modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Einladungswettbewerb | 05/2021

Fassadenwettbewerb Wohn- und Geschäftshaus Aufseßplatz Nürnberg

Perspektive Nord-Ost

Perspektive Nord-Ost

1. Preis

Preisgeld: 15.000 EUR

H2M Architekten

Architektur

koeber Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

KONZEPT + KONTEXT
Die Gestalt der Neubebauung am Aufseßplatz bezieht ihre Identität aus dem Konzept einer mehrschichtigen Überlagerung der historischen Spuren und der Bebauung des Kontextes. So ist die historische Bebauung des ehemaligen Kaufhaus Schocken von Erich Mendelson Ausgangspunkt des Materialkonzeptes und der Gliederung der Fassade. Die Gliederung in eine öffentliche Gewerbezone mit Betonfertigteilen und der Obergeschosse mit Ziegelfassade wird aufgegriffen und modern und zeitgemäß interpretiert.

KONSTRUKTION + MATERIAL
Die subtile Gliederung der Fassade entsteht nicht durch bloße Farbgebung, sondern durch eine konzeptionelle Überlagerung und Durchmischung der Materialien. Die arkadenförmigen Bögen im Erdgeschoss vor den Gewerbebauten bestehen aus Recyclingbeton mit Klinkerzuschlägen von Abbruchklinkern in unterschiedlicher Durchmischung und Oberflächenbeschaffenheit. Die historische Spur des Kaufhauses von 1968 wird durch die Eiermann-Kacheln im Gewerbespiegel (Beschriftung) der Gewerbeeinheiten und Beleuchtung aufgegriffen und weiter fortgeführt. Die Struktur der Eiermann-Kacheln wird aufgegriffen und zum gestaltprägenden Element für die Rankgerüste und Brüstungsgeländer.

In den Obergeschossen wird eine nachhaltige, durchgängige Ziegelfassade vorgeschlagen. Die massive Ziegelwand schafft im Innenraum ein gesundes Raumklima und ist einfach elementiert baubar. Die äußere Schicht zur Stadt entsteht durch direkt ans Mauerwerk vorgemauerte Klinkersteine in unterschiedlichem Verband und unterschiedlich farbiger Prägung. Die subtile Gliederung der Außenfassade entsteht durch den unterschiedlichen Durchmischungsquotient verschiedener Farbtöne und Brände; teilweise werden Abbruchklinker beigemischt. Diese Durchmischung und die damit unmittelbar Verbunde Gewachsenheit knüpft an die Geschichte der Südstadt mit seiner Zerstörung und den Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg an. Die Farbigkeit changiert zwischen beige und leicht rötlicher Tonigkeit und vermittelt zum heterogenen Kontext und der Farbgebung vom Sandstein des Nürnberger Stils.

Insgesamt entsteht eine sehr qualitätvolle, zeitgemäße und nachhaltige Fassade für das neue Wohn- und Geschäftshaus. Zeitlos genug, um zu überdauern, prägend und eigenständig genug, um dem Aufbruch der Südstadt am Aufseßplatz ein neues Gesicht zu verleihen. Die Geschichte des Ortes wird zum Ausgangspunkt und Identitätsmerkmal der Fassade und durch die Überlagerung der historischen Schichtung sehr eigenständig weiter interpretiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf präsentiert einen großen und gleichzeitig differenzierten Stadtbaustein, der sich in seinem Konzept bezüglich der Materialität und Fassadengliederung am historischen Kaufhaus Schocken von Erich Mendelsohn orientiert. Über einem zweigeschossigen Sockel aus recycelten Betonfertigteilen, der aus öffentlicher Gewerbezone und Parkebene besteht, erheben sich die Wohngeschosse mit Ziegelfassaden in einer Lochfassadenstruktur, die in changierenden Farben in Anlehnung an den Nürnberger Sandstein die Fassade wohlproportioniert gliedern. Mit den Arkaden tritt das Gebäude in den Dialog mit dem öffentlichen Raum. Die dem Sonnenschutz dienenden Markisen verleihen der Fassade zusätzliche Lebendigkeit und gliedern den überhöhten Sockelbereich.

Der Vorschlag des Einbaus grüner Lichtschächte zur besseren Belichtung der Wohngeschosse wird als nicht zielführend eingeschätzt. Er verweist jedoch auf die Schwachstelle der Grundrissstruktur, der mit einer weiteren Überarbeitung begegnet werden müsste. Das Konzept für den Dachgarten im Innenhof bildet mit differenzierten privaten und gemeinschaftlich zu nutzenden Bereichen ein qualitätsvolles Angebot für die Bewohner/innen.

Die Fassadengestalt ist schlüssig aus der inneren Grundrissstruktur entwickelt. Begrüßt wird das präsentierte Erscheinungsbild in seiner Hochwertigkeit, dessen Qualität mit Reliefbildung und Tiefenversatz sicherzustellen ist. Auch die Farbgebung ist dahingehend zu überprüfen. Die Fassadenstruktur mit Loggien bietet eine robuste wie gestalterisch ansprechende Lösung, die eine gewisse Individualisierung der privaten Freibereiche ermöglicht, ohne das ruhige Bild zum öffentlichen Raum hin zu beeinträchtigen.

Generell wird der hohe Grünanteil im Fassadenbild begrüßt. Die Fassadengestaltung der Parkebene mit ihrer Reminiszenz an die Eiermannkacheln wird generell gewürdigt. Sie ist jedoch hinsichtlich ihrer technischen Machbarkeit (erforderlicher Öffnungsanteil von 30%) zu überprüfen. Es wird kontrovers diskutiert, inwiefern die Ansicht des grünen Fassadenvorhangs die zu erwartende Realität abbildet. Gleichermaßen wird hinterfragt, ob die für die Loggien vorgesehen Begrünungen realisier- bzw. kontrollierbar sind. Beides müsste einer detaillierteren Planung unterzogen werden, um das gewünschte grüne Erscheinungsbild in hoher Qualität sicherzustellen.

Die Ausbildung der Fassade (massive Ziegelwand mit vorgemauerten Klinkersteinen) überschreitet den von der Ausloberin gewünschten Rahmen des Wandaufbaus und impliziert ggf. zusätzliche statische Herausforderungen. Es wäre in der weiteren Planung zu überprüfen, wie der Wandaufbau beispielsweise im Bereich des Vollziegels unter Wahrung des präsentierten Gestaltanspruchs der Fassadenschichtung angepasst werden könnte.

Insgesamt zeichnet sich der Entwurf durch eine wohltuende Balance zwischen städtischem Auftritt und kleinteiliger Körnung aus. Er passt sich gut in den vorhandenen Kontext von einerseits gründerzeitlichen Schmuckfassaden und nüchterner Nachkriegsarchitektur ein und bietet einen selbstbewussten wie angemessenen Beitrag an prominenter Stelle in der Nürnberger Südstadt.
Perspektive Süd-Ost

Perspektive Süd-Ost

Dach

Dach