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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2021

Neuausrichtung Focke-Museum-Bremen

Teilnahme / 2. Rundgang

Hoskins Architects (Berlin)

Architektur

Erläuterungstext

Das Focke-Museum in Bremen ist 1964 in Deutschland als erster Museumsneubau nach dem 2. Weltkrieg fertiggestellt geworden. Mit seiner Architektur stand es diametral entgegengesetzt zur monumentalen Museumsarchitektur der Vorkriegszeit. Der Entwurf von Prof. Heinrich Bartmann reagierte auf ein verändertes Zeitgefühl: statt repräsentative Architektur entwickelte er unaufgeregte und sensibel komponierte Raumzusammenhänge, die in Verbindung mit der umgebenen Landschaft zu einem harmonischen Ensemble wurden. So entstand ein Museum im Park, das heute zu Recht unter Denkmalschutz steht. Ziel der »Neuausrichtung Focke Museum Bremen« ist es, dieses Konzept zu erweitern und ein Museum mit Bürgerforum-Charakter für alle Bremerinnen und Bremer zu schaffen. Gleichzeitig sollen die Innenhöfe überdacht werden, um mehr Ausstellungsfläche zu generieren.

—Entwurfsleitende Idee
Wie kann es gelingen, diesen bedeutenden Museumsbau funktional und räumlich so zu ergänzen, dass die charakteristische Kubatur des Gebäudes und der enge Bezug zur umgebenden Parklandschaft erhalten bleiben? Wie kann ein Bürgerforum unter dem Dach des Focke-Museums erfolgreich integriert und nach Außen als solches wahrgenommen werden?

—Unser Ansatz
Wir nehmen eine respektvolle Haltung zum denkmalgeschützten Bestand ein, indem wir die ursprüngliche Kubatur des Museumsbaus nur um den Bauteil ergänzen, der funktional direkt mit ihm verbunden sein muss: das erweiterte Eingangsfoyer.
Für das neue Bürgerforum denken wir die Idee des „Museums im Park“ weiter und ordnen die neuen Elemente Multifunktionsbereich und Café als eigenständige Pavillons im südlichen Gartenteil an. Die Bereiche sind untereinander barrierefrei und mit dem bestehenden Vortragssaal des Museums durch Pergolen verbunden. Das neue bauliche Ensemble definiert den bespielbaren Gartenraum, in dessen Mittelpunkt die drei bestehenden und eindrucksvollen Gehölze (Mammutbaum, Kaukasische Flügelnuss, Trompetenbaum) erhalten bleiben. Der neu definierte Vorplatz mit dem Cafébereich fungiert als Bindeglied zum öffentlichen Raum. Hier öffnet sich der geschützte Gartenraum des Museums zur Parklandschaft des Außenraums und macht der Museumsgarten für die Besuchenden zugänglich.

—Eingangsfoyer
Der bestehende Eingangsbereich wird um ein vorgelagertes Foyer erweitert, um das eigentliche Museum von den erforderlichen Funktionen der Besucherankunft zu entlasten. In seiner Form greift der Vorbau die charakteristische Staffelung der Fassade östlich der Haupterschließungsachse auf und bleibt dadurch zugleich in respektvollem Abstand zum prägnanten Baukörper des Vorlesungssaals.
Die Eingangstüren sind mittig und in direkter Erschließungsachse zur Passage angeordnet. Glaselemente und Brise Soleil der bestehenden Eingangsfassade werden zugunsten einer großzügigen räumlichen Nutzung entfernt. Die bestehenden Stützen verbleiben als Zeugen der ursprünglichen Situation. Um eine vom Museum unabhängige Nutzung des Foyers zusammen mit dem Vortragssaal zu ermöglichen, wird an der Stelle der ursprünglichen Drehtüren eine vollständig zu öffnende und abzuschließende Abtrennung mit Glaspanelen vorgeschlagen.

—Vorplatz mit Café-Pavillon
Der Vorplatz des Museums erhält durch den neuen Café-Pavillon eine klare, aber transparente räumliche Fassung. Durch die abgerückte Position des Cafés wird der prägnante Baukörper des bestehenden Vortragssaals sichtbar. Auch der Tulpenbaum vor dem Eingang des Museums kann erhalten bleiben.
Das helle Klinkerpflaster des Vorplatzes nimmt Bezug zum Bestandsmaterial und erinnert in seiner Farbe an die ursprüngliche wassergebundene Wegedecke des Vorplatzes.
Die Beete werden auf ihre bauzeitliche Gestalt zurückgeführt, indem der später eingefügte Diagonalweg entfernt wird. Auch die Bepflanzung orientiert sich am ursprünglichen, luftig wirkenden Pflanzbild aus Blütenstauden und Gräsern.
Der Café-Pavillon, der zugleich die Funktion eines kleinen Veranstaltungsraums übernimmt, ordnet sich östlich am Vorplatz an und wird als niederschwellige Willkommensgeste für die Besucher verstanden. Über eine Pergola ist der Café-Pavillon mit dem bestehenden Vortragssaal durch einen neuen Zugang auf der Südseite des Saals verbunden. Die Pergola zwischen Café-Pavillon und Vortragssaal fungiert gleichzeitig als Torsituation zwischen Vorplatz und Museumsgarten. Dort sind in geschütztem Rahmen auch größere Veranstaltungen im Freien möglich. Die Pergola führt den Besucher entlang der Nordseite des Cafés weiter zum Multifunktions-Pavillon.

—Multifunktions-Pavillon
An der östlichen Seite des Museumsgartens platziert, fügt sich der Multifunktions-Pavillon als eigenständiger Pavillon in die Gartenlandschaft ein und fasst den geschützten Bereich des Museumsgarten an der östlichen Seite. Der Pavillon steht in direkter Blickbeziehung zum bestehenden Vortragssaal und ist über Pergolen mit Café und Museumspädagogik-Bereich verbunden. Der Bodenbelag der Pergolen ist in hellem Klinker gepflastert und orientiert sich an den Bestandwegen im Museumspark.
Die Bühne für Veranstaltungen im Freien (bisheriger Gartenpavillon) ist in den Baukörper des Pavillons integriert und öffnet sich zum Zuschauerbereich im Museumsgarten.

—Hofüberdachung im Museum
Durch eine Überdachung der Innenhöfe des bestehenden Museums wird die Ausstellungsfläche deutlich erweitert. Dafür wird ein Dach auf Stützen nach dem Prinzip der Pavillons in den Hof eingestellt. Ein Lichtband umrandet das eingestellte Dach an drei von vier Seiten und ermöglicht so die Ablesbarkeit der ursprünglichen Hofsituation. An der östlichen Stelle wird ein kleiner Lichthof (ca. 7m x 7m) geplant, in dem der bestehende Baum oder eine Neupflanzung den ursprünglichen Entwurfsgedanken beibehält und als Ruhezone innerhalb der Ausstellung neu interpretiert.

—Konstruktion, Materialität und Nachhaltigkeit
Alle neuen Pavillon-Elemente sind durch konstruktive und ästhetische Merkmale miteinander verwandt und so als Eingriffe in das Denkmal aus einer bestimmten Zeit ablesbar.
Pavillon- und Hofüberdachung werden aus vorgefertigten Brettsperrholz- bzw. Brettschichtholz-Elementen erstellt, die für größere Spannweiten als Gitterrost-Tragwerk konzipiert sind. Die Auskragungen an den Dachrändern sind als massive Brettstapeldecken vorgesehen, um eine filigrane Ansicht der Dachränder zu erreichen.
Stützen und tragende Wände der Pavillons werden aus werden ebenfalls als Brettschichtholz-Elemente konzipiert. Für die Hofüberdachung sind die Stützen als Stahl-RHS-Profile mit Holzverkleidung geplant. Die Gründung erfolgt durch eine Stahlbetonplatte mit lokalen Verstärkungen im Bereich der Stützen.
Durch gut gedämmte massive Bauteilkonstruktionen mit sichtbaren Holzoberflächen werden Oberflächentemperaturen nahe der Raumlufttemperatur erreicht – ein wesentlicher Beitrag zur Behaglichkeit. Gleichzeitig tragen die hohe thermale Masse und die hohe spezifische Feuchte- und Wärmespeicherfähigkeit der Massivholzkonstruktion zur Regulation des Raumklimas bei und wirkt sich positiv auf den sommerlichen Wärmeschutz aus, da eine ausgeprägte Phasenverschiebung und Amplitudendämpfung der Oberflächentemperaturen erreicht wird.
Alle Dachflächen werden als extensive Gründächer ausgebildet und verbessern dadurch das Mikroklima vor Ort und bieten einen effektiven Regenwasserrückhalt. Überschüssiges Regenwasser versickert auf dem Gelände. Die Dachflächen werden als Aufstellorte für Photovoltaikanlagen genutzt.
Ein hoher Tageslichtanteil durch die großzügige Verglasung der Pavillons minimiert die Notwendigkeit zu künstlicher Beleuchtung. Eine gestaffelte, bedarfsgerechte Beleuchtung mit hocheffizienten LED Elementen und tageslichtgeregelter Beleuchtungstechnik reduziert den elektrischen Energie- und Kühlungsbedarf.
Die vertikalen Glaselemente werden durch die Dachüberstände im Sommer verschattet, während die Sonneneinstrahlung der tieferstehenden Sonne im Winter durch solare Gewinne einen Beitrag zur passiven Beheizung leistet. Durch eine 3-fach Wärmeschutzverglasung werden die Transmissionswärmeverluste im Winter dabei reduziert.
Im Bereich der Ausstellungsflächen wird vorgeschlagen, die vorhandenen und vermutlich wartungsintensiven Jalousien durch Beschattungselemente zu ersetzen, die aus einem dem Bestand angepassten, hinterlüfteten Metallrahmen mit Sicherheitsverglasung und Sonnenschutzfolie bestehen. Diese „Vorhangfassade in Miniatur“ trägt signifikant zur Reduktion der thermischen Lasten im Sommer bei und schützt die sensiblen Exponate durch die Integration der Sonnenschutzfolie vor schädlicher UV-Strahlung.