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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2021

Sanierung der „Kramer-Mühle“ in St. Leon-Rot

Anerkennung

Preisgeld: 8.333 EUR

netzwerkarchitekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

GESTALTUNGSIDEE
Das Konzept zur Revitalisierung der Kramer-Mühle baut auf den 3 Säulen Bewahren, Erneuern, Ergänzen auf. Das Ziel dabei ist es einen atmosphärischen Dialog mit der zukünftigen Nutzung als multifunktionales Gebäude für Begegnung, Kultur u. Vereinsleben im Einklang mit den denkmalpflegerischen Aspekten zur historischen Substanz herzustellen. Über einen geschickt platzierten Anbau im Osten des Anwesens bildet sich ein neues Rückgrat als zentrale Erschließungsachse aus. Das neue Begegnungszentrum erhält dadurch eine `T- förmige´ Organisationsstruktur, in dessen Zentrum das Haupthaus mit vorgelagertem Dreiseitenhof rückt. Die Struktur ermöglicht dabei eine effiziente Nutzungsvielfalt ohne gegenseitige Beeinträchtigung der jeweiligen Funktionsbereiche.
Durch den Anbau können die Funktionsbereiche räumlich entzerrt werden, so dass vor allem im Bereich der Ölmühle und der Scheune eine großzügige Raumwahrnehmung im Einklang mit der historischen Substanz ermöglicht wird. Im Verlauf des Rückrates werden die musealen Ausstellungsstücke der Mühlengeschichte in Wandnischen entlang des Verbindungsweges platziert. Zur Roter Straße wird das Scheunengebäude mit einem Kopfbau ergänzt. Die Hofkontur wird dadurch räumlich gefasst und es wird ein identitätsstiftender Zugang in die Kramer-Mühle ausgebildet.
Die barrierefreie Erschließung erfolgt über den Hof: Die Scheune wird hier auf Höhe des Hauptgebäudes zur Mühlenwiese großzügig geöffnet und bilden - durch die Scheunenüberdachung geschützt - ein großzügiges Entree mit Raum für überdachte Fahrradabstellplätze. Über die gläsern ausgebildete, räumliche Fuge des Anbaus gelangen die Besucher über eine Rampe in die Kramer-Mühle. Im Haupthaus befindet sich ein zentral gelegener Plattformaufzug zur barrierefreien Erschließung der unterschiedlichen Niveauebenen.
Die Außenbereiche mit ihren landschaftlichen Qualitäten aus Wiese, Bachlauf und Baumbestand werden durch die `T- förmige´ Organisationsstruktur im Einklang mit der jeweiligen Gebäudenutzung als Freiflächen aktiviert und zoniert, so dass das Mühlenanwesen das Potential als Grün- und Erholungsraum erhält. Der Hof wird in seinem historischen Pflasterbelag saniert und erhält die Funktion eines zentralen Marktplatzes im Begegnungszentrum. Hier können in Synergie zu den baulichen Hofflanken Nutzungen vom Flohmarkt bis zu Kunstausstellungen stattfinden.

GEBÄUDEFUNKTIONEN
Die Längsflanken zum Hof nehmen die Bereiche für Feste und Feiern, sowie die Räume für Vereine und Gruppen auf. Der Saal für private Anlässe und Feiern liegt ebenerdig in der Scheune und wird zum Dachstuhl hin geöffnet, so dass ein für festliche Anlässe angemessenes Raumvolumen entsteht. Der nördliche Anbau generiert hier eine kopfseitig angeschlossene Küche mit Technikflächen darüber. Über gläserne Torsituationen lässt sich der Saal sowohl mit dem Hof als auch mit der Mühlenwiese verbinden und aktiviert so den anschließenden Außenraum. Die westliche Flanke des Nebengebäudes wird räumlich für Vereins- und Gruppenräume arrondiert. Zum Hof hin thematisiert eine gläserne Fassade mit großzügigen Faltschiebeelementen das Verschmelzen von Innen- und Außenraum.
Die Seminarräume werden zusammen mit der Künstlerwerkstatt in den Neubau im Osten gelegt. Der Anbau mit seiner prägnanten dreischiffigen Satteldachkontur zitiert einerseits die historische Architektur und ermöglicht anderseits über mobile Trennwände eine flexible Raumnutzung. So lässt sich die Künstlerwerkstatt für Workshops räumlich erweitern oder die Seminarräume zu einem zweiten Veranstaltungsraum
zusammenschalten. Nach Süden öffnet sich der Neubau mit großzügiger Verglasung und Austritten in den parkartigen Freiraum. Die Künstlerwerkstatt aktiviert hier im Sommer den Freiraum für zum Beispiel Bildhauerworkshops unter dem Schatten des alten Baumbestandes. Nach Norden zoniert der Anbau einen großzügigen Freiraum für Großveranstaltungen auf der Mühlenwiese. Der Neubau fungiert dabei bei entsprechenden Veranstaltungen als `Bühnen- und Backstage´- Bereich.
Im Haupthaus befindet sich die Mediathek in zwei Obergeschossen, sowie der Kultur- und Veranstaltungssaal (Trauzimmer) im ehemaligen Mehllager. Hier werden zum Kraichbach und zum südlichen Park hin bodentiefe Fensteröffnungen eingefügt, so dass der atmosphärische Kontext der Mühle im Raum spürbar wird. Eine großzügige Deckenöffnung mit Freitreppe schafft einen unmittelbaren Raumbezug vom Eingangsbereich zum Informationsbereich der Mediathek im 1. Obergeschoss. Der offene Raumbezug wird durch einen zweiten Luftraum mit freigelegter Balkenlage und galerieartiger Anordnung der Funktionsbereiche ins Dachgeschoss ergänzt. Der Plattformaufzug verbindet alle Ebenen der Mediathek barrierefrei. In der Fuge über dem Kraichbach sichert eine außenliegende Stahltreppe den baulichen Rettungsweg aus den Obergeschossen. Zur zusätzlichen Tageslichtversorgung der Mediathek werden im alternierenden Rhythmus zur Fassadengliederung des Haupthauses Dachflächenfenster eingefügt.
Die extern betriebene Gastronomie wird in der westlich gelegenen Ölmühle untergebracht. Dabei werden die historischen Ebenen beibehalten und zum Gastraum versetzt eine `Showküche´ auf dem Galeriegeschoss eingerichtet. Darunter befinden sich die Lager- und Toilettenräume sowie ein behindertengerechtes WC. Über der Küche befinden sich zugehörige Technikflächen. Die bauliche Struktur des Silos wird als Erlebnis in die Gastronomie eingebunden und über die Raumöffnung mit offener Deckenbalkenlage erlebbar gemacht. Zum Vorhof mit Parkplätzen und Andienung liegt der Gastraum ebenerdig und im Süden führt eine Naturrampe entlang einer Stützmauer zur Terrasse des Biergartens am Wasser. Die Kopplung zwischen Gastronomie und Haupthaus erfolgt mit einer Brücke über dem Kraichbach.

MATERIALIEN
Die Strategie zur Revitalisierung der Kramer-Mühle verfolgt eine ganzheitliche Konzeption um die Schichten der Geschichte lesbar zu machen. Die Verfahren zur Rekonstruktion, Konservierung, Renovierung und Reparatur werden nicht ideologisch, sondern aus der jeweiligen Wahrnehmung und Nutzung abgeleitet. In diesem Sinne kommt der objektgeschichtlichen Patina der gleiche Stellenwert wie dem Erstrahlen in neuem Glanz zu. Das Bewahren und behutsame Ergänzen erfolgt vor dem Hintergrund der neuer Nutzungsherausforderungen und lässt der historischen Substanz Entfaltungsspielraum.
Die Neubauten im Osten und Norden werden in monolithischer Bauweise mit 60 cm starken, durchgefärbten Leichtbetonwänden und hoher Speichermasse erstellt. Für ein einheitliches Erscheinungsbild ohne Schalungsfugen werden die Wände komplett mit sägerauen Brettern geschalt und die Hydrophobierung des Betons erfolgt mit entsprechendem Oberflächenschutz. Die Durchfärbung wird im Kontrast abgestimmt auf den gelbbraunen Farbton des Putzes, der für das Haupthaus nach historischen Vorlagen wiederhergestellt wird. Ebenso werden die farbigen Klappläden wiederhergestellt. Die flankierenden Hofbauten werden hell verputz und die historische Fachwerkstruktur wo möglich freigelegt. Im Bereich der Ölmühle wird der Sandstein großflächig gesäubert und mit einer neuen Mörtelschicht verfugt. Wo notwendig werden im Zusammenhang mit Fensteröffnungen wasserführende Gesimse eingebaut. Die Fenster werden saniert bzw. als Holzfenster mit Teilung nach historischem Vorbild wiederhergestellt. Die großflächigen neuen Verglasungen im Bereich der Flanken zum Hof (Scheune, Anbauten) werden als Fassadenkonstruktion aus Stahl realisiert. Ebenfalls aus Stahl sind die neuen Eingangsportale, sowie Treppe und Fluchttreppe der
Mediathek. Die Dachflächen werden mit einer Außen- bzw. Zwischensparrendämmung versehen und unter Bewahrung wertiger Ziegelsubstanz neu eingedeckt.
Im Inneren werden die Böden im Bereich der Neubauten als geschliffenen Sichtestrichböden ausgeführt und stehen im Kontrast zu den Fensterlaibungen mit Sitznischen u. Ausstellungsvitrinen aus geölter Räuchereiche. Im Bestand werden die Fliesen- Parkett- und Dielenböden wo immer möglich saniert und im Sinne er beschriebenen Sanierungsstrategie ergänzt. Im Bereich von Scheune u. Ölmühle wird ebenfalls ein Sichtestrichboden eingebaut. Alle sichtbaren, hölzernen Bauteile im Inneren werden gesäubert, saniert und geölt. Dort wo es bauphysikalisch notwendig ist, wie z.B. im Bereich der Fensterlaibungen wird eine Innendämmung angebracht. Die Dämmplatten aus natürlichem Material wie Holzfaserdämmplatten und Calciumsilikatplatten werden auf den Innenputz als Kalk- oder Lehmputz mit `atmungsaktiver´ Wirkung für Klima und Raumluft ausgerichtet. Im Bereich der Mediathek führt eine farbiger Bodenlinie durch die Nutzungsbereiche. Alle Möbel werden hier aus farbig lasierten Hölzern hergestellt.

ENERGETISCHE GEBÄUDEIDEE
Ziel ist die Entwicklung einer Strategie für eine nutzungsgerechte Aufenthaltsqualität bei gleichzeitig reduziertem Ressourcenverbrauch und der Reduzierung der Gebäudetechnik wo sinnvoll und möglich. Angestrebt wird dabei auch die Nutzung regenerativer Energiequellen als Bestandteil des Gesamtkonzepts.
Die Heizung wird hierzu basierend auf geothermischer Wärmegewinnung vorgeschlagen. Je nach Ergebnis der Vorplanung kann Grundwasser (Brunnen) als Wärme- bzw. Kühlquelle für die Grundlastversorgung dienen. Alternativ zum Brunnen können Erdsonden im Bereich der Mühlenwiese als geothermischer Wärmetauscher genutzt werden. Die Aufenthaltsbereich im Neubau, der Gastronomie und der Scheune werden im Winter über eine Fußbodenheizung temperiert. Gleichzeitig kann die Fußbodenheizung im Sommer zur Kühlung eingesetzt werden. In den übrigen Bestandsgebäuden kommen Radiatoren zum Einsatz.
Im Hinblick auf die Lüftung sind alle Bereiche über Fenster natürlich belüftbar. Für die Nutzungsbereiche mit größerem Personenaufkommen werden entsprechend der Nutzungsverteilung dezentrale Lösungen umgesetzt. Um eine einfache bedarfsgerechte Belüftung im östlichen Neubau zu gewährleisten, erfolgt die Frischluftversorgung für die Künstlerwerkstatt sowie die Seminarräume über dezentrale Fassadenlüftungsgeräte. Die Raumlufttechnischen Anlagen werden auf Basis der erforderlichen Mindestaußenluft-versorgung der Personen zur Sicherstellung des hygienischen Mindestluftwechsels, bzw. hinsichtlich der energetischen Anforderung dimensioniert. Alle Geräte sind mit effizienter Wärmerückgewinnung ausgestattet und werden über ein Bedientableau im Raum in Abhängigkeit von der Luftqualität gesteuert. Die Geräte werden im Sommer zur Nachtauskühlung der offenen Speichermassen genutzt.
In der Scheune und der Gastronomie kommen Bereichslüftungsanlagen zum Einsatz, die im Kopfbau bzw. jeweils über den Küchenbereichen eingebaut sind. Dadurch können sowohl die lüftungstechnischen Anforderungen aus den Küchen als auch den aus den Gast- und Veranstaltungsbereichen auf kurzen Wegen abgedeckt werden. Eine aktive Solarenergienutzung kann über den östlichen Neubau erfolgen. Die Satteldachflächen nach Süd-Westen lassen sich mit Photovoltaikelementen ergänzen, so dass der erzeugte Strom für den Gebäudebetrieb genutzt werden kann. Eine Nutzung weiterer Dachflächen steht in Abhängigkeit zur Prüfung denkmalpflegerischer Aspekte.
Das anfallende Regenwasser der Dachflächen wird über Regenwasserrückhaltungsbecken in den Freianlagen auf dem Grundstück versickert.

Beurteilung durch das Preisgericht

− Bäume auf Mühlenwiese müssten für Neubau weichen, nur kleine Öffnungen zur Mühlenwiese
− Erweiterungsbau auf der Mühlenwiese in „Wohnhaus-Charakter“
− Kein eigenes Trauzimmer