfolgen und charakterisiert die privaten Freiräume im Gegensatz zur linearen Anordnung im Straßenraum.


Tragwerk

Sowohl im Typus Wohnbaustein als auch im Typus Wohnhochhaus ist die Konstruktion ein Hybrid aus mehreren Konstruktionsmaterialien. Die Materialien werden entsprechend ihrer technisch-konstruktiven Stärken unter Berücksichtigung ästhetischer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte eingesetzt.
Die aussteifenden Treppenkerne und die Untergeschosse sind in Ortbeton geplant. Die vertikalen Lastpfade verlaufen kontinuierlich und ohne seitlichen Versatz zwischen Dach und Erdgeschoss.
Die wirtschaftliche aber kleinteilige Struktur in den oberirdischen Wohngeschossen ist mit einer sinnvollen Nutzung in der Tiefgarage nicht ohne weiteres vereinbar. Zwischen Erd- und Untergeschoss werden deshalb unvermeidbare Versätze durch eine Transferdecke aufgenommen.
Bei beiden Gebäuden werden in den Obergeschossen werkseitig vorgefertigte Holzelemente und Ortbeton zu einer statisch und bauphysikalisch hoch effizienten Holz-Beton-Verbund-Decke zusammengefügt. Der Beton dient als horizontale Scheibe der Gebäudeaussteifung, unterbindet zuverlässig die Rauch- bzw. Brandausbreitung und verbessert den Schallschutz zwischen den Geschossen. In der Deckenuntersicht bleibt der natürliche Baustoff Holz im Innenraum sicht- und erlebbar. Die Breite der Deckenelemente entspricht dem Fassadenraster. In der Fassade werden die Decken von Doppelstützen aus Holz getragen. Auch diese Stützen werden als tragende Holzkonstruktion sichtbar bleiben.
Die Lastabtragung bei den Innenachsen ist aufgrund der spezifischen Kerngeometrien und Wohnungsgrundrisse unterschiedlich gelöst:
Beim Wohnbaustein ist der Kern aus Stahlbeton langgezogen und erstreckt sich fast über die gesamte Nord-Süd-Richtung. Die Holzkonstruktion wird auf der Ost- und Westseite an diesen „angedockt“. Die Geschossdecken können innenseitig überall am Betonkern aufgelagert werden. Die Kernwände verlaufen jeweils parallel zur Fassade, die Raumtiefe und folglich die Konstruktionshöhe der Decken sind damit überall identisch.
Im Wohnhochhaus ist der Kern eher kompakt und zentral im Sockelgrundriss angeordnet. Die Spannrichtung aller Decken ist in Nord-Süd-Richtung orientiert. Für die Lastabtragung neben den Kernen werden innerhalb der brandschutz- und schallschutztechnisch qualifizierten Wohnungstrennwände zusätzliche, über alle Geschosse durchlaufende Tragachsen aus Stahlträgern und -stützen angeordnet.
Die Holzkonstruktion ist im Wesentlichen werkseitig vorgefertigt, wird elementiert zur Baustelle gebracht und mit ein paar Geschossen Nachlauf zum Kern montiert. Durch den hohen Vorfertigungsgrad wird die Montage- und Bauzeit reduziert, infolge der besseren Arbeitsbedingungen erhöhen sich zudem Präzision und Qualität.


Lüftung und Schallschutz

Die Lüftung der Wohnungen erfolgt prinzipiell über freie Fensterlüftung und eine unterstützende kontrollierte Wohnraumlüftung mittels dezentralen, fassadenintegrierten Lüftern.
Der Schallschutz der Wohnhöfe wird im Süden durch die verbindenden und bahnseitig verglasten Balkone zwischen den Wohnbausteinen sichergestellt.
Beinahe alle schutzbedürftigen Wohnräume der Wohnungen in den Wohnbausteinen sind zu diesen ruhigen Binnenräumen oder zur ruhigen Wohnstraße im Norden orientiert. Einzelne zur lärmbelasteten Südseite orientierte Wohnräume und die Wohnungen an den Westseiten der jeweils am Ende einer Gebäudereihe gelegenen Wohnbausteine werden durch die Anordnung von Prallscheiben, schallgedämmten Lüftungsflügeln (Kastenelement) oder auch die Ausbildung von Schallschutzloggien in Form von Miradoren geschützt.
Der Schallschutz schallexponierter Wohnräume der Wohnungen im Wohnhochhaus erfolgt in analoger Weise über diese Elemente.


Brandschutz

Wohnhochhaus:
- Einordnung: Hochhaus mit einer Höhe unter 60 Metern
- Realisierung von zwei baulichen Rettungswegen über druckbelüfteten Sicherheitstreppenraum mit Feuerwehraufzug
- Dimensionierung und Ausbildung der tragenden Holz- Hybridkonstruktion in F90
- Verhinderung des vertikalen Brandüberschlags durch horizontal umlaufende, über die Ebene der Holzfassaden auskragende Betongesimse

Wohnbaustein:
- Prinzipiell werden auch die Wohnbausteine mit zwei baulichen Rettungswegen ausgestattet, um die Qualität der begrünten Wohnhöfe zwischen den Gebäuden nicht durch Zufahrten und Feuerwehraufstellflächen zu beeinträchtigen
- Treppenhaus mit zwei baulichen Rettungswegen über Schachteltreppe
- Verhinderung des vertikalen Brandüberschlags durch horizontal umlaufende, über die Ebene der Holzfassaden auskragende Betongesimse

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser*innen entwickeln geschickt die städtebaulichen Vorgaben aus dem Rahmenplan weiter. Eingänge markieren richtiger Weise den ost-west-verlaufenden Erschließungsweg. Von dort wird eine mittige Erschließung mit einem Doppeltreppenhaus (zwei Fluchtwege) nach Süden zu einer Gemeinschaftszone durchgesteckt. Dies ermöglicht eine gute interne Belichtung und hält die angenehm proportionierten polygonalen Höfe von Feuerwehrzufahrten frei. Positiv hervorzuheben ist zudem deren Belebung durch den südlichen lärmschützenden Abschluss mit Balkonen. Einfache Grundrisslösungen arrondieren das Lärmschutzkonzept, Pufferräume sind möglich.
Die Gewerbeeinheiten und die Kita liegen gut, wobei die Flächen der Kita tendenziell etwas zu klein sind. Die ostorientierten Balkone können die Freiflächen von den kalten Fallwinden des Wohnhochhauses zumindest im Ansatz schützen.
Das Mobilitätskonzept ist nachgewiesen, bedient sich aber teilweise von Flächen außerhalb des Wettbewerbsgebietes. Fahrradstellplätze und Müll liegen bis auf beim Wohnhochhaus praktikabel und gut integriert am Hauseingang.
Die grünen Höfe und die Option auf eine grüne Dachterrasse auf dem Wohnturm versprechen neben den internen gemeinschaftlichen Erschließungsräumen der sechsgeschossigen Wohnbausteine ein attraktives versiegelungsarmes Wohnumfeld.
Das Wohnhochhaus ist gut proportioniert und weist mit seiner leicht asymmetrischen Stellung auf die Umlenkung des Thumenberger Weges hin. Auch von Süden liegt der Hochpunkt richtig.
Die wohlproportionierten Baukörper werden über eine feine Profilierung unprätentiös gegliedert und versprechen so eine zeitlose elegante Anmutung.
Die Grundrisse sind in ihrer Struktur klar aufgebaut, entsprechen aber vom Wohnungsmix nicht ganz den Vorgaben, sind dafür insbesondere beim Wohnhochhaus ausgesprochen effektiv. Mängel bei den Fluchtwegen sind hier – wie auch bei allen anderen Arbeiten – zu bemerken, auch der Brandüberschlag scheint noch nicht ganz abgestimmt zu sein.
Mit Vorschlägen zur Hybridbauweise aus mehreren Konstruktionsmaterialien liefern die
Verfasser*innen einen wertvollen Vorschlag zur Nachhaltigkeit. Dies vor allem auch, weil der Vorschlag nicht nur die Fassaden, sondern auch die Geschossdecken betrifft.
Die Kenndaten sind ausgewogen. Die Tragstruktur erscheint ohne große Komplikationen möglich zu sein.
Insgesamt greift der Entwurf das Wesen des städtebaulichen Rahmenplanes auf, kann hinsichtlich Klimaschutz und Nachhaltigkeit überzeugen und scheint wirtschaftlich in Erstellung und Unterhalt zu sein. Die Überführung in eine architektonische Struktur ist vielversprechend.
Lageplan

Lageplan

Lageplan M 1:500

Lageplan M 1:500

Impression

Impression

Grundriss EG M 1:200

Grundriss EG M 1:200

Grundriss 1.OG M 1:200

Grundriss 1.OG M 1:200

Grundriss 2.-5.OG M 1:200

Grundriss 2.-5.OG M 1:200

Schnitt A-A M 1:200

Schnitt A-A M 1:200

Ansicht Nord M 1:200 / Ansicht Ost M 1:200

Ansicht Nord M 1:200 / Ansicht Ost M 1:200

Lärmschutzloggia und Wohnhof

Lärmschutzloggia und Wohnhof

Wintergarten und Gemeinschaftsraum

Wintergarten und Gemeinschaftsraum

Modellfoto

Modellfoto