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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2021

Neugestaltung Sanierungsgebiet „Innenstadt“ in Schleswig

Perspektive 1

Perspektive 1

2. Preis

Preisgeld: 19.000 EUR

Bruun & Möllers GmbH & Co. KG

Landschaftsarchitektur

IDS Ingenieurpartnerschaft Diercks Schröder

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Die Stadt Schleswig blickt auf eine lange traditionsreiche Geschichte zurück. Die günstige Lage an der Schlei führte dazu, dass die erste Siedlung bereits 804 entstand und als Handelszentrum in Hand der Wikinger florierte. Heute blickt Schleswig stolz zurück auf diese Wurzeln und so trägt die Stadt seit wenigen Jahren sogar den Namen Wikingerstadt Schleswig. Trotz vielen baulichen Veränderungen über die Jahre, erinnert die Lage und auch einzelne Funde an ihre Gründungsväter.

Mit der Neugestaltung der zentralen Fußgängerzone sowie den angrenzenden Plätzen soll die Stadtgeschichte fortgeschrieben werden. Wie aber kann die Geschichte des Ortes mit den heutigen Bedürfnissen zusammengebracht werden? Was ist typisch für Schleswig und wie entsteht eine Identität?

Blickt man dabei zurück in die Zeit der Wikinger und vor allem deren Kunst und Handwerk, so entdeckt man immer wieder die Kombination aus teilweise sehr groben und rohen Materialien in Verbindung mit unwahrscheinlich feinen und präzisen Mustern in Form von Schnitzereien oder Kunstschmiedearbeiten. Die Wikinger waren Meister des Bootsbaus – jedes Schiff war ein handwerkliches Meisterstück aus einfachen Materialien gearbeitet. Der Drachenkopf, der die Schutzgeister der Feinde vertreiben sollte, war mit feinsten Schnitzereien versehen teilweise auch vergoldet.
Schaut man sich heute die Stadt an und ihre baugeschichtlichen Zeugen, so sieht man dieses Motiv von einer guten und soliden Handwerksarbeit aus dauerhaften, lokalen Materialen kombiniert mit feinst gearbeiteten kunstvollen Zierelemente an den Fassaden oder besonderen Elementen wie dem Altar der Petri Kirche (eine Holz-Schnitzerei).

Die Fußgängerzone
Pflasterklinker ist das typische Material des Nordens. Es wird seit hunderten von Jahren gefertigt, früher in Handarbeit heute industriell. Das Prinzip des Brennens von Ton ist aber das gleiche geblieben und die Möglichkeiten das Material einzusetzen ebenfalls.
Die neue Fußgängerzone vom Platz am Præsidentklosteret bis zum Gallberg, sowie die angrenzenden Plätze erhalten durch den Einsatz dieses charaktervollen Materials ein lebendiges und ortstypisches Bild. Besonders ist dabei aber die Art wie der Klinker verlegt wird. Wie ein Teppich gewebt, zieht das Muster, das auf dem Grundprinzip des Fischgrät-Verbandes beruht, durch seine Ausrichtung beide Seiten der Fußgängerzone zusammen und stärkt somit die Querbeziehungen. Die Abwechslung im Verband aber rhythmisiert den Raum und zeigt auch hier wieder einen kunstvollen Umgang mit dem Material und Muster, wie man Sie zum Beispiel auch in Textilien aus der Wikingerzeit kennt (Bordüren an Kleidung oder Teppichen).

Eine zentral angeordnete Leitlinie, die gleichzeitig die Entwässerung aufnimmt, bildet eines der besonderen Elemente das in den Pflasterteppich eingewebt ist. Die Rinne, eingefasst in Läufern mit besonderen Pflasterdetails, ist speziell für die Stadt Schleswig gefertigt. Sie nimmt ein berühmtes Motiv aus der Wikinger Zeit auf, die Bordüre des Tors der Stabkirche von Urnes (ein Motiv aus der sich später auch der ‚Germanische Tierstil‘ entwickelte). Das Motiv wird übersetzt und als gegossene Abdeckung der Rinne und damit zentralen Linie der Fußgängerzone als Schmuckstück hervorgehoben.

An den Fassaden werden Läufer aus Klinker gesetzt, die Vor- und Rücksprünge aufnehmen, so dass der quer verlegte Pflasterteppich hier nicht gestört wird.

Die Ausstattung untersteht ebenfalls der gleichen Identität und Haltung zu Ort und Handwerk. Holz und Bronze und Corten-Stahl sind die eingesetzten Elemente, die schon seit Gründung der Stadt eine zentrale Rolle im Bauen und der Kunst gespielt haben. Große Holzblöcke verbunden über feine Elemente aus Baubronze bilden massive aber dabei fein gearbeitete Sitzelemente. Das warme Holz lädt zum Sitzen ein, die Lehnen sorgen für Gemütlichkeit für Alt und Jung. Während sich das unbehandelte Holz in den ersten Monaten silbrig-grau färbt wird die Bronze einen rötlich braunen Ton annehmen, der eine angenehme Wärme erzeugt. Beide Materialien sind von besonderer Dauerhaftigkeit und bilden mit dem Klinker die alte und auch neue Identität der Stadt. Auf der Ansichtsfläche der Bank findet man Worte in Runenschrift. Diese kennzeichnen besondere Orte der Stadt oder nehmen Bezug auf die Geschichte Schleswigs. Gleichzeitig laden Sie zum Erkunden und Entdecken ein.

Auch die Straßenleuchten sind aus Baubronze geschmiedet. Das Material eignet sich auch deswegen besonders, da es natürlich patiniert und keiner Beschichtung oder keines Rostschutzes Bedarf. Während die Fußgängerzone mit Spannseilleuchten ausgestattet wird, findet man auf den größeren Plätzen dieselben Leuchten als Spots an Holzmasten.

Die vorhandenen Holzbirnen bleiben erhalten und werden in den Bereichen östlich der Plessenstraße, wo der heutige Baumbestand nicht erhaltenswert ist, ergänzt und somit zu einem klaren Motiv. Gerade zur Blüte und wenn die feinen weißen Blütenblätter sich auf den kräftig dunkelroten Klinker legen entsteht ein sehr reizvolles Bild.
Die Baumstandorte können in ebenerdigen Baumscheiben aus gusseisernem Material integriert werden.

Wie Perlen an der Kette – die Plätze
Die Achse über die Lange Straße, Stadtweg und Lollfuß wurde als Verbindung vom Schleswiger Dom zum Schloss Gottorf gebaut. Sie wird auch durch die neue Fußgängerzone und vor allem durch den Einsatz des Klinkers sichtbar. Die Plätze am ehemaligen Präsidentenkloster, Capitolplatz, Kornmarkt und Gallberg liegen wie Perlen an einer Kette direkt an dieser Fußgängerzone und stellen Aufweitungen dieser dar. Sie unterstehen damit in der Motivik der Fußgängerzone und werden ebenfalls mit Klinker, allerdings abgesetzt im Reihenverband, befestigt. Kreuzende Fahrbahnen werden in gesägtem, rotbuntem Großpflaster farbig integriert. Die Wendeanlage am Gallberg muss, um den starken Scherkräften der wendenden Busse, aus Ortbeton hergestellt werden. Dieser wird farblich an den Klinker allerdings angepasst und integriert sich somit in das Stadtbild. Durch diese einheitliche Gestaltung und fließende Räume werden die einzelnen Plätze größer, einladender und nutzbarer. Baumpflanzungen, Aufenthaltsräume markieren diese Orte, die vor allem dem städtischen Leben dienen. Besonders hervorzuheben dabei ist der Capitolplatz als der größte und zentrale Platz, sowie als wichtiges Scharnier zu dem neuen Stadtplatz, dem Umfeld um ZOB und Bürgerzentrum. Ein Brunnen, gefertigt aus einem hölzernen Rahmen und einer bronzenen Schale markiert dieses Gelenk zwischen Stadtweg und der neuen Achse über den Capitolplatz in Richtung ZOB und letztendlich auch den Königswiesen und der Schlei. Die vorhandenen Bäume bleiben erhalten und werden mit einer extensiven, aber reizvollen Staudenpflanzung unterpflanzt. Dieses Beet zoniert und formt gleichzeitig den Platz und begrenzt ihn zum Straßenraum.

Vom Capitolplatz gelangt man direkt zum Stadtplatz zwischen ZOB, Filmpalast und Bürgerzentrum. Dieser Platz als auch der Straßenraum des Schwarzen Weges waren früher Teil der Königswiesen. Diese Zäsur greift der Entwurf in der Materialsprache auf und macht sie ablesbar. Trotz der großen Verkehrsflächen ist der Platz sehr grün gehalten. Beete mit Staudenpflanzungen bilden eine Verbindung zum Capitolplatz, formen aber einen Stadtraum dort wo die städtebaulichen Kanten aufgrund des ZOBs fehlen. Somit entsteht ein Platzfigur von hoher Aufenthaltsqualität und städtischem Leben. Gäste, die am ZOB ankommen, werden klar geleitet; Besucher der Stadt finden hier erste Informationen; die Bürger Schleswigs einen neuen Treffpunkt. Sitzkanten entlang der Beete laden zum Verweilen ein. Drei Bäume markieren den Auftakt des Schwarzen Weges, bilden aber gleichzeitig eine räumliche Kante des Platzes zu den sehr ungegliederten Rückseiten Gebäude zwischen Stadtweg und Schwarzer Weg.

Schwarzer Weg
Der Schwarze Weg stellt heute den Hinterhof und Anlieferbereich der Fußgängerzone dar. Einzig das Schlei-Center sorgt für eine punktuelle Belebung. Auch in Zukunft wird der Schwarze Weg die Funktion als Andienung der Geschäfte beibehalten. Jedoch kann durch die Änderungen des Parkhauses der Verkehr deutlich reduziert werden. Für Fußgänger stellt der Schwarze Weg nur eine untergeordnete Rolle dar, jedoch soll er zu einer wichtigen Verbindung für Radfahrer werden. Aufgrund der reduzierten Geschwindigkeit (30 kmh) können diese problemlos im KfZ-Verkehr mitfahren. An den Knoten aber, gerade bei der Ausfahrt aus dem Schwarzen Weg in Richtung Königsstraße sollten sie eine eigene Führung und Vorrang erhalten, um hier den teilweise langen Rückstau aus Poststraße und Schwarzem Weg umfahren zu können. Dazu gehört auch die zukünftige Bevorrechtigung des Linksabbiegers aus dem Schwarzen Weg vor der Poststraße.
Baumpflanzungen vorwiegend auf der nördlichen Straßenseite erzeugen ein räumliches Gefüge und zeigen auch hier die ehemalige Zugehörigkeit als Grünverbindung. Die Oberflächen sind in einem warmen, hellgrauen Betonstein ruhig und zurückhaltend gestaltet, die Fahrbahn verbleibt in Asphaltbauweise.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit
Durch den Einsatz von Materialien, die sich über Jahrzehnte im Bau von Straßen, Gehwegen und Ausstattung bewährt haben, stellt sich der Entwurf als sehr robust und langlebig dar. Hinzu kommt, dass Pflasterklinker, Bronze, Gusseisen und Holz Rohstoffe sind, die dauerhaft verfügbar sind und somit die Anlage immer wieder in ihrem originalen Zustand erhalten bleiben kann. Die Investitionskosten liegen beim Einsatz dieser Materialien etwas höher als bei einfachen Flächen aus Betonstein. Diese Investition zahlt sich aber durch die Langlebigkeit sehr schnell wieder aus. Hinzu kommt, dass der größte Anteil der eingesetzten Materialien regionaler Herkunft ist, so dass Transportwege auf ein Minimum reduziert werden können.
Der Einsatz heimischer Pflanzen als Baumpflanzung und auch in den Staudenbeeten schafft Lebensräume für Insekten und Vögel und trägt somit zur Diversität des Standorts bei. Gleichzeitig spielen die Bäume und Grünflächen durch die Aufnahme von Regenwasser und dessen Verdunstung eine wichtige Rolle für das Mikroklima.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit 1002 besticht insbesondere durch einen sensiblen Umgang mit der Materialisierung der in Folge sich entwickelnden städtischen Räume. Es werden anhand einfacher Maßnahmen und verschiedener Verlegestrukturen des Klinkers unterschiedliche Charaktere entwickelt, die insbesondere in den Platzräumen zu eigenständigen Identitäten führen. Die Wahl des Klinkers als traditionelles Material, typisch für Schleswig, die Wahl des Verlegemusters in Fischgrät und die Rahmung hin zu den Häusern wurde positiv wahrgenommen. Darüber hinaus entwickeln die Verfasser*innen abwechselnd einen hellen und einen dunkleren Belag, was zu einer Lebendigkeit der linearen Bewegrichtungen führen wird und auch zu einer möglichen Reaktion auf die Bebauung der verschiedenen Abschnitte der Fußgängerzone führt. Dennoch wird die Farbtonalität des Klinkers auch kontrovers diskutiert: Der Kontrast der roten Klinker im Verhältnis zur Bestandsbebauung wird insbesondere auch aus denkmalpflegerischer Sicht nicht als optimal gesehen. Aus denkmalpflegerischer Sicht wird die Ablesbarkeit der historischen Wegeführung im Bereich des Schwarzen Weges durch den Materialwechsel geschwächt. Der ZOB wird in einer anderen Materialisierung hervorgehoben, was eine deutlich klare Unterscheidung zwischen den historischen Kernräumen und dem eher funktionalen Busbereich darstellt. Kontrovers diskutiert wurde, dass insbesondere auf dem Platz beim ZOB die starke Baumpflanzung zu einer Inflexibilität in der Nutzung führt. Diskutiert wurde der Umgang mit den Höhen auf dem Hertieplatz, welcher in der Übersetzung wenig situativ erscheint. Durch die seitliche Bepflanzung wird außerdem eine Abgrenzung in einer Art Verkehrsbegrünung erzeugt. Die abknickende Vorfahrt aus dem Schwarzen Weg wird vor dem Hintergrund der Beeinträchtigung des Verkehrsflusses auf der Poststraße kritisch gesehen. Die Betonung der Anbindung Sparkassenweg wird positiv beurteilt. Darüber hinaus wurde angemerkt, dass die Wahl der Möblierung in Bezug auf die kleinmaßstäblichen Hausstrukturen typologisch schwer erscheint. Auch die Ausstattung der mittleren Rinnen wurde in der Jury diskutiert und die Funktionalität in Bezug auf Wartung und Sicherheit in Frage gestellt.
Lageplan 1:1000

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Perspektive 2

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Detail

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