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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2021

Neubau Servicegebäude Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel

ein 3. Preis

Preisgeld: 30.000 EUR

caspar.

Architektur

M&P Gruppe

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Städtebau

Das neue Servicegebäude ist Grundstein für die räumliche Neuorganisation des Zentrum Altes Buch an der Bibliotheca Augusta und der erste wichtige Schritt für Umstrukturierung des Quartiers zu einer öffentlichkeitswirksamen Begegnungsstätte. Als Bauwerk ist es darüber hinaus Schlussstein für das gewachsenes Ensemble aus Bibliothek, Direktorenhaus und Magazin. Unser Ziel war es, die optimale betriebliche Funktion mit einer sensiblen Architektur zu einem Ganzen zu verbinden, welches sowohl die Identität des Nutzers und Arbeitsplatzes stärkt, als auch die des Standortes. Das vorhandene Ensemble zeichnet sich durch Axialität und Symmetrien aus, in die es gilt, sich einzufügen, ohne sich von ihnen fesseln zu lassen. Die noch bestehende Hof-Typologie des Westflügels der Augusta war für uns Ausgangspunkt für Organisation und Kubatur, die direkteste Verbindung zwischen Hauptgebäude und Magazin war das Rückgrat der Platzierung und die Südfassade des Direktorenhauses war Ebene der Verankerung. So ergeben sich Proportionen und Räume, die für den menschlichen Maßstab und den des Ensembles die angenehm sind

Organisation

Im Herzen des Gebäudes liegt das zentrale Atrium, um das sich die Abteilungen organisieren und zu dem sich auch gemeinschaftlichen Nutzungen orientieren. Im Erdgeschoss wird es zum erweiterten Sozial- und Multifunktionsraum, der sich durch den verglasten Pausenraum auch gen Westen mit der Landschaft der Oker verbindet. Von diesem Hof zum Haupteingang im Osten hin, animiert eine Treppenskulptur den Raum, dient zur Orientierung und bildet zusammen mit dem Aufzug die zentrale vertikale Erschließung. Ein umlaufender Gang verteilt horizontal und umfasst den Servicekern im Norden, in dem sich WCs, Schließfächern und Garderoben befinden. Im Erdgeschoss gliedert sich um diese Infrastruktur die Abteilung Fotowerkstatt, im ersten Obergeschoss die Abteilungen Alte Drucke und Handschriften, hier befindet sich auch der Besprechungsraum mit großem Fenster zum Atrium und der Verbindungsgang zu Magazin und Bibliothek, der sich aus der Verlängerung des östlichen Umlaufganges ergibt. Das zweite Obergeschoss verspringt über den umlaufenden Gang zum Atrium hin, um für die großen Werkstätten der Stabstelle Erhaltung und Restaurierung Platz zu schaffen. Diese Räume werden durch Nordlichtkuppeln im Dach belichtet, einige Fenster rahmen gezielt Blicke nach draußen.

Technische Infrastruktur

Auf den beiden unteren Geschossen sind die Arbeitsräume vom Flur durch Einbauschränke getrennt, in denen unter dem Deckenniveau auch sämtliche Versorgungsleitung für Klimatisierung und Haustechnick verlaufen. Gespeist werden diese Trassen von Schächten aus dem Technikgeschoss im Keller. Im obersten Geschoss verteilt sich die Haustechnik in der Deckengeometrie zwischen den Lichtkuppeln.

Barrierefreiheit

Die Erschließung im gesamten Gebäude orientiert sich an Barrierefreiheit, mit Fluren über 150 cm und sämtlichen Türen mit einer minimalen Breite von 90 cm. Ferner kann der Sockel des Gebäudes von den Hauptzugangsrouten über Rampen erschlossen werden.

Anschlüsse an den Bestand

Das erste Obergeschoss des Servicegebäudes übernimmt die Höhe des Fußbodens im Magazin und schließt direkt an der dafür vorgesehenen Stelle mit einer Stahl-Glas-Brücke an den Erker an. Die gerade und direkte Verbindung durch das Servicegebäude trifft an der Bibliothek auf den Bücherturm und schließt ebenfalls mit einer Stahl-Glas-Brücke an, welche auch die Lichte Durchfahrtshöhe von 3.5 Metern garantiert. Im Bücherturm gelangt man vom Durchbruch aus entweder in ein neues Treppenhaus oder in den Frachtaufzug, der die Verbindung zum Zentrum Altes Buch und somit auch zum geplanten Lesesaal herstellt. Das neue Treppenhaus und seine Aufzüge verbinden sämtliche Geschosse der Bibliothek und werden zur Schnittstelle zwischen öffentlichen Bereichen (Museum) und eingeschränkten Bereichen ohne Sicherheit und Abläufe zu beeinträchtigen.

Landschaft

Das Servicegebäude ist auf einen Sockel gestellt, der sowohl Hochwasserschutz gewährleistet, als auch zur bespielbaren Landschaft wird, er erschließt gleichzeitig auch das Magazin. Barrierefreie Rampen verbinden zu den Hauptverkehrswegen und Treppenanlagen vermitteln zum Bestand. Große Pflanzbeete und umliegende Flächen sind mit natürlichen Graslandschaften bespielt, während Bäume verschiedener Größe Schatten spenden und lichtungsartige Räume schaffen. Fahrradstellplätze befinden sich an der Nord-West Fassade der Bibliothek und an der Westfassade des Magazins, dessen Parkplatz auch um zusätzliche PKW-Stellplätze (zwei davon barrierefrei) ergänzt wird.

Fassade

Gemäß dem Bebauungsplan haben wir für das Servicegebäude eine Natursteinfassade entwickelt, die sich am Bestand orientiert und gleichzeitig eigene Identität schafft. Die klare Strukturierung der Augusta-Fassaden in gerahmte Felder wird aufgenommen und auf ein gleichmäßiges Raster von Pilastern und Friesen übertragen, welches den verschiedenen Nutzungen der Geschosse entsprechend mehr oder weniger Öffnungen und gefüllten Flächen enthält. Die Gebäudeecken und der Dachabschluss formen einen großen Rahmen aus, der im Kontrast zum glatten Sandstein des Rasters scharriert ist. Das Metallfalzdach ist der Kubatur mit einem Rücksprung aufgesetzt, ganz wie auch das Dach der Bibliothek, und verbirgt hinter seiner einfachen Geometrie die Landschaft aus Oberlichtern.

Brandschutz

Bei dem geplanten viergeschossigen Gebäude (GK3), ergibt sich durch die geplante und zum Schutz der Objekte erforderliche brandschutztechnische Infrastruktur (automatische, zur Feuerwehr aufgeschaltete BMA i.V.m. einer Alarmierungseinrichtung, sowie teilweise Löschanlage) die Möglichkeit auf die Anordnung von notwendigen Fluren zu verzichten. Da zudem für eine ausreichende Rauchabführung im Dachbereich, oberhalb der internen Verbindungstreppe gesorgt wird, kann diese als Rettungsweg genutzt werden. Ein weiterer Rettungsweg wird über den geplanten notwendigen Treppenraum sichergestellt. Es stehen somit ausschließlich bauliche Rettungs- und Angriffswege zur Verfügung. Durch die ausreichende Höhe der Verbindungsgänge werden bestehende Feuerwehrzufahrten nicht eingeschränkt.

Tragwerk

Die Konzeption des Verbindungsgebäudes sieht eine schlanke, wirtschaftliche und langlebige Stahlbetonskelettbauweise vor. Mit Ausnahme der wenigen Wände im zentralen Innenhofbereich werden die vertikalen Lasten lediglich über filigrane Stützen abgetragen. Diese sind zum einen am Deckenaußenrand - im Bereich der Fassade - sowie im Bereich des Innenhofs angeordnet. Hierdurch kann eine maximale Flexibilität der späteren Nutzung sichergestellt werden. Zudem ermöglicht die – unter Berücksichtigung des Fassadenrasters – optimierte Stützenstellung eine ressourceneffiziente und wirtschaftliche Stahlbetondecke.
Die Übergänge zur Bibliotheca Augusta und dem Magazingebäude erfolgen über zwei filigrane Stahlbrücken. Der Kubus des Servicegebäudes wird von einem zurückgesetzten Walmdach überspannt. Da für die Belichtung der Räume im zweiten Obergeschoss großzügige Oberlichter angedacht sind, ruht die gesamte Dachverkleidung auf einer materialschonenden stählernen Fachwerkträgerkonstruktion.
Die Gründung des Kubus erfolgt last- und bodenabhängig über lokale Tieferführungen unterhalb der Bodenplatte Erdgeschoss in Kombination mit einer Flachgründung des Untergeschosses. Alle unterirdischen Bauteile werden aufgrund der oberflächennahen Grundwasserlage als weiße Wanne im Sinne der WU-Richtlinie konzipiert.
Durch Zugabe von Hüttensandzementen mit geringem CO2 Verbrauch (z.B. CEM III b Zementen) und der Nutzung von Recyclingbetonen in allen oberirdischen Massivbauteilen wird ein ressourcensparender und effizienter Rohbau erstellt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit stellt ein solitäres dreigeschossiges Gebäude mit Teilunterkellerung und ohne Dachgeschoss dar. Der quadratische Baukörper schiebt sich auf einem Plateau, aufgrund der wiederkehrenden Hochwassersituation, weit in den Innenhof zwischen Augusta, Direktorhaus und Magazingebäude hinein. Der geringe Abstand zum Direktorhaus reduziert die Aufenthaltsqualität des Innenbereiches, kann aber als akzeptabel gewertet werden. Das Plateau wertet die Aufenthaltsqualität aufgrund der Stufen entlang des Eingangsbereiches des Gebäudes wieder auf. Grundsätzlich wäre die städtebauliche Setzung zu überarbeiten.
Das Gebäude ist über Rampen barrierefrei zu erschließen. Am Haupteingang erschließt sich ein zentral liegendes Atrium mit freier Treppe, Aufzug und Sitzgelegenheit. Diese Situation bietet hohe Aufenthaltsqualität ist jedoch aus Gründen des Brandschutzes zu überarbeiten. Ein zusätzliches Treppenhaus an der Südseite wäre einzuplanen oder die Trennung zwischen Treppe und Atrium sollte an dieser Stelle das Ziel sein. Um das Atrium herum gruppieren sich die Funktionsbereiche- EG Fotowerkstatt, 1.OG Abteilung Alte Drucke und Handschriften, 2.OG Restaurierungswerkstatt. Die Zuordnung der einzelnen Abteilungen ist damit optimal gelöst. Ebenso ist die Lösung der hauptsächlichen Belichtung im 2.OG über die Oberlichter optimal für
die Restaurierungswerkstatt. Als Nachteil muss im 1. OG die Querung der Übergänge gewertet werden, die einen Teil der Abteilung Alte Drucke und Handschriften abtrennt. Damit ist der Abschluss des Gesamtbereiches der Abteilung 3 nicht gegeben. Eine Überarbeitung wäre an dieser Stelle wünschenswert.
Die Fassade besteht aus einer strikten Skelettstruktur mit schmalen bodentiefen Elementen. Die Füllung der einzelnen Felder wechselt pro Geschoss in unterschiedlichem Rhythmus zwischen Glas- und Sandsteinfüllung, was dem Gebäude eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Der Baukörper ist präsent nimmt sich gegenüber der Augusta jedoch angemessen zurück.
Der Übergang zur Augusta wird im 1. Obergeschoss am Bücherturm geplant. Der Vorteil besteht darin, dass der Globensaal dadurch nicht berührt wird. Die Brücke selbst vom Servicegebäude zur Augusta wirkt aufgrund der Verglasung sehr filigran und nimmt sich sehr zurück. Der Nachteil bei dieser Ausführung könnte die fehlende Klimakonstante zwischen Servicegebäude und Augusta sein. Der Übergang zum Magazingebäude befindet sich an der angedachten Soll-Bruch Stelle am Erker des Gebäudes im 1.OG. Die Brücke ist baugleich zur gegenüberliegenden Seite birgt daher die gleichen Vor- sowie Nachteile.
Die geforderte Nutzung regenerativer Energien ist über eine Luft/Wasser- Wärmepumpe, PVT-Kollektoren sowie weitere PV-Module erfüllt. Die Nutzung des in der Sauberkeitsschicht verorteten Kollektorfeldes ist dabei unklar. Die Klimatisierung der Räume erfolgt als mögliche Lösung über eine Vollklimaanlage mit dezentraler Zonennachbehandlung. Die klimatischen Anforderungen werden damit angemessen erfüllt. Der Technikraum im Kellergeschoss ist grundsätzlich ausreichend bemessen, Zugänge für Wartung und Instandhaltung sind zu beachten. Nachhaltigkeitsanforderungen der Konstruktion werden mit der Stahlbetonskelettbauweise nur bedingt erfüllt.
Die Arbeit ist ein ansprechender Betrag für das Gleichgewicht zwischen Funktionalität und Aufenthaltsqualität für den Nutzer.