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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2021

Zukunftsgarten Bergkamen/Lünen für die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027

Übersichtsplan

Übersichtsplan

Anerkennung

Preisgeld: 13.000 EUR

lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Prinzip „Garten“ | Grundlegender Leitgedanke und Vorbild der dynamischen Gärten ist das seit jeher prägende Prinzip des „Gartens“. Der Entwurf geht von der These aus, dass auch ein „Zukunfts“-Garten nach diesen Regeln aufgebaut sein wird: Gartenfelder, Gartenfurchen, die Einfriedung und die daran angrenzende „Wildnis“ werden so auf den Raum projiziert, sodass sich auch im großen Maßstab das Garten-Prinzip wiederfinden lässt. Die Wildnis wird als forstlich genutzte Flächen interpretiert, die zum Experimentierfeld für zukunftsrelevante Klimabäume werden kann. Die Einfriedung des Gartens erfolgt nicht mittels einer Hecke oder Mauer, sondern als großmaßstäbliches breites säumendes Band, bestehend aus einer extensiv gestalteten Promenade mit hohen Wald-Kiefern. Das einfriedende Band wird mancherorts immer wieder geöffnet, um die Verbindung zu den Waldflächen zuzulassen. Die Gartenfelder und -furchen im inneren des Gartens fädeln sich entlang einer Mittelpromenade auf und vernetzen die neuen Nutzungsräume miteinander, sodass ein flexibel gestaltbarer Nutzungsgroßraum mit einem feingliedrigem Wegesystem entsteht.


Die dynamischen Gärten | Durch die entstandenen Gartenfelder lässt sich ein einfaches Schema der Raumaufteilung erzielen, das – je nach zukünftig benötigten Nutzungsgrößen und -strukturen – jederzeit variiert und angepasst werden kann. Die multifunktionalen Landschaftsräume ermöglichen eine Gemeinschaft von intensiven wie auch extensiven Nutzungen, sodass ein breites freiräumliches Spannungsfeld entsteht. Diese flexible Gartenstruktur erschafft die dynamischen Gärten. Auch die Topografie unterstreicht die Thematik der dynamischen Gärten. Durch die geplante Topografie in Bergkamen wird der Ort als ungewöhnlicher (Extrem-)Sportstandort gekennzeichnet, bei dem Kiteboarding, Klettern, Hangrutschen, Flying Fox an der Tagesordnung stehen. In Lünen erzeugen die neuen Landschaftsbauwerke hingegen einen Ort der „inneren Mitte“. Der Landschaftspark wird von den drei Landschaftsbauwerken gefasst und bildet so einen ruhigeren Gegenpol zum Standort in Bergkamen. Ruhe- und Yogagartenbereich sowie der nebelwaldartige Farn- und Gräsergarten charakterisieren den Standort. Das „Bike & Breakfast“ mit umgebauten Schlafwägen knüpft an den alten Industriecharakter an und ergänzt den IGA-Radweg um eine ausgefallene Attraktion für Fahrradtouristen.
Gemeinsames Kennzeichen beider Standorte ist das einfriedende Promenaden-Band aus Wald-Kiefern. Die Gestalt des Bandes variiert zwischen verschiedenen Wegetypen: zum einen ist es als breite, leicht erhöhte Promenade mit magerem Oberbodensubstrat und Spontanvegetation ausformuliert. Zum anderen kann es sich auch den topografischen Gegebenheiten flexibel anpassen, indem es auch als schmaler Weg, Trampelpfad oder Treppenweg in Erscheinung tritt und sich an die Topografie schmiegt – immer begleitet durch Wald-Kiefern.


Highlights | Die Mittelpromenaden der beiden Entwurfsgebiete werden um zwei Highlights erweitert: In Bergkamen wird die topografische Dynamik um einen „Luftpfad“ ergänzt – einem hohen Weg, der sich in den Himmel „schraubt“. Das Erlebnis von Sonne und Luft soll hier im Vordergrund stehen. Die leichte Stahlkonstruktion aus begehbarem Gitterrost wird mithilfe des Druck- und Zugprinzips durch Stahlstelen und Stahlseilen in die Höhe gezogen. Anders als bei üblichen Aussichtstürmen geht der Pfad stets durch, das heißt, nach dem Anstieg zum Hochpunkt führt der Weg weiter fort, wobei das Gefälle wieder abnimmt.
In Lünen thematisiert das Erlebnis-Highlight die Elemente Wasser und Erde. Der Weg führt hinab in den Nebelwald – einem geheimnisvoll wirkenden Ort, der mit Gräsern und Farnen dicht bepflanzt ist. Im Zentrum des Nebelwalds steht das Erlebnis „Wasser“, das durch eine Brunnenanlage und Wassernebeldüsen eine entspannte und gelassene Atmosphäre schafft.
Durch den halbschattigen Raum mit seiner dichten Vegetation werden hier wieder die topografische Dynamik und der Charakter des Ortes als Ruhepol unterstrichen.


Verbindung der Zukunftsgärten | Ein weiteres verbindendes Element beider Zukunftsgärten ist der geplante IGA-Radweg, der durch kleinere Bürgergärten entlang der Wegeverbindung ergänzt wird. Sie dienen der freien Aneignung durch die Bürger für Sport, Spiel, Urban Gardening oder Ähnliches. Die Wald-Kiefern der Bürgergärten sollen auch hier als wiederkehrendes Element die Zukunftsgärten verketten.
Um die industrielle Vergangenheit beider Standorte hervorzuheben, wird das Thema „Energie“ fortgeschrieben: Der neue IGA-Radweg soll zwischen Lünen und Bergkamen zum „Energy Highway“ werden. Im asphaltierten Radweg dienen integrierte trittfeste Solarpaneele der Energiegewinnung und können damit „Energy Hubs“ entlang des Radwegs Drohnen, e-bikes oder sogar die Infrastruktur der Zukunftsgärten mit nachhaltiger Energie versorgen. Fluoreszierende Zuschlagsstoffe im Asphalt selbst setzen als attraktive Lichtinstallation die Strecke auch nachts in Szene.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Wettbewerbsarbeit ist geprägt von einer Spannung zwischen offenen Gartenfeldern und dicht bewaldeten „Wildnisbereichen“ bzw. Waldflächen. Dieses klare Gestaltungsprinzip durchzieht mit eindeutiger Haltung die beiden Teilstandorte in Bergkamen und Lünen. Vermittelnd und markierend zwischen diesen beiden Raumkategorien ist eine Kiefernpromenade geplant, die an historische Vorbilder erinnert.
In den Gartenfeldern finden sich vielfältige Nutzungsvorschläge, z. B. ein Nebelgarten in Lünen und Willkommensplätze in Bergkamen. Diese Gartenfelder sind jedoch in der Anzahl und räumlichen Zuordnung nicht immer nachvollziehbar und wirken des Öfteren beliebig. So ist im Lünener Teil des Zukunftsgartens der Übergang zwischen Forensik und Park nicht räumlich gefasst, der Ausblick vom Haldentop in Richtung Innenstadt durch Waldpflanzungen versperrt. Das Eingangsportal wirkt unterdimensioniert und liegt versteckt.
Bei der Haldenlandschaft am Kanal in Bergkamen wurde der Anteil der Aufforstungsbereiche sehr stark reduziert, was hohe Kosten für den Ausgleich induziert. Das einzige Highlight, der „hohe Weg zum Himmel“, auch „Luftpfad“ genannt, erscheint in seiner Lage und Größe sowie seiner privatwirtschaftlichen Funktion nicht nachvollziehbar.
Das besondere Element der Gestaltung, die Kiefernpromenade, würde seine Wirkung erst in 20 bis 30 Jahren entfalten, also noch nicht zum Zeitpunkt der Gartenausstellung in 2027. Zudem ist die Verwendung nur einer prägenden Baumart – der Kiefer – in großer Anzahl und auf unterschiedlichsten Standortverhältnissen angesichts der Thematik des Klimawandels fragwürdig.
Insgesamt zeichnet sich die Arbeit durch gute Gestaltungsideeen aus, die jedoch nur gelegentlich die örtlichen Gegebenheiten und Nutzungsanforderungen berücksichtigen.