Architekturpreis Essen 2020

Eine Deutschlandpremiere: Noch nie zuvor wurde eine Obdachlosenunterkunft als Neubau errichtet. Dabei spricht alles dafür: Langfristige Wirtschaftlichkeit, größere Effizienz – und mehr Lebensqualität.

Entscheidung mit Signalwirkung
Im Jahr 2013 betrat die Stadt Essen Neuland: Man entschied sich, die alten Unterkünfte an der Liebrechtstraße abzureißen und durch drei Neubauten für 119 Obdachlose zu ersetzen. Basis für diese Entscheidung waren eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung sowie Überlegungen zur Flächenwirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Bei der öffentlichen Ausschreibung konnte RKW Architektur + mit einem innovativen Konzept überzeugen.

Wir hatten eine effiziente, modulare Bauweise mit einem hohen Grad an Vorfertigung konzipiert. So konnten die alten Gebäude nacheinander abgerissen und jeweils zügig durch einen Neubau ersetzt werden, der sich harmonisch in die leicht abfallende Topographie und die Umgebung einfügt.

Kommunikation fördern, Werte schaffen
Die Gestaltung und Organisation der Gebäude haben wir bewusst extrovertiert geplant. Dadurch liegen die Wohneinheiten – vornehmlich Einraum-Apartments, aber auch Zwei- oder Dreiraumwohnungen sowie flexibel erweiterbare Grundrisse – immer Rücken an Rücken. Ihre Erschließung erfolgt von außen über die offenen großzügigen Laubengänge, mit neuer Aufenthaltsqualität für die Bewohner. Damit entstehen soziale Kommunikationsräume, die auch die Grünflächen zwischen den Gebäuderiegeln mit einbeziehen.

Wichtig war uns außerdem der Einsatz von ebenso einfachen wie robusten und beständigen Materialien, etwa hellem Sichtbeton für die Laubengänge, farbig glasierten Klinkern und den zusammengefassten Tür-Fenster-Elementen. Dank ihnen wirkt das sehr flächenwirtschaftliche und effiziente Gebäude freundlich und großzügig – und drückt eine Wertschätzung gegenüber den Bewohnern aus. Auch die Akzeptanz in der Nachbarschaft
wird gestärkt.

Das Resultat: Moderne und nachhaltige Unterkünfte, die eine Reintegration von Menschen in normale Wohnverhältnisse fördern, aber auch die engen Budget- und Terminvorgaben des Bauherrn erfüllen konnten.

Der Neubau von Notunterkünften ist eine Seltenheit. Dass diese Bauaufgabe - gestalterisch gut gelöst und auch wirtschaftlich rentabel - einen Mehrwert für den Stadtraum bedeuten kann, stellen die Notunterkünfte Liebrechtstraße mit ihrem in Volumen, Materialwahl und Farbigkeit freundlichen Erscheinungsbild unter Beweis. Die qualitätvoll begrünten Freianlagen mit ihrem alten Baumbestand werten das Ensemble aus insgesamt drei Riegeln zusätzlich auf. Der Stadt Essen ist es gelungen, auch für schwierige Lebensumstände ein würdevolles temporäres Wohnangebot bereitzustellen. Den Notunterkünften Liebrechtstraße wird hierfür eine Anerkennung des Architekturpreises Essen zugesprochen.